Edmund Husserl

(1859 - 1938)

Von: Die Inkognito-Philosophin

Husserl Zitate über Leben & Welt

Edmund Husserl war ein Mathematiker und Philosoph. Er gilt als Vater der philosophischen Phänomenologie und als einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts. Husserl machte sich einen Namen durch seine umfassende Kritik am Psychologismus, den er den Wissenschaften seiner Zeit vorwarf, weil dieser logische Gesetze als Ausdruck bloßer psychischer Gegebenheiten ansah.

Husserls Denken hat sich vor allem in  Deutschland und Frankreich etabliert und ist bis heute von großer Faszination und Wirkung. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wurde er in Nazideutschland verfolgt und seine Schriften bei Bücherverbrennungen vernichtet. Das ist auch der Grund, warum seine Phänomenologie emigrieren musste und seine Philosophie zuerst außerhalb Deutschlands wieder an Beliebtheit gewann.

Vgl. auch Phänomenologie (Philosophie) – Definition 

Edmund Husserl Zitate & Philosophie

“[...] bloße Erfahrung ist keine Wissenschaft."

- Die reine Phänomenologie, ihr Forschungsgebiet und ihre Methode, Freiburger Antrittsrede 1917. In: Husserliana, Band XXV, Aufsätze und Vorträge (1911-1921)

Husserls Leben & depressive Phasen

Husserl war in seiner Kindheit kein Überflieger. Das Abitur bestand er gerade so, er wurde sogar der Schlechteste seines Jahrgangs. Weiter ging es 1876 mit seinem Studium der Mathematik und Naturwissenschaften.

1916 nimmt Husserl eine Professur an der Universität Freiburg an, wo er Zeit seines Lebens bleiben sollte. Doch Husserl hatte eine depressive Störung: die Wirrnisse und Schreckensbilder des ersten Weltkrieges prägen sich schwer in ihn ein. Auch seine beiden Söhne Gerhart und Wolfgang mussten wie viele andere Studenten und jungen Professoren in den Krieg ziehen. 

Husserl fühlte sich während der Kriegsjahre wie gelähmt. Er schreibt in jener Zeit von einem ”Ausbruch des Welthasses” und der “Sintflut der Verleumdung und all die Orgien der kriegerischen Entmenschung”.

Der Philosoph fühlte sich von der Tragweite der Geschehnisse niedergedrückt. Vorlesungen und Seminare hielt er zwar noch eine Weile, musste sich jedoch schlussendlich in ein Sanatorium begeben.

Sein Sohn Wolfgang stirbt mit 21 Jahren an der Front, ebenfalls viele von Husserls Studenten. Sein zweiter Sohn Gerhart wird schwer verwundet. Das alles ging sicher nicht spurlos an ihm vorüber. Husserl begann sich zunehmend auch für religiöse Fragestellungen zu interessieren.

 

In dieser Phase freundet er sich mit Martin Heidegger an, der ihm für einige Jahre assistiert und 1928 zu seinem Nachfolger an der Universität Freiburg ernannt wird. Aufgrund Heideggers Sympathien mit dem Nationalsozialismus kommt es zu einem Bruch ihrer freundschaftlichen Kontakte. Husserl musste tief enttäuscht von seinem Schüler sein, der sich so in einem totalitären und entmenschlichten Denken verlor. 

Das Erstarken und die spätere Herrschaft der Nationalsozialen bringt Husserl auf seine Idee der transzendentalen Phänomenologie. Sie ist ein Versuch, die Entfremdung von Mensch und Wissenschaft wieder zu reduzieren

Seit 1933 bemühten sich die Behörden, Husserl aus der Universität auszuschließen. Er war jedoch von so großem, internationalen Ruf, dass es den Nazis erst Anfang 1936 gelang, ihn aus dem Universitätsbetrieb zu entfernen. 1933 schreib Husserl in einem Brief, dass er die neuen Gesetze und seine “Beurlaubung” als größte Kränkung empfand, die ihm jemals im Leben widerfahren ist. 

"Denn der Geist allein ist unsterblich."

- Die Krisis des europäischen Menschentums und die Philosophie, Vortrag am 7. und 10. Mai 1935 in Wien, III, letzter Satz

"Nicht von den Philosophien sondern von den Sachen und Problemen muss der Antrieb zur Forschung ausgehen."

Philosophie als strenge Wissenschaft, in: Logos, Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur

Ernste Beschäftigung mit großen Fragen läßt an sich Unbescheidenheit nicht aufkommen.

– Edmund Husserl

 

„Aber zu Philosophen werden wir nicht durch Philosophien. Am Historischen hängenbleiben, sich daran in historisch-kritischer Betätigung zu schaffen machen und in eklektischer Verarbeitung oder in anachronistischer Renaissance philosophische Wissenschaft erreichen zu wollen: das gibt nur hoffnungslose Versuche. Nicht von den Philosophien, sondern von den Sachen und Problemen muss der Antrieb zur Forschung ausgehen.“

– Edmund Husserl

Philosophie ist als rigorose Wissenschaft an allen nur durch reine Phänomenologie möglich.

– Husserl

 

Alle theoretische Forschung, obschon sie sich keineswegs bloß in ausdrücklichen Akten oder gar in kompletten Aussagen bewegt, terminiert doch zuletzt in Aussagen 

– Husserl: Logische Untersuchungen)

Husserl Zitate

Es ist eben ein Unding, von einem ‚unbewußten‘ Inhalt zu sprechen, der erst nachträglich bewußt würde. Bewußtsein ist notwendig Bewußtsein in jeder seiner Phasen.

