Warum trennen sich Depressive vom Partner? – Gründe & Tipps
Gründe, warum sich Depressive vom Partner trennen, sind kompliziert und vielfältig. Tatsache ist: Als depressiver Mensch verändert sich dein Leben grundlegend. Gefühle sind nicht mehr zu spüren – da ist nur noch Reizüberflutung, Überforderung und innere Leere. Nicht zu vergessen, die tief wurzelnden Schuld- und Schamgefühle, die dich und deine Beziehung in ein anderes Licht rücken.
Depression als Trennungsgrund
Trennung wegen Depressionen trifft 50 % der Partnerschaften. Ein Grund sind die unterschiedlichen Perspektiven beider, die meist durch die Krankheit entstehen. Die wichtigsten Verständigungsprobleme möchte ich dir hier aus eigener Erfahrung erklären …
Wie ist es, der depressive Partner zu sein?
Seit über 10 Jahren bin ich mit meinem Mann zusammen, mittlerweile auch verheiratet. An Liebeskummer oder Trennung haben wir nie gedacht, unsere Partnerschaft verlief immer sehr harmonisch. Bis die Depression zuschlug und ich alles in meinem Leben infrage stellte …
Depressionen beim Partner – Stress, Überforderung, Probleme
Depressiver Partner zieht mich runter – Gründe & Tipps
In meinen depressiven Phasen konnte ich nichts Positives fühlen. Nur noch Überforderung, Verzweiflung, Angst und eine tiefgreifende Sinnlosigkeit. Meine Verbundenheit zu meinem Mann wurde plötzlich unter einer Last aus Negativem vergraben, die mich erdrückte.
Ich zog mich immer weiter zurück. Anstatt zu verstehen, dass ich Hilfe brauchte, isolierte ich mich, wurde stetig schwächer und von passiven Selbstmordgedanken gequält.
Depressionen sind eine Zäsur in eurem Leben
Alles hörte auf: die tiefen Gespräche, die gemeinsamen Unternehmungen, zusammen Freunde treffen, Hobbys, Sex.
Ich war weder geistig noch körperlich dazu in der Lage. Ich hatte einfach keine Kraft, wenn dann gerade noch irgendwie zum Arbeiten.
Depressionen stürzen nicht nur Betroffene in einen dunklen Schlund aus Zweifel und Sinnlosigkeit, sondern wirken sich auch direkt auf deine Beziehungen zu nahestehenden Menschen aus.
Vgl. Leben mit depressiven Menschen – Die Depression als Familien-Krankheit
Depressionen sind eine Zerreißprobe
Laut dem Deutschlandbarometer von 2018 der Deutschen Depressionshilfe:
sind über 80 % der depressiven Partner*innen
dadurch belastet, dass sie sich vom gesunden Part nicht verstanden fühlen
häufig Vorwürfe bekommen
Streitereien ausgesetzt sind
fühlen sich gute 70% der gesunden Partner*innen
schuldig für die Depression des anderen
verantwortlich für das Wohlergehen des oder der Erkrankten
wütend und gereizt (61 %)
schlecht über Depressionen informiert (jede*r 3. Angehörige)
Das alles sind stinknormale Reaktionen auf eine Ausnahme-Situation
Und Depressionen sind eine absolute Krisen-Situation für deine Beziehung. Beide Seiten reagieren daher extrem – und durchaus nachvollziehbar. Doch leider kommen so auch viele Fehldeutungen und Verständigungsschwierigkeiten zustande.
Du siehst, da gibt es jede Menge Zündstoff. Und das bildet auch die Basis für häufige Missverständnisse zwischen depressiven und gesunden Partner*innen. Vgl. Depression bei Männern: Wut auf Partner
„Es ist das Gefühl, als würde ich in einem Zimmer liegen und von der Decke beginnt Öl zu tropfen, und man sinkt gleich in das Öl ein.“
Darum trennen sich Depressive vom Partner
Viele fragen sich, ob die Depression nicht eine Folge von Konflikten in einer Beziehung ist.
Die Depression wäre dann das sichtbare Zeichen, dass die Beziehung nicht passt. Genau das lässt sich aus einer Depression aber nicht ablesen.
