Jenny Marx,

geb. von Westphalen

(1814-1881)

Sozialistin und Ehefrau von Karl Marx

Von: Die Inkognito-Philosophin

Jenny Marx

Eine übersehene Denkerin

Jenny Marx war in eine faszinierende Persönlichkeit des 19. Jh., deren intellektuelles Wirken im Schatten ihres berühmten Ehemanns steht.

Allerdings hat sie bedeutende Beiträge zur politischen Philosophie, zur Verbreitung der sozialistischen Ideen und zur Entwicklung des Marxismus geleistet, die eine nähere Betrachtung verdienen.

Tatsache ist, dass Jenny Marx nicht nur eine passive Begleiterin von Karl Marx war. Sie war eine intellektuell brillante Frau, die aktiv an der Diskussion und Verbreitung revolutionärer Gedanken teilnahm.

Jenny Marx, geborene von Westphalen, Frau von Karl Marx

Zitate von Jenny Marx

Die Frauen sind die tragenden Säulen der sozialen Ordnung, und die Art und Weise, wie sie behandelt werden, spiegelt den Zustand der gesamten Gesellschaft wider.
— J. Marx
Aufrichtig gestanden, haben meine sorglichen Gedanken noch mehr bei Ihrer Frau als bei Ihnen geweilt. Uns Frauen fällt in allen diesen Kämpfen der schwerere, weil heimlichere Teil zu. . . Ich spreche aus mehr als 50jähriger Erfahrung, und ich kann wohl sagen, daß ich den Mut nicht leicht sinken ließ.
— J. Marx, Brief an Karl Liebknecht
Die Befreiung der Arbeiter kann nur durch die Befreiung der Frauen erfolgen. Es gibt keine wirkliche soziale Gerechtigkeit, solange die Frauen nicht gleichberechtigt sind.
— J. Marx

Das Wirken der Jenny Marx

Jenny Marx war nicht nur die Ehefrau von Karl Marx, sondern auch ihr ganzes Leben lang seine Partnerin im intellektuellen Austausch. » Philosophinnen: Frauen in der Philosophie

Ihre Briefe an Karl enthalten kritische Auseinandersetzungen mit seinen Ideen und spiegeln ihre eigenen philosophischen Überlegungen wider. In diesen Schriften zeigt sie ein tiefes Verständnis für die gesellschaftlichen Umstände ihres Jahrhunderts. Jenny hinterfragte die traditionellen Geschlechterrollen und argumentierte für eine gleichberechtigte Stellung der Frauen in der Gesellschaft.

Sie war eine leidenschaftliche Leserin, die auch theoretische und philosophische Werke studierte. Zudem stand sie ihrem Ehemann in dessen politischer Tätigkeit zur Seite, indem sie für ihn Exzerpte anfertigte, Aufsätze abtippte, Materialien sortierte und Verhandlungen mit Druckern sowie Verlegern führte.

Auch die umfangreiche Korrespondenz fiel in ihren Aufgabenbereich. Als „Botengängerin der Revolution“ und als „Sekretär“ von Karl Marx, wie sie sich selbst mit Stolz nannte, war sie unverzichtbar. Das ist nicht übertrieben: Als sie starb, meinte Engels: „Jetzt ist auch der Mohr gestorben.“ (Mohr = Karl). Und tatsächlich schwindet Karls produktiver Eifer, er stirbt ca. 1 Jahr nach seiner Jenny.

Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, ohne Jenny von Westphalen hätte Karl Marx niemals der sein können, der er war.
—  Eleanor Marx, jüngste Tochter

Jenny & Karl Marx wurden früh ein Paar

Jenny von Westphalen gehörte einer Adelsfamilie an und hatte Zugang zu einer umfassenden Bildung, die für Frauen ihrer Zeit unüblich war. Bereits in ihrer Jugend interessierte sie sich für die sozialen und politischen Entwicklungen ihrer Zeit. Sie muss eine stolze und selbstbewusste, junge Frau gewesen sein, wie aus den Beschreibungen ihrer Zeitgenossen deutlich wird.

