
Karl Theodor Jaspers
(1883-1969)
Von: Die Inkognito-Philosophin
Karl Jaspers Zitate & Sprüche über Philosophie & Welt
Karl Theodor Jaspers (1883–1969) war deutscher Psychiater & Philosoph von internationaler Bedeutung.
Jaspers gilt als DER führende Vertreter der Existenzphilosophie, welche in Frankreich auch unter dem Namen Existenzialismus bekannt ist. Allerdings sah Jaspers selbst einen strikten Unterschied zwischen seiner Existenzphilosophie und Sartres Existentialismus.
Er war zunächst Lehrer und anschließend lebenslanger Freund von Hannah Arendt. Als Arzt hat Jaspers grundlegend zur wissenschaftlichen Entwicklung der Psychiatrie beigetragen. Doch auch sein philosophisches Werk wirkt fort.
Jaspers erkrankte in jungen Jahren an einer schweren Bronchial-Krankheit, die ihn sein ganzes Leben lang einschränkte und unter anderem zu existenzieller Einsamkeit führte.
Der Mensch steht heute vor der Alternative:
Untergang des Menschen
oder Wandlung des Menschen.
- Jaspers
Wer Vernunft leugnet, erfährt auch nicht ihre Wirklichkeit;
wer sie erwartet, trifft sie an.
Die Menschheit zur Freiheit bringen,
das heißt,
sie zum Miteinander reden bringen.
Dasswir miteinander reden können,
macht uns zu Menschen.
Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde.
Der Friede beginnt im eigenen Haus.
Die Demokratie setzt die Vernunft im Volk voraus, die sie erst hervorbringen soll.
Macht hat Legitimität nur im Dienst der Vernunft. Allein von hier bezieht sie ihren Sinn. An sich ist sie böse.
Jaspers: Wirken in der Psychopathologie
Karl Jaspers war einer der 1. deutschen Psychiater der Moderne, der die versteckten Vorannahmen seiner Disziplin untersuchte und reflektierte.
Jaspers bezog sich auf Edmund Husserls frühe Arbeiten zur deskriptiven Psychologie und Wilhelm Diltheys Differenzierung von „Erklären“ und „Verstehen“.
Der Begriff „Verstehen“ seinerseits wird dabei unterteilt:
Während das statische Verstehen dem deskriptiven Anspruch der Psychopathologie dient,
könne man sich dank des „genetischen Verstehens“ einfühlen und erkennen, wie „Seelisches aus Seelischem hervorgeht“
Jaspers legte besonderen Wert darauf, die Grenzen der psychopathologischen Methode zu definieren
Hierzu beschrieb er ausführlich „psychiatrische Vorurteile“ wie die sogenannte Hirnmythologie, nach der Geisteskranke Gehirnkranke sein sollen. Er betonte, dass seelische Prozesse immer nur indirekt zugänglich seien, nämlich durch die Mitteilungen von Patienten über ihre Erlebnisse. Sichere Parameter für eine seelische Störung ließen sich hieraus nicht ableiten, wodurch die psychopathologische Analyse sich grundsätzlich von naturwissenschaftlichen Verfahren unterscheidet.
Wie die humanistischen Psychologen sah Jaspers das aktive Streben des Menschen nach einem erfüllten Leben, nach Anerkennung und Selbstverwirklichung als Hauptzweck der Existenz an.
Jaspers: Zitate in Bildern
In der Freiheit ist zwar das Verderben groß,
das völlige Verderben möglich.
Ohne Freiheit aber ist das Verderben gewiss.
Jaspers über die Wissenschaften
Die wichtigsten Philosophen waren für Jaspers: Kierkegaard, Spinoza, Nietzsche und vor allem Husserl.
Seine Psychologie der Weltanschauungen aus dem Jahre 1919 ist ein Übergang von der Psychologie zur Philosophie und kann als 1. Werk der modernen Existenzphilosophie eingestuft werden. Jaspers interessierte sich vor allem für die seelischen Antriebe, die Weltanschauungen begründen.
Jaspers war vehement gegen eine Vermischung seiner Vorstellung von Philosophie mit einer Philosophie, die um die Gunst der Wissenschaft buhlt und sich auf deren Methodik beschränkt. Eine solche Philosophie würde sich selbst zur Dienerin der Wissenschaft machen. Husserls "Philosophie als strenge Wissenschaft" bezeichnete Jaspers sogar als "Meisterwerk, das selbst vor den absurdesten Konsequenzen nicht zurückschreckt".