„Eine Depression ist oft die Ursache und nicht die Folge von Partnerschaftskonflikten“, betonte Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Depressionshilfe. Klingt nicht nur plausibel, sondern ich habe es selbst so erlebt. Wird der*die Partner*in krank, ist das gemeinsame Leben jäh zu Ende.
Aber warum trennen sich Depressive vom Partner?
1) Depressive haben Angst, den gesunden Partner zu belasten & zu ruinieren
Das liegt an deinem Selbstverständnis, das durch die Depression brutal erschüttert ist. Als Depressive*r siehst du dich defizitär, unzulänglich, schwach und unbrauchbar – Du bemerkst ja selbst jeden Tag, wie wenig du mit anderen Menschen noch gemeinsam hast, wie unmenschlich und lebensunfähig du bist.
Was du darstellst, ist nichts als eine vegetative Existenz. Ohne Lebenssinn, ohne Daseins-Berechtigung, ohne Wert.
Als depressive*r Partner*in wirst du verdammt oft von irrationalen Ängsten beherrscht (vgl. Depression & Angststörung) und hast extreme Schuldgefühle (vgl. Schuldgefühle & Depression) in Bezug auf alles!
Jede Kleinigkeit, die schief läuft, ist ein ultimatives Zeichen für deine Schwäche und Minderwertigkeit.
Gerade gegenüber Partner*in verspürst du unendliche Schuld und Scham.
Eine Depression macht ja nicht blöd, du siehst genau, wie heftig dein liebster Mensch leidet, weil du nicht mehr das bist, was du vorher warst.
Weil du zu einer einzigen Belastung geworden bist.
Hinzu kommt, dass depressive Ängste sich wahnhaft äußern können: Du bist dann ständig von der Angst getrieben, dass du die Familie in den finanziellen Ruin stürzt, ihr Leben zerstörst und dergleichen mehr.
Leben mit Depressionen ist für Angehörige wie das Leben mit einem Schwerkranken.
Ganz objektiv gesehen ist es ja wirklich so: Das Leben mit depressiven Partnerinnen oder Partnern ist sehr anstrengend und kann in die Co-Depression führen. Als Depressive*r siehst du es allerdings als persönliches Versagen an, wenn es deinem Mann oder deiner Frau schlecht geht.
Vgl. Leben mit depressiven Menschen – Depression als Familienkrankheit
Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob Situation und Thema mit ganz anderen Dingen zusammenhängen. Für dich ist die Sache klar: Du trägst an allem alleine Schuld oder zumindest eine so große Mitschuld, dass es besser wäre, du wärst gar nicht geboren worden.
Hoffnung auf Besserung der Beziehung verwehrt dir die Depression komplett. Du bist tief davon überzeugt, dass die Situation so für alle Ewigkeit stagniert. Was tust du also, um deine*n Partner*in vor dir zu retten? Vor seiner/ihrer Zerstörung zu bewahren?
Du trennst dich. In vollem Glauben, dass dies die einzige Option ist, um weitere Schuld und Drama zu vermeiden und so den geliebten Menschen endgültig zu entlasten.
2) Depressive sehen in der Beziehung einen Grund für ihre Depression
Unausgeglichene Beziehungen können und sind ein aufrechterhaltender Faktor für Depressionen, insbesondere wenn wichtige Probleme unterschwellig gären.
Im Grunde gibt es hier 3 Konstellationen:
1) Du bist als gesunder Partner wirklich ein Faktor, der die Beziehung belastet
Vielleicht muss dein*e Partner*in mit Bedürfnissen, Wünschen und Sehnsüchten zurückstecken und du hast etwas damit zu tun.
Bitte nicht falsch verstehen: Depressive Menschen sind nicht total plemplem. Die Probleme kommen nicht aus dem Nichts. Es gibt ein Ungleichgewicht in der Partnerschaft, das bewältigt werden muss. Aber es wird durch die Depression verzerrt.
2) Deine Beziehung ist toxisch
Es gibt natürlich auch ungesunde Beziehungen, in denen die Liebe zum Machtspiel wird. Hier ist ganz klar: das ist psychischer Terror, der eine Depression begünstigt, aufrechterhält und verschlimmert.
