Philosophen aus Milet

Die Milesischen Naturphilosophen

Von: Die Inkognito-Philosophin

Der Anfang der altgriechischen Philosophie

Die Suche nach dem Ursprung

Milet, eine griechische Küstenstadt im heutigen Westen der Türkei, wird oft als die Geburtsstätte der westlichen Philosophie betrachtet. Ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. begannen die Menschen dort, nach logischen und wissenschaftlichen Erklärungen für Naturphänomene zu suchen – eine Emanzipation von den damals üblichen Erklärungen durch Mythen und Sagen. (vgl. auch: Was ist Philosophie?)

Aristoteles hebt in seiner Beschreibung der frühen Philosophen hervor, dass diese nach einem grundlegenden Ursprung oder Prinzip für alles Existierende suchten, das sie "archē" nannten.

Zu den bedeutendsten Milesiern zählen die Naturphilosophen Thales, Anaximander und Anaximenes, manchmal auch Anaxagoras.

 

Sprachliche Voraussetzungen der griechischen Philosophie

Warum entwickelte sich ausgerechnet im alten Griechenland eine Philosophie-Kultur aus, die Europa bis heute prägt? Forscher vermuten, das liegt an der sprachlichen Entwicklung des Altgriechischen zusammen mit seiner Schriftkultur.

  • Im Altgriechischen bildete sich ein genereller Artikel aus, der allgemein Aussagen ermöglichte und Abstraktionen versprachlichte. Auch Suffixe zur Abstrakta-Bildung entwickelten sich.

  • Die Substantivierung von Abstrakta half bei der Konkretisierung von abstrakten Denk-Gegenständen

  • Das Alpha privativum (ἀ-) förderte die sprachliche Bildung von kontraindikatorischen Gegensätzen, was zur sprachlichen Prägnanz beitrug.

  • Das grammatikalische Medium (auch Mediopassiv) ist eine spezielle Verbform, die zwischen Aktiv und Passiv liegt. Das Medium ist sogar älter als das Passiv. Es drückt aus, dass eine Handlung sich auf den Handelnden unmittelbar auswirkt.

 Thales von Milet
(624 v. Chr. – 544 v. Chr.)

"Was [ist] das Göttliche?
Was weder Anfang noch Ende hat.”

- Thales von Milet

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Von Thales, der den Beginn der griechischen Philosophie markieren soll, erfahren wir durch spätere Überlieferungen (Aristoteles, Diogenes Laertios). Er soll einer der Sieben Weisen gewesen sein.

Thales war Politiker, Naturphilosoph, Mathematiker (vgl. Satz des Thales) und Astronom. Sehr verbreitet ist eine Geschichte über ihn, in der er eine Sonnenfinsternis vorausberechnet haben soll.

Er versuchte, Naturereignisse, wie die jährlichen Nilüberschwemmungen, mit wissenschaftlichen Methoden zu erklären, anstatt sie auf göttliche oder mythische Ursachen zurückzuführen.

In der Philosophie-Geschichte ist Thales dafür bekannt, dass er Wasser als den ursprünglichen Hauptbestandteil oder Ausgangspunkt aller Dinge betrachtet haben soll. Aristoteles beschreibt Thales als den ersten Denker, der sich mit der tiefgründigen Frage auseinandersetzte, woraus alle Dinge letztlich entstanden sind.

 

Thales Zitate über Menschen

 

"Was ist schwer?"
Sich selbst erkennen.

Nichts ist so stark wie die Notlage, weil alle ihr sich unterwerfen.

„Thales sei der erste gewesen, der die Seelen unsterblich genannt habe.“ (– Diogenes Laertios: I,24)

 

Hoffnung ist das einzige Gut, das allen Menschen gemein ist; selbst diejenigen, die nichts besitzen, besitzen noch Hoffnung.

 

Hoffnung ist das

Brot der Armen.

Er hat auch behauptet, zwischen Leben und Tod sei kein Unterschied. „Warum stirbst du dann nicht?“ fragte ihn jemand. Und er: „Weil es egal ist!“ (– Diogenes Laertios: I,35)

 

Thales über Welt & Kosmos

 

Das Wasser ist das schönste Ding der Welt.

Alle Dinge sind beseelt.

 

Das älteste der Wesen ist Gott, der unerzeugte; das schönste die Welt, das Werk Gottes; das größte der Raum, der allumfassende; das schnellste der Geist, der alles durchdringende; das stärkste die Notwendigkeit, die alles beherrschende; das weiseste die Zeit, die alles erfindende.


Das Prinzip aller Dinge ist Wasser; aus Wasser ist alles, und ins Wasser kehrt alles zurück.