Die Wissenschaft hat ihre Grenzen, die auf das Dasein, das Bewusstsein und den Geist beschränkt sind. Allerdings bleibt die Existenz außerhalb des wissenschaftlichen Erfassungsbereichs. Der Glaube, dass die Welt als Ganzes erkannt werden kann, ist ein Irrglaube, der in Ideologien wie dem Marxismus, der Psychoanalyse und Rassentheorien verbreitet ist.
In einer bedeutungslosen Realität, in der die Erkenntnisse der Naturwissenschaften keine Unterstützung bei der Suche nach Sinn geben können, benötigt der Mensch eine ungeschönte Betrachtung seiner Existenz als Basis für seine persönlichen Entscheidungen.
Philosophie als Existenzerhellung statt Wissenschaft
Philosophie gilt ihm als Existenzerhellung, die sich mit dem Sein als Ganzem befasst. Jede Äußerung zur Philosophie ist so gesehen selbst schon Philosophie. Philosophie tritt da auf, wo Menschen wach werden. Philosophie ist das Gewahrwerden der eigenen Ohnmacht und Schwäche.
Jaspers unterschied damit wissenschaftliche Wahrheit von existentieller Wahrheit (vgl. Existentialismus) Während die eine intersubjektiv nachvollziehbar ist, könne man bei der anderen nicht von Erkenntnis sprechen, da sie sich auf transzendente Gegenstände (Gott, Freiheit) richtet.
Der Augenblick ist die einzige Realität,
die Realität überhaupt im seelischen Leben.
Der gelebte Augenblick ist das Letzte, Blutwarme,
Unmittelbare, Lebendige, das leibhaftig Gegenwärtige,
die Totalität des Realen, das allein Konkrete.
Statt von der Gegenwart sich in Vergangenheit und Zukunft
zu verlieren, findet der Mensch
Existenz und Absolutes zuletzt nur im Augenblick.
Vergangenheit und Zukunft sind dunkle,
ungewisse Abgründe, sind die endlose Zeit,
während der Augenblick die Aufhebung der Zeit,
die Gegenwart des Ewigen sein kann.
Jaspers Philosophie
Die Philosophie von Jaspers basiert auf der Annahme, dass jedes Individuum als freies Wesen agiert und sich in Interaktion mit anderen weiterentwickelt. Im Gegensatz zu dogmatischen Ideologen, die ihre Wahrheit als absolut und unverrückbar betrachten, betonte Jaspers stets die Wichtigkeit eines offenen und dialogischen Ansatzes.
Er würdigte die Vielfalt und Komplexität menschlicher Erfahrungen und betonte die Bedeutung von individuellem Denken und Handeln in einer Welt, die permanentem Wandel und Unsicherheit ausgesetzt ist.
Die Frage nach dem Zweck unserer Existenz und der Suche nach Erkenntnis ist an dem Punkt angekommen, an dem wissenschaftliche und rationale Methoden nicht mehr ausreichen. Die Überlegungen von Jaspers sind weit entfernt von bloßen metaphysischen Spekulationen – vielmehr betonen sie den Wert von Entscheidungsfindung und persönlicher Verantwortung in unserer Freiheit als Individuen.
Grenzsituationen & die Rolle der Kommunikation
Ein besonderes Augenmerk legt er auf „Grenzsituationen“ wie Tod, Leiden, Schuld, Geschichtlichkeit, die die Erfahrungen des Menschen bestimmen. An denen er jedoch mit rationalem Denken scheitere, und in denen der Mensch Skeptizismus und Nihilismus überwinden kann, indem er sich als Existenz gegenüber der Transzendenz bewusst wird.
Die Möglichkeit des Mitseins im Absoluten zu finden, ist durch Kommunikation gegeben. Die Existenz ist immer auf den Anderen ausgerichtet, und das Werden des Selbsts ist wesentlich von der Kommunikation mit anderen Menschen abhängig.
Jaspers Zitate über Grenzsituationen
“Vergewissern wir uns unserer menschlichen Lage. Wir sind immer in Situationen.
