
Theorie der Psychotherapie
von Dr. phil. Michael Mehrgardt
Gefühle
Aggression #1
Was Sprache enthüllt
Sich-Ärgern #1
Verstehen #2
Begegnung, Identität, Einsamkeit #3
Störung und Leiden #4
Kulturelle Fallgruben
Einführung
Introjektion
Retroflexion
Deflexion
Gefühle #1
Aggression
Zur therapeutischen Arbeit mit starken negativen Emotionen wie Aggression, Wut, Gewalt, Hass und Zorn gibt es viele Missverständnisse, und zwar sowohl bei Laien wie auch bei Fachleuten.
An einem Beispiel verdeutliche ich, wie man es NICHT machen sollte. Ich erläutere, welche Bedingungen Therapeuten und Therapeutinnen gewährleisten müssen, um Gefahren und Risiken zu erkennen und zu vermeiden.
Schließlich zeige ich auf, wie eine konstruktive und sichere Arbeit mit solchen heftigen Emotionen gelingen kann.
Aggression, Wut, Zorn, Gewalt, Destruktivität …
Sind solche Gefühle böse?
Sind sie krank?
Oder unnormal?
Auf jeden Fall sind sie tabuisiert.
Sie kommen überall vor - in ganz normalen Familien!
In der offiziellen Psychotherapie werden sie, so scheint es, ausgeblendet, wegtherapiert oder für dysfunktional erklärt.
Angst vor Aggression
Haben wir Psychotherapeuten und Psychiaterinnen Angst vor Aggression?
Erfinden wir deshalb Techniken, um solche Gefühle zu umgehen?
Statt mit ihnen umzugehen?
Wie man in der Therapie mit Aggression, Wut und Gewalt arbeitet
Zur Einführung kannst du dir dieses Video anschauen:
Hier kannst du dich in den Artikel über Aggression vertiefen:
Was Sprache enthüllt #1
Sich-Ärgern & Co
Wir leben in der Sprache. Und die Sprache lebt in uns.
Mittels Sprache teilen wir uns anderen Menschen mit. Indem wir bestimmte Ausdrücke wählen, legt uns die Sprache zugleich tiefere Botschaften in den Mund, die uns im allgemeinen nicht bewusst sind.
Solche impliziten Bedeutungen von Begriffen und Konstruktionen nenne ich Tiefenbedeutungen.
Solche Konnotationen können in unsere Begegnungen hineinwirken. Ohne dass wir es bemerken, reichen wir über die uns bewussten Inhalte hinaus zusätzliche Botschaften an Andere weiter, die sich diesen emotional mitteilen und Wirkungen zeigen.
Weil solche Prozesse meist unbemerkt ablaufen, können die so entstandenden Verwerfungen nicht aufgelöst werden.
Ziel meiner Reihe Was Sprache enthüllt ist es, diese Abläufe bewusst und kommunizierbar zu machen.
Vorsicht bei Wörtern mit sich …!
Ärgerst du dich oft?
Wenn du dich ärgerst, bist du selbst das Objekt, also der eigentliche Adressat deiner negativen Gefühle. Deshalb macht das Sich-Ärgern nichts besser! Aber warum macht man so etwas Merkwürdiges?
Das Sich-Ärgern ist in unsere Sprache und deshalb auch in dich und mich einprogrammiert!
Der französische Philosoph Jaques Derrida meint, die Alltagssprache sei weder harmlos noch neutral.
Ich stimme dem zu. Denn unsere Sprache weist so manche Stolperfallen auf, in die wir mitunter unbemerkt hineinstürzen. Zu einer solchen Falle können reflexive Verben, also rückbezügliche Tätigkeitswörter werden.
Oftmals zeigt die Verwendung eines Sich-Verbs an, dass man gerade etwas Negatives gegen sich selbst wendet.
Wenn du dir Situationen, in denen du dich geärgert hast, kritisch anschaust, stellst du vermutlich fest, dass es dir hinterher nicht besser geht - und das, obwohl du deinem Ärger doch lautstark Luft gemacht hast!
Sich Ärgern kann man als eine Retroflexion verstehen. Das ist ein Vorgang, der in meinem alternativen Depressionsmodell eine zentrale Rolle spielt. Meine Videos über Depressionen findest du ebenfalls auf meinem Kanal.
Schau dir dazu mein Video an:
Möchtest du mehr dazu lesen? Dann kannst du hier meinen weiterführenden Artikel aufrufen:
Was Sprache enthüllt #2
Verstehen
Verstehen ist eine Falle! Empathie ist nicht selten Vereinnahmung unter dem Deckmantel des Mitgefühls und der Fürsorge. Die Maxime des Verstehens erschwert jegliche Kommunikation und Konfliktlösung.