3) Die Trennung ist allein der depressiven Sicht geschuldet
Als Depressive*r nimmst du Gesagtes und Getanes anders wahr, da deine Gedanken stets in negativer Weise um dich selbst kreisen. Im Zuge dieser Depressionsspirale gibt es so gut wie nichts Schönes mehr unter der Sonne.
Bei einer Depression verfärbt sich wirklich alles, auch die Retrospektive auf die Vergangenheit. Besser gesagt, plötzlich fallen all die negativen Dinge, die je waren, so extrem ins Gewicht, dass du die guten Zeiten nicht mehr geistig fassen kannst.
Die sind zwar da, aber nicht mehr so präsent in deiner Erinnerung.
Stattdessen drängt sich alles Negative in 10-facher Größe in Dein Bewusstsein
Die Vergangenheit wird nicht komplett im Kopf verdreht, aber erscheint eben in einem anderen Licht, wird geprägt von Negativem, das vorher vielleicht verdrängt oder banalisiert wurde.
Ich weiß, dass sich meine Krankheit alles nimmt, was an Unsicherheit und Verletzungen da ist und mir immer wieder aufzwingt.
3) Menschen mit Depression spüren keine Verbundenheit mehr
Das Gefühl der Gefühllosigkeit bei Depressionen zu beschreiben, ist fast unmöglich. Ich würde auch nicht von einer Gefühllosigkeit sprechen, sondern von einer Gefühlsleere.
Positive Gefühle hast du kaum noch. Und wenn, dann fühlen sie sich seltsam dumpf und entfernt an, als gehörten sie nicht zu dir. Gute 75 % der depressiven Menschen erleben diese innere Isolation.
Du bist abgeschnitten von der Außenwelt und deinen Mitmenschen. Sie verstehen dich nicht, du schämst dich für dich selbst, hast Angst vor Verurteilung und distanzierst dich immer mehr von Freund*innen, Familie und Partner*innen. Leider missverstehen das viele Angehörige als Zurückweisung, Abwertung oder Faulheit.
Vgl. Depressionen: Angehörige – Das unsichtbare Leid der Familie
Doch es ist die Angst und erhöhte Verletzlichkeit, die Depressive in die Vereinsamung treibt.
Sehr häufig kommt die Frage auf, ob depressive Menschen überhaupt lieben können?
Und ist es möglich, dass die Liebe vollständig von der Depression vergraben wird?
Bei beiden Fragen lautet die Antwort: Ja!
Während einer akuten depressiven Phase verspürst du Liebe und kannst lieben, aber das ist gerade nicht das Problem. Wie gesagt, ist die gefühlte Verbindung zu anderen Menschen abgeschnitten.
Das Problem ist, dass Kopf und Körper so verrückt spielen, dass du nicht mehr lebensfähig bist. Zudem bist du zu einem einzigen Elend geschrumpft, da gehen dir ganz andere Sachen durch den Kopf als die Liebe. Zum Beispiel, dass du es nicht wert bist, vom anderen so gut behandelt und geliebt zu werden.
4) Depressive meiden Konflikte aus Überforderung & Angst
Wenn sich depressive Menschen trennen, dann kann das auch eine kopflose Fluchtreaktion sein. Ich habe mich zwar nicht von meinem Mann getrennt, kenne aber dieses Gedankenkarussell, das alles und jeden in Zweifel zieht. Alles überfordert dich – die Arbeit, Haushalt, Menschen, das Leben!
Oft findest du auch nicht den Mut, mit deinem / deiner Partner*in über deine seltsamen Gefühle und Gedanken in der Depression zu sprechen. Sie sind zu anormal, beschämend und unverständlich.
Schweigst du als Betroffener, kommt es sehr oft zu Streit und Konflikten. Dein*e Partner*in ahnt ja nichts von deinem innerlichen Zustand. Niemand kann dir ansehen, wie schlecht es dir wirklich geht. Gesunde Parts reagieren dementsprechend frustriert, verletzt und verärgert.
Das ist ein krasser Stress für jemanden, der / die an Depressionen erkrankt ist. Du musst wissen, Stress wird in einer Depression zu einer gefürchteten Kraft, die dir alles an Energie und Hoffnung raubt. Stress kann Angstattacken, teilweise auch Panik bei depressiven Personen auslösen.