Die Situationen wandeln sich, Gelegenheiten treten auf. Wenn sie versäumt werden, kehren sie nicht wieder. Ich kann selber an der Veränderung der Situation arbeiten. Aber es gibt Situationen, die in ihrem Wesen bleiben, auch wenn ihre augenblickliche Erscheinung anders wird und ihre überwältigende Macht sich in Schleier hüllt: ich muß sterben, ich muß leiden, ich muß kämpfen, ich bin dem Zufall unterworfen, ich verstricke mich unausweichlich in Schuld. Diese Grundsituationen unseres Daseins nennen wir Grenzsituationen. Das heißt, es sind Situationen, über die wir nicht hinaus können, die wir nicht ändern können. Das Bewußtwerden dieser Grenzsituationen ist nach dem Staunen und dem Zweifel der tiefere Ursprung der Philosophie.”
– K. Jaspers: Einführung in die Philosophie. Zwölf Radiovorträge, Zürich 1950, S. 20 f.
Situation wird zur Grenzsituation, wenn sie das Subjekt durch radikale Erschütterung seines Daseins zur Existenz erweckt.
– In: Philosophie I, 3. Aufl. 1956, 56
„Als Dasein können wir den Grenzsituationen nur ausweichen, indem wir vor ihnen die Augen schließen. In der Welt wollen wir unser Dasein erhalten, indem wir es erweitern; wir beziehen uns auf es, ohne zu fragen, es meisternd und genießend oder an ihm leidend und ihm erliegend; aber es bleibt am Ende nichts, als uns zu ergeben. Auf Grenzsituationen reagieren wir daher sinnvoll nicht durch Plan und Berechnung, um sie zu überwinden, sondern durch eine ganz andere Aktivität, das Werden der in uns möglichen Existenz; wir werden wir selbst, indem wir in die Grenzsituationen offenen Auges eintreten. Sie werden, dem Wissen nur äußerlich kennbar, als Wirklichkeit nur für Existenz fühlbar. Grenzsituationen erfahren und Existieren ist dasselbe.“
Existenz & Transzendenz
Jaspers ist davon überzeugt, dass es in einer wissenschaftlichen Ausrichtung stets Grenzen gibt, die es als Philosoph zu erkennen gilt. Es ist die Aufgabe der Philosophie, das Gesamtbild des Seins im Blick zu behalten. Dabei begreift der Philosoph die Polaritäten der menschlichen Existenz und Transzendenz als Ausdrucksformen des Seins.
Transzendenz bezeichnet den Bereich des Seins, der jenseits der Grenzen der Erfahrung liegt und somit nur rudimentär sprachlich vermittelt werden kann. Es ist eng mit Platons Konzept der "ewigen Ideen" verwandt. Die Philosophie hat die Aufgabe, dem Einzelnen die Möglichkeiten aufzuzeigen, die jenseits der eigenen existenziellen Erfahrung liegen. Sie sollte nicht von wissenschaftlichem Denken bestimmt werden.
Jaspers fokussierte das Sein und behauptete, dass zeitgenössische Philosophen diese Frage zu lange vernachlässigt haben. In seinen Augen ist das menschliche Dasein sowohl gegeben als auch geschaffen. Er empfiehlt ein zielgerichtetes Handeln jedes Einzelnen in der Welt, das auf Vernunft basiert. Das "wahre Sein" ist für ihn transzendentes Sein, da
„der Mensch grundsätzlich mehr (ist) als er von sich wissen kann“
Jaspers’ Zitate in Bildern
Jaspers’ tiefe Einsamkeit
Wer die Anstrengung und Strapazen nicht kannte, die Jaspers durch seine Krankheit durchmachte, bekam den Eindruck, der Philosoph würde eine Kälte an den Tag legen.
Tatsächlich aber beherrschte Jaspers bereits in jungen Jahren ein Gefühl der Einsamkeit. Jaspers berichtet selbst darüber, wie er sich als Schüler und später als Student sehr einsam fühlte. Nur bei sehr wenigen Menschen gelang die Kommunikation und die Durchbrechung der Distanz.
Sicher nimmt seine Erkrankung eine Hauptursache dafür ein, da er an so gut wie keinen gesellschaftlichen Unternehmungen teilnehmen konnte: Während seiner 20 Jahre in Basel besuchte er nur ein einziges Mal das Kino und ein einziges Mal das Theater.
Der Philosoph deutete es so, dass er Distanz zu seinen Mitmenschen aufbaute, weil er nicht willens und imstande dazu war, das typische, gesellschaftliche Leben mitzumachen. Insbesondere Philosophen-Kongresse waren ihm verhasst.
