Depression: Müdigkeit – ständig müde, schlapp & erschöpft

Depressionen gehen mit extremer Müdigkeit einher. Die depressive Müdigkeit ist sogar ein Hauptmerkmal von Depressionen und kann sich auf verschiedenste Art und Weise ausdrücken. Doch warum erzeugt die Depression eine so starke geistige und körperliche Ermüdung & Erschöpfung?

Depressive Müdigket bei Depression

Depression & Müdigkeit

Müdigkeit ist bei Depressionen typisch. Aber warum? Mehrere Punkte spielen bei depressiver Müdigkeit eine Rolle.

Extreme Müdigkeit bei Depressionen

Warum habe ich keine Kraft mehr?

Die einen sprechen von bleierner Müdigkeit & Leere, die anderen von extremer Erschöpfung & Schwere. Geistige & körperliche Ermüdung bzw. Müdigkeit sind eines der 3 Hauptsymptome von Depressionen. Manche Mediziner reden auch von Antriebslosigkeit oder Energielosigkeit.

Betroffene sind ständig zu Tode erschöpft, erdrückend schwach & von extremer Müdigkeit geschlagen. Du hast in diesem Zustand kaum Kraft – psychisch und körperlich. Unternehmungen, Haushalt, soziale Kontakte, überhaupt Alltag – alles bleibt auf der Strecke. Rein gefühlt hast Du nur noch Energie zum Atmen.

 

Unterschied: Depressive Müdigkeit & Erschöpfungsdepression

Wie lässt sich eine depressive Müdigkeit mit ausgeprägter Erschöpfung nun von einer reinen Erschöpfungsdepression abgrenzen? Das hat vor allem, mit der Ausgangslage zu tun. Eine „typische“ Depression ist multifaktoriell, es gibt immer mehrere Ursachen. Erschöpfungsdepressionen sind durch ihre Ursache charakterisiert. Sie sind stark auf einen eng begrenzten Leistungsbereich ausgerichtet: Arbeit oder Pflege.

 

Müdigkeitssymptome sind vielfältig

Körperliche Anzeichen von Ermüdung

  • stark erhöhtes Schlafbedürfnis

  • Schulterschmerzen

  • Nackenverspannungen

  • Rückenschmerzen

  • Kopfschmerzen

  • allgemeines Krankheitsgefühl

  • Verdauungsprobleme (Übelkeit, Durchfall, Bauchschmerzen etc.)

  • Schlafstörungen (Einschlaf- und Durschlaf-Probleme)

  • Schwindel

  • Zähneknirschen

  • Ohrensausen

  • Herzbeschwerden

Psychische Anzeichen von Müdigkeit

  • Konzentrationsprobleme

  • vermindertes Selbstvertrauen (Insuffizienzgefühl)

  • Gedankenkreisen

  • innere Leere

  • Gedächtnisprobleme

  • plötzliche Entscheidungsunfähigkeit

  • erhöhte Sensibilität

  • Ruhelosigkeit, Unruhe

  • Selbstvorwürfe

  • unverständliche Schamgefühle

 
Bleierne Müdigkeit bei Depressionen

Bleiernde Müdigkeit bei Depressionen

Wenn keine Kraft mehr bleibt

Die Forschung fragt zu Recht nach der Art der depressiven Müdigkeit & Ermattung.

  • Gibt es eine spezielle depressive Form von Müdigkeit?

  • Wenn ja, worin unterscheiden sie sich von normaler Erschöpfung & Müdigkeit?

  • Welche Rolle spielt das matte Müde-sein bei Depressionen?

  • Und muss die depressive Müdigkeit mit besonderen Mitteln behandelt werden?

 

Depressive Ermüdung & ihre Qualität

mentale, seelische & körperliche Zerschlagenheit

Um es kurz zu machen: Ja, Müdigkeit bei Depressionen besitzt eine ganz andere Qualität als normale Erschöpfungs- und Müdigkeitszustände, wie sie jeder gesunde Mensch immer wieder mal durchlebt. Ermüdung bei Depressionen ist extrem ruhelos, zermarternd und voller düsterer Stimmungen. Die Kraftlosigkeit lastet wie Blei auf Körper & Geist. Sie gibt Dir keine Möglichkeit zur Erholung, egal wie viel Du schläfst oder ausruhst.

Da ist keine Entspannung, nur diese tiefe, lebensunfähige Energielosigkeit & Mattigkeit. Nichts erregt Dein Interesse, nichts schafft Freude (vgl. Anhedonie). Du bist Deiner selbst müde. Oft sogar müde vom Leben.

 

Müdigkeit durch Depression hat einen speziellen Charakter

Die depressive Müdigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie mit anderen Depressionssymptomen einher geht. Du bist als Mensch mit Depressionen nicht einfach nur erschöpft, sondern gleichzeitig extrem niedergeschlagen, verzweifelt und gehemmt.