Das Seltenste, was ich gesehen habe: ein alter Tyrann.

 

Thales über Glück & das richtige Leben

 

"Wie kann man am besten und gerechtesten leben?" Wenn wir, was wir an ander’n tadeln, selber nicht tun.

Das Volk ist das glücklichste, wo die Reichen weder zu reich, noch die Armen zu arm sind.

 

Untätigkeit ist eine Qual.

 

"Wer ist glücklich?" Wer gesunden Leibes, vom Schicksal begünstigt und mit trefflicher Seelenbildung ausgerüstet ist.

Liebe deinen Nächsten ein bisschen mehr als dich selbst.

 

Lehre und lerne das Bessere.

„Von ihm rührt auch das „Erkenne dich selbst“ her.“ – Diogenes Laertios: I,40

 

Interpretationen zu Thales von Milet

Thales über das Wasser

Was Thales zu verdanken ist, gilt als erste metaphysische Zäsur: Er differenzierte zwischen der wahren und scheinbaren Realität. Das kommt eine Entmythifizierung und Rationalisierung des griechischen Weltbildes gleich, wenn zwischen Mythos und Logos wirklich ein Konkurrenzverhältnis bestand.

Die moderne Forschung versteht die Aussagen von Thales über das Wasser anders als die alten Interpreten. Höchst wahrscheinlich wurde Thales von babylonischen und ägyptischen Schöpfungsmythen beeinflusst, die den Okeanos, das Weltmeer als den Ursprung der Götter ansahen. Doch Thales hält das Wasser für ein tragendes Element, nicht für eine Ursache der Welt. Dafür spricht, dass er seine Ansichten auf empirische Erkenntnisse stützt (Feuchtigkeit der Nahrung, feuchte Natur der Samen etc.).

Thales & Hylozoismus?

Er nutzte Magnetsteine, um die physikalische Kraft von nicht lebenden Objekten zu erklären. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass Thales alles in der Welt für beseelt hielt. Stattdessen ließe sich folgern:

- dass es eine belebte Welt gibt, in der scheinbar unbelebte Dinge tatsächlich lebendig sein können.

- dass die Welt ein ganzheitlicher Organismus oder eine Seele ist.

 Anaximander von Milet
(610 v. Cr. - 547 v. Chr.)

“Die Dinge sind voller Götter.”

– Anaximander

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Auch Anaximander war als Mathematiker, Astronom und Geograph bekannt. Er schuf die erste Weltkarte aus Metall und entwarf eine Himmelskarte zur Navigation für Seeleute bei Dunkelheit.

Es heißt auch, er hätte die Sonnenuhr in Griechenland eingeführt.

Anaximander Zitate über die Welt

“Wasser ist das arché (Prinzip) des Universums.”

“Die Natur ist ewig und altert nicht.

(Theorie der unveränderlichen Materie)

 

Alle Wesen werden durch aufeinanderfolgende Transformationen von anderen älteren Wesen abgeleitet.

(Ein erster Ansatz zum Verständnis der menschlichen Evolution)

 

Das Unbestimmte ist angeboren und unbestechlich, denn das, was beginnt, hat notwendigerweise ein Ende;

Es gibt viele Welten und viele Universumsysteme, die alle gleichzeitig existieren und alle verderblich sind.

(Seine astronomische Vision hatte einen großen Einfluss auf seine Zeit)

 

Das Unbegrenzte hat dann keinen Anfang und wäre in einem solchen Fall begrenzt.

(Binsenweisheit, die mehrere Vorstellungen über sein Denken zusammenfasst)

Die Erde ist zylindrisch, dreimal so breit wie ihre Tiefe und nur der obere Teil ist bewohnt. Aber diese Erde ist im Weltraum isoliert, und der Himmel ist eine vollständige Kugel, in deren Zentrum unser Zylinder, die Erde, ohne Unterstützung im selben Abstand von allen Himmelspunkten liegt.

(Diese astronomischen Prinzipien hatten großen Einfluss auf das Wissen der griechischen Zeit)

 

Dinge entstehen aus der Trennung von Gegensätzen.

Das Alter der Menschen wird ohne ihre Vorgänger nicht erklärt.

(Satz über die Entwicklung der Art)

Das Unbestimmte ist göttlich, denn es ist unsterblich und unvergänglich.

 

Interpretation zu Anaximander

Anaximander von Milet bildet als erster Philosoph Gedanken zu biologischen Deszendenz (= Evolutionstheorie). Seine Annahme von zahllosen Parallelwelten geht wohl auf Vorstellungen der hethitischen und sumerischen Mythen zurück, wo von einem Zerplatzen des kosmischen Eis die Rede ist, ein Sinnbild für Ablösung und Differenzierung der Urstoffe des Seins.