Die Verstehens-Falle
Ich verstehe dich einfach nicht!
Warum kannst du mich nicht verstehen?!
Aussagen wie diese sind typische Äußerungen in einem Konflikt, die anzeigen, dass eine Lösung fern ist.
Meine These:
Verstehen-Wollen oder -Sollen erzeugt in vielen sozialen Situationen eher Verwirrung als Klärung, eher Machtanspruch, Anklage und Schuldzuschreibung als Einigung und Lösung.
Sobald nämlich das Wort Verstehen fällt, werden Tiefenbedeutungen wirksam, die uns steuern, die schädlich sind und die uns in aller Regel nicht bewusst sind.
In diesem Beitrag betrachten wir die etymologische Bedeutung der Vorsilbe ver- und vergleichen sie mit dem entsprechenden com- in romanischen Sprachen. Meine Ausführungen erklären dir, warum Verstehens-Sprachspiele oftmals ein unangenehmes Gefühl produzieren oder gar Konflikte eskalieren lassen.
Auch hierzu gibt’s ein Video …
… und einen vertiefenden Artikel:
Was Sprache enthüllt #3
Begegnung, Identität, Einsamkeit
Warum wir nicht mehr miteinander auskommen
Fragst du dich auch manchmal, warum wir Menschen es so schwer miteinander haben? Warum funktioniert Kommunikation nicht mehr, warum scheitern Beziehungen? Warum eskalieren Konflikte und führen nicht selten zu Gewalt?
Kommunikation funktioniert nicht mehr
Anscheinend können wir nicht mehr miteinander, aber auch nicht ohne einander!
Liegt diese Entwicklung in den aktuellen Krisen begründet? Sind Digitalisierung und Globalisierung schuld? Lösen sich soziale Institutionen auf, gehen Zugehörigkeiten und Identifikationsmöglichkeiten verloren? Können wir uns deshalb nicht mehr heimisch, nicht mehr sicher fühlen und lassen uns nicht mehr ein? Verlassen wir uns nicht mehr auf andere? Verlassen wir einander?
Oder ist es vielleicht umgekehrt: dass nämlich mangelhafte Kommunikations-Kompetenz diese Krisen gar verursacht oder zumindest mitbedingt?
Auch in diesem Beitrag will ich unsere Sprache befragen, um einen Beitrag zur Klärung dieser Phänomene zu leisten.
Ich verspreche dir: Es wird interessant. Also schenke mir einige Minuten deine Aufmerksamkeit!
Hier ist der Link zu meinem Blog-Artikel:
Möchtest du dir das Video dazu anschauen?
Hier geht’s lang:
Was Sprache enthüllt #4
Störung oder Leiden?
Bist du eine Störung?
In diesem Beitrag untersuche ich eine äußerst folgenreiche Wortwahl, der wir in Psychotherapie und Psychiatrie fast überall begegnen: dem Begriff der krankheitswertigen Störung.
Ich werde dafür plädieren, dieses Wort für psychische Krankheiten nicht mehr zu verwenden. Wir sollten es durch den Terminus Leiden ersetzen.
Warum ich das wichtig finde?
Das kannst du in meinem Blog-Artikel nachlesen:
Eine Einführung findest du in diesem Video:
Die 3 kulturellen Krankmacher
Eine wohltuend andere Psychotherapie
… wie ich sie auf meinem Blog darstelle, sucht die Krankheitsursachen nicht nur im Einzelnen, sondern nimmt Schilderungen von äußeren Faktoren wie Alleinerziehend-Sein, Armut, Einsamkeit, unmenschliche Arbeitsbedingungen ernst.
Darüberhinaus fokussiert sie bestimmte, oft übersehene kulturelle Krankmacher:
Die 3 Fallgruben
Es sind:
Introjektion
Retroflexion
Deflexion
Diese Begriffe stammen aus der Gestalttherapie, einer humanistischen und emanzipatorischen Therapie-Methode.
Von der offiziellen Psychotherapie ignoriert ...
Die 3 sozialen Fallgruben Introjektion, Retroflexion und Deflexion werden von der Richtlinien-Psychotherapie kaum beachtet. Sich solchen "normalen" Prozessen zuzuwenden käme nämlich einer sozialkritischen Haltung gleich.
In meinen Beiträgen über Depression habe ich durchgespielt, wie sich diese Erkrankung aus dieser Perspektive verstehen lässt - und welche vielversprechenden Therapieansätze sich daraus ergeben.
Solltest du an Depressionen - oder anderen psychischen Erkrankungen - leiden, wirst du dich in dieser Sichtweise sicherlich wiedererkennen.