Jenny war ein mit den Reizen der Jugend ausgestattetes, schönes Mädchen, ausdrucksvollen Antlitzes, durch ihren hellen Verstand und energische Charakter-Anlagen die meisten ihrer Altersgenossinnen überragend.
Es konnte nicht fehlen, dass sie unter den jungen Männern aller Augen auf sich zog…
— schreibt der preußische Innenminister Ferdinand von Westphalen über seine Schwester Jenny

Als Karl Marx sein Jura-Studium in Bonn begann, verliebten sie sich stürmisch und verlobten sich im Geheimen. Die offizielle Verlobung gab das Paar jedoch erst 1837 (Jenny war 23 Jahre alt, Karl 19) bekannt, doch bis zur Hochzeit sollte es noch 7 Jahre dauern. Die ganze Familie von Westphalen war gegen diese Verbindung: Karl war nur ein Bürgerlicher, hatte keine sicheren Berufsaussichten, kein respektables Erbe – und war auch noch Jude.

Zitate von Jenny Marx

Ich fordere von den Frauen, dass sie sich selbst als menschliche Wesen anerkennen und kämpfen für ihre Freiheit und Gleichheit.
— J. Marx
Die Veränderung der Gesellschaft beginnt dort, wo wir die grundlegenden Ungerechtigkeiten ansprechen und uns mutig für das einsetzen, was richtig ist.
— J. Marx
Das Streben nach einer besseren Welt bedarf nicht nur von der Theorie, sondern auch der Leidenschaft und des unermüdlichen Engagements.
— J. Marx

Jennys Einsamkeit & Selsbstzweifel

Das „skandalöse Paar“ war wohl ein Klatsch-und-Tratsch Objekt im Landstädtchen, in dem sie lebte. Jenny muss sich gegen alle Widerstände durchgesetzt haben. Gleichzeitig scheint sich die Beziehung während ihrer langen Verlobungszeit zu verändern. Karl befindet sich lange Zeit in Berlin, Jenny harrt allein in der Provinz aus.

Aus ihren Briefen weiß man, dass die sonst so selbstbewusste und energische Frau plötzlich von Angst und Minderwertigkeitsgefühlen geplagt wird. Zunehmend zentriert sich ihr Leben auf ihren Karl.

Jenny beginnt an nervösen Anfällen und psychosomatischen Problemen zu leiden. Ihre Stimmungen schwanken erheblich von überschwänglichen Liebesschwüren zu Überängstlichkeit und depressiven Verstimmungen.

Im Jahr 1843 feiern Jenny und Karl Hochzeit.

Zitate von Jenny Marx

Bildung ist der Schlüssel, nicht nur zur Befreiung der Frauen, sondern zur Erneuerung der ganzen Gesellschaft.
— J. Marx
Ich bin nicht nur die Frau eines großen Mannes; ich bin eine Denkerin und eine Kämpferin für die Freiheit.
— J. Marx
Die Intelligenz und die Überlegungen eines Mannes sind nichts wert ohne die Unterstützung und den Einfluss einer starken Frau an seiner Seite.
— J. Marx

Familie Marx – Leben in Armut & Not

Für beide beginnt ein Leben voller Höhen und Tiefen: Jenny und Karl werden politische Flüchtlinge und mehrfach aus verschiedenen Ländern ausgewiesen, bis sie schließlich in London eine Zuflucht finden. In den folgenden 13 Jahren bekommen Jenny und Karl insgesamt 7 Kinder, von denen lediglich 3 Töchter überleben. Ein traumatischer Verlust für beide Eltern.