Bemerkenswert ist seine abstrakte Erklärung von einem metaphysischen, grenzenlosen Zeitlauf, den eine Bewegung ins Unendliche auszeichnet. Diese selbstregulierende Periodizität ist für ihn ein immanentes Weltgesetz, welches das natürliche Gleichgewicht des Kosmos aufrechterhält.

Anaximander spricht außerdem von einer Dialektik der Welt: Es besteht also eine Wechselbeziehung zwischen gegensätzlichen, materiellen Stoffen (Gleichgewicht des Kosmos eben).

 Anaximenes von Milet
(858 v. Chr - 528/524 v.Chr.)

“Wie unsere Seele, die aus Luft besteht, uns zusammenhält, so umschließt auch Lufthauch das ganze Weltall.”

Diese Beziehung zwischen Makroskopie und Mikroskopie deutete darauf hin, dass Anaximenes glaubte, es gäbe ein übergreifendes Prinzip, das alles Leben und Verhalten regulierte

Anaximenes verstand das Element Luft als einzigen Ursprung für den Kosmos und die Naturphänomene. Zusätzlich lieferte er den ersten empirischen Beweis für die kugelförmige Gestalt der Erde, indem er während einer Mondfinsternis bemerkte, dass diese durch den Schatten der Erde verursacht wird und dieser Schatten gekrümmt ist.

Es existieren nur wenige gesicherte Zitate von Anaximenes. Jedoch gibt es einige Hinweise anderer Philosophen auf seine Lehre. In Hippolytos' Werk (refut. 1,7,1) wird ihm folgende Philosophie zugeschrieben:

  • Die Eigenart der Luft bestehe in folgendem: Wenn sie ganz homogen ist, ist sie für das Auge unsichtbar; Kälte und Wärme, Feuchtigkeit und Bewegung macht sie sichtbar. Sie ist aber immer in Bewegung; denn ohne Bewegung wären die durch sie hervorgebrachten Veränderungen nicht möglich.

  • (3) Ihre Verdichtung und ihre Verdünnung ergeben verschiedene Phänomene. Wenn sie sich nämlich ausdehnt und verdünnt, wird sie zu Feuer; Winde hingegen sind verdichtete Luft; Die Hauptbedingungen des Werdens sind also Gegensätze: Wärme und Kälte.

  • (4) Die Erde ist eine auf der Luft schwebende Scheibe; Sonne, Mond und Sterne, die alle aus Feuer bestehen, schweben durch ihren Umfang gleichfalls auf der Luft.

  • (6) Doch bewegen sich nach Anaximenes die Sterne nicht unter der Erde, wie andere angenommen haben, sondern rings um die Erde so, wie wenn ein Hut um unsern Kopf gedreht wird. Die Sonne wird nicht dadurch unsichtbar, daß sie unter der Erde verschwindet, sondern weil sie von den höheren Teilen der Erde verdeckt wird und weil ihr Abstand von uns sich vergrößert.

  • (7) Die Winde entstehen durch Verdichtung und stoßweise Bewegung der Luft. Bei stärkeren Zusammenstößen und stärkerer Verdichtung der Luft entstehen Wolken und verwandeln sich in Wasser. Wenn das von den Wolken herabströmende Wasser gefriert, so hagelt es; wenn es, weil es zu flüssig ist, nur gerinnt, so schneit es; es blitzt, wenn gewaltige Stürme die Wolken teilen; denn wenn sich diese teilen, wird der Himmel licht und feurig.

  • (8) Der Regenbogen zeigt sich, wenn die Sonnenstrahlen auf angesammelte Luft fallen; es entsteht Erdbeben, wenn sich auf der Erde infolge von Erwärmung und Abkühlung stärkere Veränderungen ergeben

 

Interpretation zu Anaximenes

Frühere Forscher sahen ins Anaximenes’ Aussagen über die Luft einen Rückschritt in der Philosophie. Denn vom Abstrakten des Anaximander sei er wieder zu einer einfachen, materiellen Ursachen zurückgekehrt. Diese Interpretation ist wahrscheinlich falsch.

Als Repräsentant der milesischen Naturphilosophie thematisiert er wie die anderen auch die Basisrealitäten der Entstehung der Dinge. Mittels empirischer Beweisführung schließt er von qualitativen Eigenheiten auf quantitative Veränderungen.

Anaximenes hatte keine materielle Ursache im Sinn, wenn er von der Luft sprach, sondern den Ursprung der Bewegung in der Welt. Einer durch und durch abstrakten Idee also.