Das wirklich Fiese daran: Die depressive Erschöpfung führt ihrerseits zu einer weiteren Verstärkung von Stress, da sich viele Betroffene selbst fertig machen (auch ein Zeichen der Depression), den äußeren & inneren Anforderungen nicht mehr zu genügen. Mehr Stress verschlimmert wiederum die Symptome der Depression.

 

Ursachen der depressiven Müdigkeit

Warum machen Depressionen müde?

Woher kommt die Müdigkeit bei Depressionen?

Warum Depressionen müde machen & erschöpfen ist bislang nicht eindeutig geklärt.

Am besten lässt sich die depressive Müdigkeit im Zusammenhang mit den anderen Symptomen verstehen, die einen Teufelskreis bilden.

Grundsätzlich ist die extreme Müdigkeit & Kraftlosigkeit der Ausdruck einer tiefgreifenden Veränderung des leib-seelischen Erlebens.


1) Gestörte Energie-Zufuhr in den Körperzellen

2014 kam eine interessante Studie heraus (2), die nachweist, dass die Energiekraftwerke der Zellen bei depressiven Menschen nicht mehr richtig arbeiten. Haben die Körper- und Gehirnzellen weniger Energie zur Verfügung, könnte dies ein Auslöser von Schwäche, Antriebslosigkeit und Müdigkeit bei Depressionen sein.


2) Schlechter Schlaf vermindert Erholung

2016 erschien eine weitere Forschungsarbeit, die auf die veränderte Schlafqualität bei Depressionen aufmerksam machte (3). Im Schlaf schütten Depressive weniger Wachstumshormone aus, stattdessen finden sich höhere Mengen vom Stresshormon Kortisol. Dass ständiger Stress, ohne Regeneration, irgendwann zur totalen Erschöpfung, Mattigkeit & chronischer Müdigkeit führt, ist einleuchtend.


3) Probleme mit Essen & Trinken (Appetitlosigkeit)

Ernährung ist Energiezufuhr. Wer nicht richtig Essen und Trinken kann, der hat auch keine Kraft oder Energie für die kleinsten Pflichten des Alltags. Da einige Menschen mit Depressionen auch ein gestörtes Essverhalten (nicht essen, ungesund essen) aufweisen, wird auch hier ein biologischer Faktor für die starke Erschöpfung & Müdigkeit bei Depressionen liegen.


4) Veränderte Qualität des Erlebens

Für Außenstehende kaum zu glauben, aber wenn Du depressiv bist, dann erhält jede Körperempfindung und Gefühlsregung eine völlig andere Qualität. Sie treten manchmal in einer Intensität, in einer mächtigen Welle auf, die alles unter sich begräbt. Oder sie wirken seltsam fern von Dir, kaum zu spüren. Was ein gesunder Mensch als Zipperlein ignorieren kann, wird in einer Depression schier unerträglich. Die körperliche Schwäche und mentale Müdigkeit sind zudem ein Zeichen für Dein Versagen als Mensch, Person, Mann/Frau, zum anderen zerrt sie an Deinem Inneren. Dein Körper ist eine einzige Missempfindung.


5) Dauerstress laugt aus

Auf körperlicher und psychischer Ebene stehen Betroffene unter dauerhaftem Stress. Das rüttelt biologisch und geistig nachgewiesen an der gesundheitlichen Substanz eines Menschen. Chronischer Stress fördert nicht nur Krankheiten, er kann sie auch verschlimmern und zu chronischer Müdigkeit führen.


6) Gestörtes Selbstverhältnis

In der Psychologie gibt es philosophisch-phänomenologische Ansätze, welche die gebrochene Einheit von Betroffenen im leib-seelischen Erleben betonen. Selbst, Geist & Körper zerfallen in separate Teile, die nicht mehr miteinander kommunizieren und den Bezug zur Außenwelt nicht mehr herstellen können. Für Betroffene wirkt es so, als wären sie in sich selbst fremd und dem Mensch-sein entfremdet.

So verlieren viele Depressive nicht nur einen gesunden Welt- und Selbstbezug, sondern auch Vitalkraft. Die fehlende „Lebensenergie“ zeigt sich in einer tiefen depressiven Müdigkeit & Erschöpfung, die kaum noch Kraft zum Leben lässt.

Vgl. Depression: körperliche Symptome – Korporifizierung des Leibes


 

Müdigkeit & Depression als Zeitkrankheit

Depression als Zeitkrankheit

Aus philosophischer Perspektive liefert die Erlebniswelt depressiver Patienten*innen viele aufschlussreiche Informationen. Der Psychiater Thomas Fuchs setzt die Depression in einen Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Zeitstrukturen: Die Depression fasst er als „grundlegende Störung der menschlichen Zeitlichkeit (=Chronopathologie) auf.

Vgl. Zeitnot & Zeitwohlstand – Zeitmangel als Lebensgefühl

Vgl. Depression: gestörtes Zeitgefühl – Zeitverlust oder Stillstand

 

Depressive Müdigkeit durch gestörten Lebensrhythmus

Fuchs beschreibt sie als den Schatten und „düstere[n] Spiegel der Moderne“ (S. 66), in dem sich die „Herrschaft der linearen Zeit“ offenbare. Anstatt des zyklischen Naturmodells der Zeit, wie es in früheren Kulturen prägend war, steht heute eine lineare Zeitdynamik, die dem inneren Lebensrhythmus des Menschen zuwiderläuft.