Jaspers polarisierte die Öffentlichkeit seiner Zeit
Während wir heute Karl Jaspers für seine geistigen Errungenschaften bewundern, nahm man seine Äußerungen und Warnungen zu seinen Lebzeiten eher zwiegespalten auf. Einige sprachen von einem “Jasperletheater”, Albert Einstein betitelte die Ausführungen seines Zeitgenosssen als "das Gefasel eines Trunkenen". Das lag sicher auch an der Art von Jaspers, seine Erkenntnisse nicht zu vermitteln, sondern viel mehr zu verkündigen.
“Ist nicht mein Philosophieren der Kommunikation von allen modernen Bemühungen das einsamste"?”
Der Ernst hinter Jaspers Ausführungen bleib ein einsamer Ernst, den nur wenige Mitmenschen mit ihm teilten. Aus diesen persönlichen Problemen heraus wurde auch Jaspers philosophische Entwicklung geprägt.
Zitate von Jaspers
„Das Bild vom Menschen, das wir für wahr halten, wird selber ein Faktor unseres Lebens.
Er entscheidet über die Weisen unseres Umgangs mit uns selbst und mit dem Mitmenschen, über Lebensbestimmung und Wahl der Aufgaben.“
„Auch das gesteigertste psychologische Verstehen ist kein liebendes Verstehen.“
Der Krieg ist in wachsendem Umfang kein Kampf mehr, sondern ein Ausrotten durch Technik
„Der Massenmensch hat wenig Zeit, lebt kein Leben aus einem Ganzen, will nicht mehr die Vorbereitung und Anstrengung ohne den konkreten Zweck, der sie in Nutzen umsetzt;
er will nicht warten und reifen lassen;
alles muss sogleich gegenwärtige Befriedigung sein; Geistiges ist zu den jeweils augenblicklichen Vergnügungen geworden.
Daher ist der Essay die geeignete Literaturform für alles, tritt die Zeitung an die Stelle des Buches… Man liest schnell.“
„Ungewiß zwar ist es, ob in der Freiheit die Wahrheit sich verwirklicht.
Gewiß aber ist, daß unter Zensur sie verkehrt wird.“
Alles Schöpferische ist unvoraussehbar.
Die Zukunft ist als Raum der Möglichkeiten der Raum unserer Freiheit.
Der menschliche Verstand ist in der Praxis nicht verlässlich, am wenigsten in größter Not.
Karl Jaspers schwere Krankheit & sein lebenslanges Leiden
“Alle Entschlüsse meines Lebens waren mitbedingt durch eine Grundtatsache meines Daseins.
Von Kindheit an war ich organisch krank (Bronchiektasen und sekundäre Herzinsuffizienz).”
Seit seiner frühesten Kindheit kämpfte Jaspers mit Atembeschwerden, die ihn stark röcheln ließen. Husten war für ihn zum ständigen Begleiter geworden. Mit 15 Jahren trat dann Auswurf hinzu, der sich später sogar blutig färbte.
Die Beeinträchtigung von Herz und Atmung waren so gravierend, dass Jaspers nur wenige Treppenstufen oder Schritte bewältigen konnte. Bereits nach 300 Metern Gehen benötigte er regelmäßige Pausen und beim Treppensteigen musste er auf jedem Absatz Halt machen.
Neben diesen Beschwerden plagten ihn auch unregelmäßiger Herzschlag, Schweißausbrüche, Schwindelgefühle und Darmprobleme. Aus diesem Grund war es ihm lediglich möglich, im Sitzen zu dozieren.
Jaspers Leben war voller Einschränkungen
Zeitweise war die Atemnot so intensiv, dass er sich gezwungen sah, die Vorlesung abzubrechen. Während seines Aufenthalts an der Universität Heidelberg wurde er von seiner Frau Gertrud begleitet, die an vorderster Stelle saß, um im Notfall schnell handeln zu können. Mehrmals am Tag musste er sich der mühsamen Aufgabe der Bronchienentleerung stellen und nur durch eine vollständige Entleerung vor dem Schlafengehen konnte er eine ungestörte Nachtruhe genießen.
Um diese Prozedur perfekt zu erlernen, brauchte Jaspers Jahre.