– Husserl 1969, Zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins (1893-1917), hrsg. von Rudolf Boehm.

Husserls Philosophie der Lebenswelt

Husserls Philosophie der Lebenswelt

Husserls Leitspruch lautete: Zurück zu den “Sachen selbst!” Seine Vision war es, die Welt so zu verstehen, wie sie auch vom handelnden Menschen selbst erfahren wird. Dieses Konzept fordert einen radikalen Perspektiven-Wechsel: und um diesen zu bewirken, hat Husserl zu ungewöhnlichen Lehrmethoden gegriffen: seine Studenten mussten Tintenfässer sowie Streichholzschachteln beschreiben. Ein Seminar soll sogar über einen Briefkasten gehalten worden sein.

Husserl ging es quasi um Alltagskonzepte, mit denen ein Mensch täglich Probleme und Geschehnisse auffasst und deutet. Dabei dachte er sich den Anfang der Erkenntnisgewinnung im Unmittelbaren, in der “Intentionalität” des Bewusstseins, was die Spaltung von Objekt und Subjekt aufheben sollte.

Für ihn war das Verhältnis von Welt und Bewusstsein komplementär. Das bedeutet Welt und Ich ergänzen sich gegenseitig und sind füreinander konstitutiv. Husserl betonte, es gibt keinen Vorrang von Welt oder Selbst, sondern eine “Gleichursprünglichkeit”. Das eine kann nicht ohne das andere gedacht und erfahren werden. 

Um das zu erreichen, führte Husserl methodische Verfahren ein, die unter dem Begriff  phänomenologische Reduktion zusammengefasst werden. Zentrale Ausgangslage von Husserls Philosophie ist die “natürliche Einstellung zur Welt”, der unbewusste Glaube, dass Wirklichkeit objektiv sei. Diese Annahme ist als  "Generalthesis der natürlichen Einstellung zur Welt" bekannt.

 
Husserls Philosophie

Um zu den Dingen selbst zurückzugelangen, fordert Husserl die bewusste Ablösung von Vorwissen über die Welt. Diesen Prozess nannte er Epoché: sie sollte helfen, die Welt abgelöst von eigenen Interessen und Konzepten in der Wahrnehmung eines anderen zu betrachten. Wem dies gelingt, der kann die Welt als eine sinnvolle Beziehung zum Bewusstsein wahrnehmen. Husserl sprach von Wesensschau (eidetische Reduktion).

Mit diesem Konzept wollte Husserl eine Alternative zur modernen Wissenschaft bieten, der er unterstellte, sich in einem Elfenbeinturm zu bewegen und zu versuchen, Physik und Mathematik außerhalb der Alltagswelt zu begründen. 

Husserl merkte an, moderne Physik besitze kein abgehobenes Fundament, fernab der Alltagswelt, sondern gehe von vorwissenschaftlichen Annahmen über die Welt aus:  „Auch objektive Wissenschaft stellt nur Fragen auf dem Boden dieser ständig im Voraus, aus dem vorwissenschaftlichen Leben her, seienden Welt.“

Husserl Sprüche

Natürlich ist diese Zeit der Erlebnisse nicht die Zeit der in den Erlebnissen intentionalen Gegenständlichkeiten. Wenn z.B., während ich meine dingliche Umgebung wahr-nehme, ein Erinnerungseinfall über mich kommt, und ich mich ihm gar zuwende, dann verschwindet nicht diese Wahrnehmungswelt [...] Die Erinnerung, in der ich nun lebe, bietet mir für das Erinnerte eine Zeit, die implizite orientiert ist zur Wahrnehmungsgegenwart. Aber das Erinnerte ist vergangen [...], während die Er-innerung als Erlebnis gleichzeitig ist mit dem Wahrnehmungserlebnis.

– Husserl 1999, S. 205., Erfahrung und Urteil, 7. Aufl. Hamburg: Meiner

 
Aphorismen von Edmund Husserl

„Wer ‚ich‘ sagt, nennt sich nicht nur selbst, sondern er ist sich dieser Selbstnennung auch als solcher bewußt, und dieses Bewußtsein gehört we-sentlich mit zum Bedeutungskonstituierenden des Wortes ‚ich‘. [...] Der Hörende ver-steht es, sofern es ihm Anzeige für dieses ganze Bewußtseinsgebilde ist, also der Re-dende für ihn als jemand dasteht, der sich selbst, und zwar als ‚ich‘ nennt, d.i. sich als Gegenstand seiner als Selbsterfassung erkannten Selbsterfassung nennt.“

- Husserl 1984, S. 813, Logische Untersuchungen. 2. Band: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis, hrsg. von Ursula Panzer

Husserls Tod

Gerade in seinen letzten Lebensjahren vereinsamte Husserl und wurde immer mehr ausgegrenzt. 1937 wurde seine Familie Opfer antisemitischer Hetzaktionen, so dass sie in Freiburg umziehen musste. 

Im Sommer 1937 feiert Husserl goldene Hochzeit. Allerdings stürzte er schwer, so dass in Folge seine Gesundheit abbaute. Davon erholte er sich nicht mehr und verstarb im Frühjahr 1938.

Ich finde beständig vorhanden als mein Gegenüber die eine raum-zeitliche Wirklichkeit,der ich selbst zugehöre, wie alle anderen in ihr vorfindlichen und auf sie in gleicherWeise bezogenen Menschen. Die ‚Wirklichkeit’, das sagt schon das Wort, finde ich alsdas Seiende vor und nehme sie, wie sie sich mir gibt, auch als daseiende hin.

– Ideen zur einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philoso-phie. Erstes Buch. Allgemeine Einführung in die reine Phänomenologie