Diese Prozesse an sich zu entdecken, ist schwer ...
denn Introjekte sind keine "Sätze", die im Gehirn bereitliegen, damit du ihnen bewusst folgen kannst.
Du bemerkst sie oft erst dann, wenn du eine solche Regel überschreitest: Dann hast du ein "komisches" Gefühl, dir wird flau, du bist verwirrt oder du kriegst sogar Angst.Retroflexionen sind ebenfalls meist keine bewussten Entscheidungen; sie geschehen einfach so, als seien sie ein im Hintergrund tätiges inneres Programm, das dich unbemerkt steuert.
Deflexionen stellen oftmals Gewohnheiten dar, deren Sinn und Zweck man längst aus den Augen verloren hat. Nicht selten wird man in diesen Habits bestärkt, indem andere (so tun, als würden sie interessiert) zuhören.
Hier findest du den ausführlichen Einführungs-Text:
Introjektion - die 1. Fallgrube unserer Kultur
Ein Introjekt ist etwas, was du herunterschluckst
Introjektion meint das Erlernen von Sätzen und Grund-Sätzen über dich, über das Leben, die Männer, die Frauen, die Ausländer, die Zukunft, die Welt, Gott, richtiges und falsches Verhalten, Moral, Pflichten usw.
Andere Begriffe für solche (Grund-) Sätze sind:
Regeln, Werte, Überzeugungen oder auch Normen,
Ge- und Verbote oder Glaubenssätze.
Auch Vorurteile entstehen meist durch Introjektion.
Wenn wir derartige Sätze introjizieren, verinnerlichen wir etwas, was vorher „außerhalb“ von uns gewesen ist, zB die Meinung oder Handlung eines anderen Menschen. Man kann auch formulieren:
Wenn wir etwas introjizieren, schlucken wir es herunter und machen es somit zu etwas Eigenem. Dieses vermeintlich „Eigene“ kann jedoch „unverdaulich“ sein und uns schwer im Magen liegen.
Das was wir in uns aufnehmen, nennen wir das Introjekt.
Introjekte sind für das normale Miteinander wichtig. Aber wir fordern von uns und anderen die Einhaltung vieler Regeln, die im besten Fall unnütz sind und viel Energie kosten; oft sind sie sogar schädlich.
Welche Introjekte gibt es?
Stell dir nur vor, du hättest verinnerlicht, dass du immer das Wohl der Anderen gewährleisten musst und dass du selbst überhaupt nicht wichtig bist!
Ein anderes, weit verbreitetes Introjekt verlangt von dir, dass du keine Gefühle, und schon gar nicht positive, zeigen darfst, weil das peinlich, unverschämt oder unchristlich ist!
Hier sind weitere Beispiele von Introjekten:
Das Leben meint es nicht gut mit mir!
Du hast zwei linke Hände!
Iss deinen Teller immer leer!
Du bist peinlich!
Immer passiert mir so was!
Du bist genauso wie deine Mutter!
Du kannst froh sein, dass dein Mann überhaupt bei dir bleibt!
Du kannst doch nicht einfach das größere Stück Fleisch nehmen!
Andere mögen mich nicht!
Sei immer auf der Hut!
Und viele andere mehr!
WICHTIG!
Introjekte werden nicht immer durch sprachliche Anweisungen, sondern häufig durch bloße Gestik und Mimik vermittelt. Zum Beispiel: Immer wenn du einen Hammer in die Hand genommen hast, hat dein Vater die Augen verdreht und geseufzt.
Willst du mehr über Introjektion erfahren? Möchtest du wissen, warum Introjekte schädlich sein können und was du dagegen tun kannst?
In diesem Artikel findest du mehr:
Retroflexion - die 2. Fallgrube unserer Kultur
Was ist Retroflexion?
Bleiben wir einmal bei der Sache mit den Gefühlen: Wenn du (bestimmte) Gefühle nicht äußern darfst, kannst oder willst, musst du sie zurückhalten. Das bedeutet, dass du dein Bedürfnis nicht mitteilst, dass du die damit verbundene emotionale Energie deckelst, dass du die physiologische Erregung (Verstärkung von Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Muskelspannung ...) unterdrückst, dass dein Gefühl keine Chance auf Erfüllung hat.
Wenn du gewohnheitsmäßig psychische und physische Energien zurückhältst, wendest du sie immer auch gegen dich selbst! Du frustrierst dich somit nicht nur, sondern du schädigst auf Dauer auch deinen Organismus.
Retroflexion bedeutet das Zurückhalten und Gegen-sich-Wenden von Energien und Impulsen.
Das können sein: ein Gefühl, eine verbale Botschaft, ein Gedanke, ein Interesse, eine physiologische Reaktion, eine Handlung, ein Bedürfnis, eine Körperäußerung, ein Bedürfnis, ein Nein!