Der Flexibilisierungszwang im neoliberalen Zeitalter führt zur depressiven Erschöpfung, glaubt der Experte.

 

Depressive leben in einer anderen Zeit

Gesunde Menschen führen ihr normales Leben, können an sozialen Aktivitäten teilnehmen, leben mit ihrem Umfeld im gleichen Zeit-Beziehungsgeflecht. In einer Depression fällst Du aus der gemeinsamen Zeitstruktur heraus. Nicht nur, dass Du Termine & Verabredungen aus purer Erschöpfung & toxischer Scham nicht mehr einhalten kannst. Die Zeit verliert auch an ihrer Qualität. Alles ist einerlei und fern. Sie bietet keine Erholung mehr, keinerlei Hoffnung auf Veränderung des Leidens.

 

Selbstfürsorge als Re-Synchronisierung & Verlangsamung

Im Klartext: Die ständige Beschleunigung gesellschaftlicher Strukturen überfordert Dich, macht krank und führt in die depressive Müdigkeit mit tiefster Erschöpfung. Fuchs’ Ideen, um dem entgegen zu wirken: „Strategien der Retardierung und Hemmung“ (S. 74), eine „Kultur der Langsamkeit“ (S. 75). Seine Ideen decken sich mit bewährten Methoden der Depressionstherapie, die neben Psychotherapie aus Elementen der Achtsamkeit, Selbstfürsorge, Selbstreflexion, Bewegung, ausgewogener Ernährung & Co. besteht. Im Grunde Techniken der Verlangsamung, Resynchronisierung.

 

Was hilft gegen Müdigkeit bei Depressionen?

Alles, was Deinen natürlichen Lebensrhythmus wieder einpendelt. Dazu zählen die oben erwähnten Elemente, darunter: regelmäßige Bewegung (Spaziergänge reichen schon), frische Luft, gesunde Ernährung, ausreichend Flüssigkeitszufuhr, regelmäßige Schlafenszeiten, regelmäßige Pausen, soziale Kontakte.

 

Das alles sind allgemeine Maßnahmen gegen Müdigkeit & für die psychische Gesundheit. Bei depressiver Müdigkeit werden allerlei Mittelchen (zum Beispiel Baldrian, Melisse, Johanniskraut) angepriesen, die allerdings nur unterstützend wirken können (wenn sie überhaupt wirken). Die Depression ist eine Krankheit, die ärztlicher Unterstützung bedarf. Bitte überschätze Dich nicht selbst: die allerwenigsten Menschen schaffen es ganz alleine aus einer depressiven Störung heraus.

Und bedenke: Ein gebrochener Fuß heilt auch ohne Arzt, aber schief und krumm. Das Ergebnis ist ziemlich nachteilig für Dein restliches Leben. Genauso verhält es sich mit Deiner Psyche: Bitte nimm Dir professionelle Hilfe – Du brauchst sie!

 
 

Fazit: Depression & Müdigkeit

  • Depressive Müdigkeit ist eines von mehreren Symptomen der Depression.

  • Müdigkeit bei Depressionen manifestiert sich oft als Antriebsstörung.

  • Sie ist schwer zu erfassen und vermischt sich mit anderen Symptomen, wie zum Beispiel mit Traurigkeit, Konzentrationsproblemen oder psychomotorischen Hemmungen.

Da eine Depression den Menschen als Ganzes erfasst, spielen wahrscheinlich viele Faktoren bei der Entstehung depressiver Müdigkeit eine Rolle:

  • leistungsschwache Zellkraftwerke

  • Schlafstörungen

  • Ernährungsprobleme

  • negative Erlebnisverzerrung

  • Chronopathologie

  • Gedankenspiralen (im Text nicht ausgeführt, aber sehr kräftezehrend)


Quellen:

1) Daniel Hell: Der Depressive fühlt sich zerschlagen, nicht schläfrig – Müdigkeit und Depression
2) netdoktor.de: Depression: Müde Zellkraftwerke
3) Catarina Pietschmann: Depressive Menschen schlafen anders – Schlafprofile geben Hinweise auf psychische Erkrankungen
4) Ulrich Kraft: Wenn die Depression auf den Körper schlägt
5) Katharina Rüth: Depression: Wenn die Kraft zum Handeln fehlt
6) Thomas Fuchs: Chronopathologie der Überforderung – Zeitstrukturen und psychische Krankheit (In: Das überforderte Subjekt. Zeitdiagnosen einer beschleunigten Gesellschaft)

Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hi, ich bin Tamara, freie Journalistin & studierte Philosophin (Mag. phil.). Hier blogge ich über persönliche Erfahrungen mit Depressionen & Angst – und untersuche psychische Phänomene aus einer dezidiert philosophischen Perspektive. Zudem informiere ich fachkritisch über soziale Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Missstände, die uns alle betreffen.

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