
Tipps gegen Depressionen
7 Erkenntnisse für Betroffene
Sport, Hobbys, Selbstfürsorge – es gibt viele Tipps zur Selbsthilfe bei Depressionen. Wichtiger sind jedoch die Erkenntnisse, die aus dieser existenziellen Krise geschöpft werden können.
Autorin: Die Inkognito-Philosophin
Depressionen sind eine Krankheit, nicht einfach nur eine Denk- oder Gefühlsstörung
Während die beliebtesten Psychotherapien Depressionen & Co. im Menschen verorten, geht die Philosophie der Psychiatrie / phänomenologische Psychologie einen anderen Weg: Sie verortet den Menschen in der Krankheit.
Der große Unterschied: Biologische Ansätze gehen vom Menschen als defizitär und fehlerhaft aus. Im falschen Denken und Fühlen läge die Ursache.
Die kognitive Verhaltenstherapie (nach A. Beck) vermittelt Depressionen, Angststörungen & Co. als Folge von kognitiven Verzerrungen. Die negative kognitive Triade (Selbst, Welt, Zukunft) basiert auf fehlerhaften Informationsverarbeitungen im Gehirn.
Das Modell der erlernten Hilflosigkeit (nach Seligman) sieht die Ursache in negativen Erfahrungen mit dem Erlebnis der Ohnmacht (Lernprozess). Depressive hätten falsch gelernt, dass sie ihre Zukunft nicht gestalten könnten.
Philosophische Ansätze nehmen den Menschen in Bezug auf seine Lebenswirklichkeit wahr. Nicht der Mensch denkt und fühlt falsch, sondern die Krankheit verursacht Denkfehler und negative Gefühle.
Demnach sind die negativen kognitiven Schemata nicht Folge einer Denkstörung, sondern Folge einer veränderten Lebenswelt und eines grundlegenden Möglichkeitsverlustes.
Und Depressionen wären auch nicht das Resultat von einer verfehlten inneren Einstellung, sondern die falsche Überzeugung, eine Folge der Depression, die eine Störung von Zeit, Leib, Möglichkeitssinn etc. verursacht. Vgl. Depressionen philosophisch erklärt
Vergleiche Dich nicht
mit Deinem früheren Ich
Wichtig ist zu begreifen, dass das, was Du vorher warst, nicht der Maßstab ist, zu dem Du zurück musst oder sollst.
Weil Depressive stark dazu neigen, die Vergangenheit zu idealisieren und zu verklären.
Weil Dein Selbstbild vor der Erkrankung oft ein falsches, leistungsorientiertes Menschenbild beinhaltet. Dorthin zurück wäre nur ein Regress, eine Wiedereingliederung ins Hamsterrad.
Du bist nicht
seltsam oder anders
Krankheit ist nichts Unnatürliches. Selbst wenn Du krank bist, bleibst Du ein Mensch und ein natürliches Wesen, das in all seinen Facetten und Erlebnissen normal ist. Du gehörst als Mensch zur Natur, wenngleich Du Dich von ihr entfremdet fühlst.
Es gibt kein allgemeines Gesund-sein oder Krank-sein, es gibt nur das Spektrum.

Nichts tun ist heilsam
Muße und Tagträumen sind keine Faulheit, sondern eine kompetente Methode, mit der eigenen Zeit umzugehen.
Oft quält Dich ein schlechtes Gewissen, weil Du wegen Deiner Krankheit zu fertig bist, um etwas Produktives zu tun oder Aufgaben zu erledigen.
Doch genau diese Leerläufe brauchen wir, um in anderen Momenten überhaupt kreativ sein zu können oder um uns zu regenerieren. Muße als Auszeit ist nicht aktiv, sie ist kontemplativ.
Rückzugswelten finden
Damit meine ich nicht, dass Du Dir immer wieder Zeit für Dich nehmen solltest und Dich erholen. Es geht vielmehr um den Abstand von der alltäglichen, normalen Welt mit dem Geist.
Am besten gelingt das durch Romane oder Filme.
Geschichten eröffnen uns Möglichkeitsräume (Inspiration), weiten unser Denken, befreien es aus seiner Zeitlichkeit und lassen uns in ein Als-ob eintauchen.
