Depressionen & Trauma – Depression durch Trauma ausgelöst?
Trauma und Depression hängen eng zusammen. Bei über 60 % der Fälle von Depressionen spielen traumatische Kindheitserlebnisse ein Rolle. Doch leider wird das Trauma oftmals übersehen.
Sind Depressionen die Folge eines Traumas?
Depressionen sind kaum als Traumafolgestörung bekannt.
Dabei besteht oft eine direkte Verbindung.
Traumatisierung und Depression
Menschen, die an Depressionen leiden, haben auffällig häufig von traumatischen Ereignissen in ihrer Kindheit zu erzählen (1 und 5).
Eine Information, die allerdings wenig Beachtung findet. Denn bezüglich Traumata hat man in der Regel höchstens einmal etwas von der posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) gehört, die bekannteste Form der Traumafolgestörung.
Allerdings zählen auch Depressionen zu den häufigsten Folgekrankheiten eines Traumas, insbesondere die Form der agitierten Depression.
Depression als Symptom der PTBS
Dabei ist die depressive Symptomatik allerdings der stärkste Teil im Symptom-Cluster von posttraumatischen Belastungsstörungen.
Zu noch mehr Verwirrung tragen zudem Störungsbilder wie depressive Belastungsstörungen oder depressive Anpassungsstörungen bei.
Welche Diagnose nun greift, hängt also wesentlich von dem Verständnis der Psychologinnen und Psychologen ab. Im Fachjargon wird dann entsprechend von einer posttraumatischen Depression gesprochen oder eben von einer PTBS mit komorbider depressiver Störung. Jedenfalls dann, wenn das Trauma als Ursache der Depression erkannt wird.
Was ist eine Traumafolgestörung?
Als traumatische Ereignisse gelten im Allgemeinen: Unfälle, Naturkatastrophen, gewaltsame und sexuelle Übergriffe, Kriege, tödliche Krankheiten und der Verlust naher Angehöriger bzw. nahe stehender Menschen.
Zum Beispiel ließ sich bei Erdbeben-Opfern gut 1 Jahr später feststellen, dass die meisten Depressionen, PTBS oder Angststörungen entwickelt hatten (1). Die Depression ist in diesem Fall die häufigste Traumafolgestörung, erst danach folgt PTBS.
Es scheint naheliegend und doch werden Traumatisierungen als Ursache für Depressionen selten thematisiert. Dabei hat auch diese Form der Traumafolgestörung schwerwiegende Langzeitfolgen, die sich auf biologischer, psychologischer und sozialer Ebene verheerend auswirken.
Vgl. auch Langzeitfolgen der Depression – Was von der Krankheit bleibt
Symptome von Traumafolgestörungen
Intrusive Erinnerungen (aufdrängende Bilder im Kopf), Flashbacks
sich oft wiederholende Verhaltensweisen/Muster
übermäßige Ängste, Schreckhaftigkeit
starker Pessimismus und Misstrauen gegenüber Menschen
Übererregung: Zittern, Schwitzen, Herzrasen
Taubheitsgefühle (Derealisation und Depersonalisation)
Schlafstörungen, Alpträume
komorbide Erkrankungen: Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen etc.
Belastende Kindheitserfahrungen sind häufig bei Depressionen
Mit belastende Kindheitserfahrungen (Adverse Childhood Experiences [ACE]) sind eindeutige traumatische Erlebnisse gemeint. Insbesondere:
emotionaler, körperlicher oder sexueller Missbrauch
emotionale und körperliche Vernachlässigung
elterlicher Substanzmissbrauch
psychische Erkrankungen in der Familie
Gewalt zwischen den Eltern
kriminelles Verhalten eines Elternteils
kindliche Verlusterfahrungen (Tod von Verwandten oder Haustieren, häufige Umzüge etc.)
Lustigerweise erfüllten diese Erlebnisse aber lange Zeit nicht die Kriterien eines Traumas. Mittlerweile hat sich das geändert: vgl. Entwicklungstrauma
Warum ist es wichtig, ob Traumata die Ursache von Depressionen sind?
Weil die auslösenden und ursächlichen Faktoren eine große Rolle in der Therapie spielen. Darüber hinaus ist das Risiko für Betroffene viel höher, wieder depressive Episoden zu erleiden – und zwar ihr gesamtes Leben lang. Auch sind Medikamente und Kombinationstherapien weniger effektiv.
Depressionen als Folge eines (Kindheits-)Traumas müssen daher anders behandelt werden: nämlich mit einer Trauma-Therapie. Denn Trauma-Depressionen prägen sich auf andere Weise in Seele und Körper ein (2) als Depressionen, die durch Überforderung ausgelöst werden.
Gehirnveränderungen bei Traumatisierungen
Jedenfalls zeigen sich genetische und neurologische Unterschiede zwischen beiden Gruppen (3): veränderte Gehirnareale zeigten sich vor allem bei traumatisierten Personen.
Darüber hinaus ist das Risiko für traumatisierte Menschen mit Depressionen um ein Vielfaches höher, eine körperliche Krankheit auszubilden.
Merkmale der posttraumatischen Depression
vielfältiges Vermeidungsverhalten
mangelnde Emotionsregulation
Einschränkungen in der sozialen Kognition (operatorisches Denken, Empathie)
krankhaftes Grübeln (Gedankenkarussell)
dissoziative Zustände
evtl. Entwicklung nachteiliger Persönlichkeitseigenschaften (neurotisch, unumgänglich, extrem gewissenhaft, introvertiert etc.)
ständiges Krankheitsgefühl (Zytokine, C-reaktive Proteine, vgl. Sickness Behavior)
Therapie bei Trauma-Depressionen
In der Psychotherapie von posttraumatischen Belastungsstörungen haben sich kognitiv-trauma-fokussierte und emotionszentrierte Ansätze (EMDR) als wertvoll erwiesen. Mittlerweile gibt es auch eine computerbasierte trauma-fokussierte kognitive Verhaltenstherapie, die unter Anleitung stattfindet, und effektiv sein soll.
Interessant sind vor allem leibtherapeutische Ansätze, die stark auf die Verbindung von Körper und Geist ausgerichtet sind. Dazu zählen beispielsweise die PEP-Klopftechniken (vgl. energetische Psychotherapie), aber auch andere humanistische Psychotherapie-Verfahren.
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Quellen:
1) Ulrich Schweiger et al: Traumatisierung und Depression. In: Fortschr Neurol Psychiatr 2018; 86(10): 654-666. DOI: 10.1055/a-0648-0219
2) Thomas Müller: Verkleinerter Hippocampus. Die Spur führt in die Kindheit. In: Ärzte Zeitung 2016
3) Fabian Peters: Depressionen durch Trauma in der Kindheit
4) Neurologen und Psychiater im Netz: Risikofaktor: Trauma oder schwere Belastungen
5) M. Leuzinger-Bohleber: Das “erschöpfte Selbst” in Zeit des “Global Unrest”. In: Das überforderte Subjekt. Zeitdiagnosen einer beschleunigten Gesellschaft, Suhrkamp 2018