Irgendwann sind die ständigen Konflikte und Missverständnisse zu viel. Als Kranke*r siehst du keine andere Möglichkeit mehr als Trennung – aus Existenzangst an der ganzen Schei*** zu zerbrechen.
Fazit: Warum trennen sich Depressive vom Partner?
Ich kann hier natürlich schlecht Tipps nennen, wie Du eine Trennung wegen Depressionen verhindern kannst. Wichtig und hilfreich ist aber, dass Du folgende Prinzipien im Kopf behältst, um besser auf deine*n Partner*in eingehen zu können und zu verstehen, in welcher üblen Lage er / sie ist.
1) Depressiven geht es sehr viel schlechter, als Du denkst
Depressive wirken eine lange Zeit sehr viel gesünder und stärker, als sie eigentlich sind. Du siehst deinem / deiner Partner*in bis zu einem gewissen Punkt nicht an, wie kaputt es in ihrem Inneren aussieht und welche hässlichen Gedanken sie Tag und Nacht quälen.
Und diese Gedanken sind oft so abstrus, beängstigend und schrecklich,
dass Du es Dir als gesunde Person gar nicht ausmalen kannst. Das ist nicht einfach nur Erschöpfung und Traurigkeit, wie Du sie als gesunde Person kennst. Depressionen sind eine schwere Krankheit, die behandelt werden muss.
2) Hab bitte Geduld
Depressive stehen extrem unter Druck und Anspannung, haben kaum Kraft und sind verzweifelt. Hinzu kommen körperliche Probleme. Vernünftig nachdenken ist da nicht möglich.
Unter solchen Umständen deine*n Partner*in zu drängen, sich schnell zu entscheiden oder zu rechtfertigen, ist kontraproduktiv. Und kann eine Trennung provozieren.
Gib dem kranken Menschen Raum und Zeit.
Nicht, um sich zu verkriechen und die Dinge ungeklärt zu lassen. Sondern damit der / die Betroffene*r im eigenen Tempo auf dich zukommen kann.
Zum Schluss noch ein persönliches Wort
Ich muss Dir sagen, dass Trennungen aufgrund von Depressionen extrem oft passieren. Jetzt schreiben mich aufgrund dieses Blogtextes viele gesunde Partner*innen an und sind verzweifelt.
Vielleicht helfen Dir ja diese Texte weiter:
Depressionen beim Partner – Stress & Überforderng
Depressiven Partner in Ruhe lassen? Der Umgang mit depressiven Partnern
Depressive verstehen – 5 Fakten über Depressive Menschen
Warum melden sich Depressive nicht? – 7 Tipps bei Kontaktabbruch & Isolation
Betroffene der Depression – Zweifel an Gefühlen sind typisch
Depressionen erklärt – Beschreibungen von Betroffenen
Leider gibt es hier keine Patentlösung, wie Du mit einem depressiven Menschen umgehen sollst. Es kommt immer auf die einzelne Person, ihren Charakter, ihre Erfahrungen, ihre Lebenssituation etc. an.
Was ich dir aber sagen kann: Eine Depression ist wahnsinnig auszehrend und kraftraubend, das kannst du dir gar nicht vorstellen.
Sie erfordert jetzt die ganze Aufmerksamkeit und Energie des / der anderen, damit überhaupt noch ein Leben stattfinden kann.
Quellen:
1) Annegret Faber: Depression: Der Trennungsgrund, über den keiner redet
2) Maria Fahnemann: Ihr Partner ist depressiv und deswegen denken Sie an Trennung?
3) iurFRIEND-Redaktion: Trennung wegen Depression
4) Stiftung Deutsche Depressionshilfe: Deutschland-Barometer 2018
5) Andrea Klahre: Innere Leere – Wenn an der Depression die Partnerschaft zerbricht
6) Nadine Keller: „Das ganze gemeinsame Leben hört auf“ – Interview mit Alina Bach über ihr Buch „Die Liebe in Dunklen Zeiten“
7) Jonathan Bern: Meine Depression führte zur Trennung
8) Tamara Niebler: persönliche Depressionserfahrungen