Sicherlich ist es für ein friedliches Zusammenleben unerlässlich, dass wir lernen, bestimmte Impulse zu kontrollieren.
Aber wir retroflektieren viel, viel, viel zu viel – und das macht uns krank!
Das entsprechende Verb lautet also: retroflektieren.
Sehr früh in unserer Erziehung lernen wir, unsere emotionalen, gedanklichen und körperlichen Energien zurückzuhalten und gegen uns selbst zu richten. Wenn frau das tut, retroflektiert sie also. Vereinfacht gesagt:
Wir tun uns selbst das an, was wir dem Anderen nicht antun dürfen, können oder wollen.
Retroflexion ist nötig, um bloß keine der zahlreichen Regeln (Introjekte), die wir „geschluckt“ haben, zu verletzen. Wir retroflektieren ständig. Es fällt uns gar nicht mehr auf, weil wir uns so sehr daran gewöhnt haben, dass es uns ganz normal vorkommt. Und genau dies ist das Schwierige daran: diese völlig „normalen“ großen wie kleinen Retroflexionen immer wieder an uns (und anderen) zu entdecken, uns dieser bewusst zu werden.
Retroflektieren heißt den Spieß gegen sich selbst richten. Man feuert den Pfeil, der ursprünglich dem Anderen gilt, auf sich selbst ab.
Hier findest du mehr über Retroflexion und die Folgen:
Deflexion - die 3. Fallgrube unserer Kultur
Was ist Deflexion?
Du kennst sicherlich auch die Vielrednerin, den Pausenclown, den Geschichtenerzähler, die ausführliche und sachliche Reporterin: viele Worte, die alle dazu dienen, n i c h t auf das Eigentliche, Wesentliche, Tiefgehende zu sprechen zu kommen - und die Zuhörer schlafen irgendwann hypnotisiert ein.
Wir alle benutzen, meist reflexhaft, solche Strategien, um von uns selbst abzulenken.
Wenn eine Person deflektiert, lenkt sie sich selbst – und Andere! – von etwas ab, was eigentlich sehr wichtig für sie ist.
Stell dir vor: Statt endlich dem geliebten Menschen die eigenen Gefühle zu gestehen, ziehst du durch die Gemeinde und besäufst dich. Oder du guckst rührselige Filme an und kannst beim Happy End so richtig losheulen. Für dein eigenes Happy End tust du aber nichts.
Deflexion ist so, als wäre bei dir drinnen irgendwie „keiner zuhause“.
Welche Deflexionen gibt es?
Ich erzähle dir einfach mal von verschiedenen Leuten in meiner Praxis, die das Deflektieren richtig gut konnten. Findest du dich darin wieder? Da wäre zunächst …
Die Hypnotiseurin
Hilda hat die Angewohnheit, ohne Punkt und Komma zu reden. Wenn sie Personen einführt, die nur am Rande mit dem zu tun haben, was sie eigentlich zu sagen hat (oder hätte, wenn es ihr bewusst wäre …), erzählt sie deren ganze Lebensgeschichte, führt deren Familienstammbaum auf. Wenn sie von einem Café berichtet, in dem ihr etwas Bedeutsames mitgeteilt wurde, zählt sie erst einmal die Reihe der Betreiber auf, erzählt von den Schulproblemen des ältesten Kindes der jetzigen Besitzerin usw.
Sie kommt und kommt einfach nicht auf den Punkt.
Anfangs wartest du als freundliche Zuhörerin noch auf das Wichtige, das sie ja angekündigt hat. Zuerst wirst du müde, kannst dich nicht mehr konzentrieren. Dann spürst du eine Unruhe in dir, deine Beine kribbeln, deine Ohren klingeln, du kannst nicht mehr folgen, und schließlich wird dein Gehirn ganz bregenklütterig (wie wir im Norden zu einem „Matschgehirn“ sagen). Du schaltest dann ab, schläfst ein oder stellst innerlich die Einkaufsliste für morgen zusammen.
Am Ende bescheinigt dir Hilda aber noch, dass es ganz toll war, dass du so aufmerksam zugehört hast!
Der Reporter: ...
Was es mit dem “Reporter” und anderen “Figuren” auf sich hat, findest du hier.
Ist dir der Eine oder die Andere bekannt?
mindroad.de
Dr. Michael Mehrgardt: Psychotherapie-Blog
im Blog der Inkognito-Philosophin
mindroad betreibt Psychotherapie wohltuend anders.
mindroad zeigt Wege zu dir selbst,
mindroad wendet sich gegen genormte Methoden und erstarrte Diagnosen,
mindroad benennt die Sackgassen und Irrwege der offiziellen Psychotherapie.