Es war für ihn stets vonnöten, einen Rückzugsort in Kolloquien und Vorlesungen bereitzuhalten, falls ein unerwartetes Husten oder Niesen auftrat. Mit dem Ziel, Erkältungen zu vermeiden, mied er das Sprechen auf der Straße und hielt seinen Mund geschlossen. Zudem hatte er es nötig, sich von Menschenmassen und zugigen Plätzen fernzuhalten. Bei Nebel ging er nicht aus dem Haus und saß niemals an einem offenen Fenster. Schon das Einordnen von Büchern in ein Regal erwies sich als zu anstrengend.
Krankheit als Grenzsituation
Alle seine Reisen erforderten eine gründliche Vorbereitung und waren stets von kurzer Dauer. Es bleibt fraglich, ob er in den beiden Städten, in denen er während seines Lebens residierte – Heidelberg und Basel – mehr als den Park in der Nähe seines Hauses und die Straße zur Universität besuchte, wo er täglich einen kurzen Spaziergang machte.
Aufgrund seiner Krankheit musste Jaspers eine strenge Schonung der Kräfte und einen Rhythmus einhalten, der von strengstens reguliert war: 45 Minuten Arbeit (oft im Liegen) und 15 Minuten Pause.
Die Krankheit beeinflusste auch Jaspers’ Art zu sprechen: keine Abschweifungen, höchste Konzentration, Stringenz und Präsenz. Ein Gespräch mit ihm konnte anstrengend sein. Zuerst sprach er, ohne Unterbrechung zu dulden, und dann sagte er: "Jetzt sind Sie dran" – und hörte lange und schweigend zu, um seine Bronchien nicht zu reizen. Von der Gesundheit, die er nie erlebt hatte, schrieb er, sie sei "etwas Herrliches".
Alle Grenzsituationen “wandeln sich nicht, sondern nur in ihrer Erscheinung; sie sind, auf unser Dasein bezogen, endgültig”
Jaspers schrieb: “Fraenkel stellte 1901 die Aufgabe:
„Der Patient muss, um der Krankheit Herr zu werden, die Krankheit in sein Leben einbeziehen. Er muss sie als Tatbestand annehmen […], um im bleibenden Raum des Möglichen zu leisten, was er kann. Er soll sich nicht schämen, dass er krank ist.“
Der junge Jaspers ist sich sehr wohl der Situation bewusst, in der er für den Rest seines Lebens befinden wird. Im Jahr 1907, als er 24 Jahre alt war, schrieb er:
„Die Zukunft liegt vor mir wie ein unüberwindbarer Berg.“
Er ist sich bewusst, dass seine Erkrankung einen erheblichen Einfluss auf seine Pläne haben wird. Doch er weigert sich, sie als ausschlaggebenden Faktor zu betrachten. Obwohl er die Krankheit berücksichtigen muss, darf er ihr nicht ergeben sein. In seiner schwierigen Situation lässt das Leiden kein normales Leben zu. Dennoch muss er lernen, mit der Krankheit umzugehen und sie zur Gewohnheit werden zu lassen. Es ist möglich, mit der Krankheit zu leben – die Frage ist nur, wie und zu welchem Preis.
Eine der Einschränkungen, die der Kranke hinnehmen muss, ist die Einsamkeit
1946 beschreibt er ein anstrengendes Gesetz: “Täglich sage ich mir: Geduld und wieder Geduld – unter keinen Umständen mutlos werden – wenn man tut, was man kann.” Und:
„Jeder Kranke ist als Kranker für sich, isoliert, außerhalb der Ordnung gestellt.
Immer ist der Mensch in seiner Lage als ein einzelner vor die Aufgabe gestellt, mit seiner Krankheit in seiner Welt eine Lebensform zu finden, die nicht allgemein entworfen und nicht identisch wiederholt werden kann. [. . .] Er muss im Raum der Gesunden als noch Gesunder mit seinen gesunden Möglichkeiten sich einen Platz erwerben können.“
“Warum bleiben wir am Leben?», fragte sich Jaspers 1967.
“Ich fühle mich recht überflüssig auf der Welt. [. . .] was mag es doch zu bedeuten haben, dass solche unglücklichen Individuen auf der Welt existieren müssen?”
Wie kann man trotz einer unheilbaren Krankheit dem Leben einen Sinn geben? Welche Empfindungen, Emotionen und Gedanken können helfen, den Überlebensinstinkt aufrechtzuerhalten und trotz der Schmerzen und Einschränkungen zu kämpfen?