Zu Beginn leben sie in London zu siebt in 2 Zimmern. Die hygienischen Zustände sind grauenhaft, ihre Kleidung unzureichend, die Kinder häufig krank. Karl ist zwar journalistisch tätig, verdient aber nur unregelmäßig und wenig Geld. Der Pfandleiher wird zur festen Anlaufstelle. Bei Verwandten und Freunden müssen sie immer wieder um Geld bitten. Die letzte Rettung ist Karls Freund Friedrich Engel, er unterstützte Marx sein Leben lang.

Neben der vielen Arbeit für Karl publizierte Jenny wenige Kritiken und Rezensionen. Viel mehr ging auch nicht, wenn man bedenkt, unter welchen Umständen Jenny lebte. Die dauerhaften finanziellen Belastungen und das ungesicherte Leben als politische Exilanten setzten ihr sicher zu.

Zuhause immer alles im „Belagerungszustand“, nächtelang „Tränenbäche
— Karl Marx
Jenny Marx im Jahr 1980

Depressionen & Selbstmordgedanken

Anhand der Familienkorrespondenz aus den 1850er und 1860er Jahren kann abgelesen werden, dass sich Jennys psychischer Zustand gefährlich verschlechterte. Die depressiven Verstimmungen, die unter anderem mit dem Verlust von 4 Kindern sowie der prekären finanziellen Lage der Familie zusammenhingen, mündeten in Todeswünschen.

Meine Frau sagt mir jeden Tag, sie wünschte, sie läge mit den Kindern im Grabe
— Karl Marx, 1862

Übrigens leidet auch Karl unter psychosomatischen Problemen, wenn er mit großen Belastungen konfrontiert ist. Oft sucht er Zuflucht bei Engels, während Jenny allein zu Hause bleibt. Jenny Marx vertraute einer Freundin an:

...unterdessen sitze ich da und gehe zu Grunde ... Ich sitze hier und weine mir fast die Augen aus und weiß keine Hilfe. Nun kann ich nicht mehr.

Ihre tiefe Verzweiflung wurde sicherlich auch durch den Seitensprung ihres Mannes befeuert: Die Hausangestellte Hellene brachte 1851 den unehelichen Sohn von Karl Marx zur Welt. Und überhaupt soll Karl immer wieder fremdgegangen sein.

Vgl. auch: Depression bei Frauen: Symptome der „weiblichen Depression“

Wendung & Krankheit

Die bodenlose Verzweiflung legte sich über die weiteren Jahre. Schritt für Schritt stabilisierte sich die finanzielle Situation, Marx erhielt öffentliche Anerkennung und ihre 3 Töchter wuchsen zu klugen und erfolgreichen Frauen heran.

Mitte der 1970er Jahre wurde bei Jenny unheilbarer Darmkrebs diagnostiziert.

So halte ich mich an jedem Strohhalm fest. Ich möchte noch gern ein bißchen länger leben ... Sonderbar ist’s. Je mehr die Geschichte zur Neige geht, je mehr hängt man an dem »irdischen Jammertal.
— Jenny Marx

Jenny Marx verstarb 1881 an ihrer Krebserkrankung.

Vgl. auch bekannte Philosophinnen – 12 Frauen & ihr geistiges Erbe

Posthume Anerkennung von Jenny Marx

Trotz all ihrer Anstrengungen und Beiträge wurde Jennys Wirken lange Zeit ignoriert und unterschätzt. In den letzten Jahren hat jedoch eine Neubewertung ihrer Rolle in der Geschichte des Sozialismus stattgefunden.

Wissenschaftler und Historiker beginnen, ihre Schriften und Ideen zu erforschen und zu würdigen.

In diesem Kontext ist es wichtig, das philosophische Erbe von Jenny Marx nicht nur als Anhang an das Leben von Karl Marx zu betrachten.

Im Gegenteil: sie war eine eigenständige und bedeutende Intellektuelle, die grundlegende Fragen ihrer Zeit thematisierte.

Interessanter Audio-Beitrag von SWR Kultur zu Jenny von Westphalen und Karl Marx:

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