Schau mal hier: Bücher über Depressionen oder Bücher über Ängste sowie Bibliotherapie: Lesen als Medizin
Die Welt ist nicht Dein Feind
Die Sicht der Dinge ist von unserer momentanen Gefühlslage geprägt. Bei Depressionen oder Angststörungen glaubst Du, die ganze Welt sei gegen Dich.
Aber eigentlich ist das gar nicht so. Die Welt versteht nur nicht.
Und sie muss Dich auch gar nicht verstehen. Viele Menschen sind nicht in der Lage dazu, etwas zu begreifen, was sie nicht selbst erlebt haben.
Das ist menschlich.
Es gibt aber auch viele Menschen, die verstehen können.
Die sind wichtig!
Wert der Zeit erkennen
Bitte fixiere Dich nicht auf die Zeit, die Du zu verlieren glaubst, weil und während Du krank bist.
Es wird eine Zeit dazwischen und danach geben. Und die wird für Dich 200 % so viel Wert sein, auch wenn Du jetzt so in der Abwärtsspirale steckst, dass Du Dir keine Veränderung vorstellen kannst (das ist ein Symptom von psychischen Erkrankungen).
Zeit ist Bewegung und Veränderung, sie steht nie still – völlig unabhängig von Deiner Wahrnehmung.
Wenn Du bedenkst, dass Heilung Zeit braucht, dann ist keine Zeit vergeudet, sondern notwendig gebraucht.
Weitere hilfreiche Aspekte
Die Rolle der sozialen Isolation
Die Bedeutung sozialer Unterstützung wird häufig unterschätzt. Doch Depressionen führen in einen Teufelskreis der Isolation.
Oft zieht man sich von Freunden und Familie zurück, was wiederum die Symptome verstärkt. Dabei sind Menschen, die Deine Situation verstehen und bereit sind, zuzuhören, jetzt Gold wert.
Manchen Betroffenen oder Angehörigen helfen Selbsthilfegruppen. Der Austausch mit Gleichgesinnten ist eine große Unterstützung – seelisch wie auch praktisch.
Emotionale Verarbeitung ist notwendig
Das Ignorieren oder Unterdrücken von negativen Gefühlen führt zu einem Anstieg der Symptome.
Du musst sie also irgendwie herauslassen.
Teste, was dir persönlich gut tut: körperliches Ausagieren, kreatives Schreiben, Klopftechniken, Atemübungen, künstlerische Tätigkeiten etc.
Das Stigma erkennen
Der gesellschaftliche Druck und das Stigma, das mit psychischen Erkrankungen verbunden ist, werden immer noch weitestgehend unterschätzt. » Stigmatisierung psychisch Kranker
Dieser Druck lastet aber unsichtbar auf dir und beeinflusst dich.
Mach dir daher immer wieder klar, dass es für kranke Menschen wirklich schwieriger ist, in dieser Gesellschaft zurechtzukommen.
Du bist nicht deine Krankheit
Einerseits vereinnahmt die Depression einen Menschen. Andererseits gibt es durchaus Phasen, in denen Gedanken, Gefühle und Verhalten nicht einfach durch die Depression zu erklären sind.
Ausschlaggebend sind die individuellen Lebensumstände, Freiheiten und subjektiven Wahrnehmungen, die das persönliche Empfinden und Handeln eines Menschen prägen.
Achte auf ausreichend Energiezufuhr
Wer ungesund isst, zu wenig Nahrung zu sich nimmt und zu wenig trinkt, verliert immer mehr an Kraft. Das gilt bereits für gesunde Menschen – und noch viel mehr für kranke Personen.
Ein Nährstoff-Mangel führt schnell zur Erschöpfung und entsprechend rutschen Stimmung, Konzentration und Energielevel weiter ab.
Jeder Baustein kann helfen, die Depressionsspirale zu durchbrechen. Daher ist es essenziell, darauf zu achten, dass du genügend Nahrung und Flüssigkeit zu dir nimmst.
Psyche beeinflusst den Körper
Psychische Erkrankungen sind eng mit körperlichem Wohlbefinden verbunden. Depression & körperliche Symptome
Meist wird die Bedeutung von gesunder Ernährung, ausreichend Schlaf und regelmäßiger Bewegung vernachlässigt oder überschätzt.