Seine Lösung: “Die einfachste Antwort ist: Kraft der Vitalität, die noch in Krankheit und Schwäche den Menschen als Kreatur am Leben hält. [. . .] es ist nicht zu leugnen: Die vitale Kraft, der Lebensdrang als solcher, das, was wir mit allen Tieren gemein haben, hält uns am Leben, erfüllt von menschlichen Wahrnehmungen, Gefühlen, Gedanken.”
Jaspers' Fähigkeit, mit vollster Intensität zu leben und zu arbeiten, führte ihn weder zu leeren Tröstungen noch zu verlogenen Hymnen auf ein grausames und langweiliges Dasein. Stattdessen schätzte und verstand er diejenigen, die sich in einer Situation befanden, wie er sie selbst erlebt hatte, und die die Frage nach dem Sinn des Lebens bis zum Äußersten hinterfragten.
Allerdings verharrt niemand in der Grenzsituation einer unheilbaren Krankheit, ohne einen immensen Verzicht auf sich zu nehmen.
„Leiden ist Einschränkung des Daseins, Teilvernichtung; hinter allem Leiden steht der Tod.“
Wer meint alles zu durchschauen,
philosophiert nicht mehr.
Die Frage des Friedens ist nicht zuerst eine Frage an die Welt, sondern für jeden an sich selbst.
Das Schicksal einer Gesellschaft wird dadurch bestimmt, wie sie ihre Lehrer achtet.
Leicht und schnell ist der Gedanke, aber schwer ist und unendliche Geduld erfordert der Umgang mit der Wirklichkeit.
Es darf keine Freiheit geben zur Zerstörung der Freiheit.
Was nicht in die Masse dringt, ist unwirksam.
Vernünftige Politik bezieht sich auf Daseinsfragen, nicht auf Glaubensfragen.
Der Mensch kann nur als Einzelner sich selbst verändern und vielleicht von da aus andere in ihrer Freiheit erwecken.
Die Menschen werden besser, wenn man Besseres von ihnen erwartet und wenn man mit ihnen umgeht, als seien sie schon besser.
Jaspers philosophischer Glaube
Jaspers hat, wie z. B. Aristoteles und Spinoza, einen philosophischen Gottesglauben entwickelt. Gottesglaube gilt ihm als wesentlicher Bestandteil eines umfassenderen philosophischen Glaube. So schreibt er in einer seiner Arbeiten:
Gott ist.
Wir können in Führung durch Gott leben.
Es gibt die unbedingte Forderung im Dasein.
Der Mensch ist unvollendet und nicht vollendbar.
Die Realität in der Welt hat ein verschwindendes Dasein zwischen Gott und Existenz.
Jaspers interessierte sich vor allem für die seelischen Antriebe, die Weltanschauungen begründen. Bereits hier problematisierte er Grenzsituationen – wie Tod, Leiden, Schuld, welche die Erfahrungen des Menschen einrahmen und begrenzen, so dass hier ein rationales Denken scheitere.
Grenzsituationen sind für Jaspers eine Möglichkeit, den allgemeinen Skeptizismus und Nihilismus zu überwinden, indem sich der Mensch als Existenz gegenüber der Transzendenz bewusst wird.
(vgl. auch Existenzängste)
Bildung ist der Boden, den jeder Einzelne zu erwerben und neu zu bestellen hat.
Eine über die Gleichheit der Chance hinausgehende Gleichmachung der Menschen ist die höchste Ungerechtigkeit.
Der Fortschrittsgedanke der Zivilisation hat sich als ein Übermut des Menschen entschleiert.
Die einzige Waffe, die keine Waffe der Gewalt ist. Die Wahrheit.
Wissenschaftlichkeit heißt zu wissen, was man weiß und was man nicht weiß.
Unwissenschaftlich ist alles totale Wissen, als ob man im Ganzen Bescheid wüsste.
Wo Gewalt angewandt wird, da wird Gewalt geweckt.
Vernunft ist die sanfte Gewalt, die allem, und selbst der Gewalt, Grenze und Maß setzt.
Der Mensch wird, was er wird, durch die Sache, die er zu der seinen macht.
Wer Vernunft leugnet, erfährt auch nicht ihre Wirklichkeit; wer sie erwartet, trifft sie an.
Die Freiheit ist immer in der Defensive und daher in Gefahr. Wo die Gefahr in einer Bevölkerung nicht mehr gespürt wird, ist die Freiheit fast schon verloren.
Der Verstand, der sich genügen wollte, bliebe leer an Gehalt.