Finde die Mitte: Kleine Veränderungen haben bereits einen positiven Einfluss auf dein allgemeines Wohlbefinden. Es braucht keine großen Sprünge. Gleichzeitig ist die Wirkung dieser Maßnahmen limitiert, für sich allein kann eine gesunde Lebensweise keine Depression heilen. Da braucht es schon viel mehr Bausteine.
Berufliche Belastungen nicht ignorieren
Die Auswirkungen von beruflichem Stress und mangelnder Work-Life-Balance auf die psychische Gesundheit sind gravierend.
» psychosoziale Faktoren der Depression & Depression: gesellschaftliche Ursachen
Die Anerkennung, dass beruflicher Druck und Überforderung in den Kontext von Depressionen gehören, ist entscheidend, um dich von falschen Schuldgefühlen und Scham zu befreien.
Die Kernbotschaft: Du darfst auf dein Selbstgefühl vertrauen. Nicht alle Schwierigkeiten, die du wahrnimmst, sind bloße Externalisierung. Das gilt auch für zwischenmenschliche Konflikte.
Heilung ist individuell
Es gibt keine universelle Lösung für die Behandlung von Depressionen. Was für den einen funktioniert, kann für den anderen nicht hilfreich sein. Es ist wichtig, verschiedene Therapieformen und Ansätze auszuprobieren. Denn so einzigartig wie du als Mensch bist, ist auch dein Genesungsweg.
Eigentlich eine ganz unspektakuläre Erkenntnis und doch so wichtig.
Struktur stabilisiert
In einer Depression verlierst du jedes Gefühl für Orientierung. Du hast über nichts mehr Kontrolle, alles versinkt im Chaos.
Vielen hilft es hier, sich einfache Routinen und Strukturen aufzubauen.
Zum Beispiel regelmäßige Schlafenszeiten, Mahlzeiten und Therapie-Übungen festzulegen. Auch hier gilt: Mach kleine Schritte.
Respektvolle Selbstgespräche
Wir führen alle innere Dialoge, um Stress zu reduzieren. Bei Depressionen sind diese aber sehr unfreundlich und verletzend. Versuche, Selbstgespräche bewusst zu steuern (vgl. Ego-State-Therapie). Es sind 2 innere Anteile, die hier ins Spiel kommen: innerer Kritiker und wohlwollender Begleiter.
Letztere Instanz ist freundlich, unterstützend und ermutigend, wenn sie der kritischen und abwertenden Stimme antwortet. » Selbstmitgefühl
Mit dem Körper arbeiten
Einigen Patienten helfen ergänzende Behandlungen, die das Leib-Empfinden animieren und gleichzeitig physiologische Anspannung abbauen.
Zum Beispiel Massagen (evtl. auch ganz spezielle Berührungstherapie), Klopf-Techniken (EFT, PEP, Schmetterlingsumarmung), Atemübungen, Qigong, Yoga, Sport, Autogenes Training, Bewegung (Spazieren, Dehnen), Faszientraining, Hand-Akupressurkugeln (Igelbälle), Verhaltens- und Rollenspiele etc.
Oder Wut-Übungen » siehe Dr. Mehrgardts Video hier auf dem Blog
Depression als Krankheitsbild
Ein häufiges Missverständnis betrifft die Diagnose. Die Diagnose Depression ist eine Zustandsbeschreibung, keine Erklärung bzw. Ursache.
Eine Depression zeigt sich in Depressionssymptomen, doch was diese Symptome verursacht, ist wiederum eine andere Frage, die nur im individuellen Kontext geklärt werden kann. » Depression als Krankheitsbild
Sprechen über Depressionen
Wie wir über Depressionen sprechen, prägt das Bild in der Öffentlichkeit sowie das Selbstverständnis Betroffener. Hier kannst du dich informieren » Über Depressionen sprechen
Man muss aber nicht alles auf die Goldwaage legen, denn Sprache ist nun mal mehrdeutig und mit individuellen Assoziationen aufgeladen. Trotzdem schadet es nicht, sich Gedanken über die eigene Ausdrucksweise zu machen.