Hochfunktionale Depression – erfolgreich, aktiv & depressiv
Die hochfunktionale Depression ist schwer zu erkennen: Depressive, die funktional sind, wirken nach außen hin unbeschwert und erfolgreich. Sie führen Small Talk, sind gut im Job und scheinen das perfekte Familien- oder Liebesleben zu führen. Was Du nicht siehst: die innere Leere & Verzweiflung, mit der Betroffene jeden Tag kämpfen.
Hochfunktionelle oder High Functioning Depression
Innen tot & verzweifelt, nach außen erfolgreich & smart. So geht es hochfunktionell Depressiven…
Inhaltsverzeichnis: Die Hochfunktionale Depression
Hochfunktionale Depressionen sind keine Diagnose
Funktionale Depression ist atypisch
Hochfunktional depressiv
Hochfunktionale Depressionen werden selten erkannt. Innere Leere, Schlafstörungen, allumfassende Traurigkeit, Schmerzen, Grübelschleifen, Suizidgedanken, Blei in den Beinen – das ganze Programm bekommen atypisch Depressive ab. Doch Du leistest noch im Alltag – gerade so und irgendwie...für mehr als Arbeit und ein paar soziale Phasen reicht die Energie allerdings nicht.
Auf andere wirkst Du normal, eben hochfunktional - Du stemmst alle Deine Aufgaben und Pflichten, wie gewohnt. Der Preis ist jedoch hoch: Körperliche Probleme und depressive Ängste – und zwar einige.
Während die einen an chronischen Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Magengeschwüren oder Hautekzemen leiden, werden andere von den psychischen Ausprägungen der hochfunktionalen Depression gewaltsam erdrückt.
Hochfunktionale Depressionen sind keine Diagnose
Mittlerweile ist der Begriff “Hochfunktionale Depression” zwar vielfach in den Medien vertreten, aber keine eigenständige Diagnose.
Synonyme zu hochfunktionaler Depression sind:
hochfunktionelle Depression
funktionelle Depression
High Function Depression
high functioning depression
Die hochfunktionale Depression ist vielmehr ein möglicher Ausdruck von atypischen Depressionen oder Dysthymie (neurotische Depressionen).
Nicht falsch verstehen: Depression ist Depression. Nur hat die hochfunktionale Depressionen keinen eigenen Diagnoseschlüssel wie zum Beispiel Erschöpfungsdepressionen.
Darum sagt Ulrich Hegerl, Psychiater und Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe (14): "Das (die hochfunktionelle Depression, T.N.) gibt es nicht, aber es gibt Menschen, die mit allerletzter Kraft die Fassade hochhalten und immer noch den Alltag bewältigen. Und wenn sie zu Hause sind, kippen sie um und fallen ins Bett."
Hochfunktionale Depression – Was ist das?
Laut Definition sind Menschen mit hochfunktionaler Depression von außen gesehen symptomfrei.
Wahrnehmbar ist vor allem ihre Leistungsfähigkeit im Job und die vielen Freizeitaktivitäten.
Innen drin sieht’s jedoch anders aus: Die Hochfunktionale Depression füllt Dich mit:
schwärzester Traurigkeit,
Verzweiflung
und extremer Müdigkeit.
Diese Symptome kommen aber meist erst abends (sogenanntes Abendtief) und werden in Gesellschaft unterdrückt.
Funktionale Depression ist atypisch
Hochfunktionale Depressionen zählen zu den atypischen Formen depressiver Störungen – eben weil im Beruf, Freizeit- und Familienleben oft eine hohe Leistungsfähigkeit besteht.
Betroffene wuchten scheinbar jede Aufgabe. Und: Sie können Gefühle entsprechend einsetzen, auf andere verständnisvoll und einfühlsam reagieren.
Erst allein zuhause, nach getaner Arbeit am Feierabend oder am Wochenende brechen sich die unterdrückten Gefühle & Leiden Bahn und sorgen für körperliche und seelische Leiden.
Hochfunktionale Depression: Symptome & Anzeichen
Es ist gar nicht so selten, dass Betroffene selbst nichts von ihren Problemen ahnen. Sie funktionieren ja im Alltag...so irgendwie. Zudem hast Du Gedanken wie „Ich habe doch ein schönes Leben und keine Probleme“ und „Ich muss mich nur zusammenreißen“.
Im Endeffekt haben Betroffene ähnliche Beschwerden wie klassisch Depressive:
Überforderung, Burnout
Substanzmissbrauch (Alkohol, Drogen, Tabletten)
Schlafstörungen
Verzweiflung
zunehmende Versagensangst
langsame soziale Isolation
hohe Arbeitsbelastung (Job, Familie, Partner etc.)
häufige Gereiztheit
Verlust an Interessen & Begeisterung
Funktional Depressive sind aktiv
Außerdem sind hochfunktional Depressive sozial aktiv, zwar verliert sich das mit der Zeit auch, aber das dauert. Das Umfeld bemerkt also nichts von der Erkrankung, weil der soziale Kontakt immer noch gepflegt wird.
Zu den atypischen Depressionssymptomen gehören dann:
erhöhtes Schlafbedürfnis
Heißhunger-Attacken, vermehrter Appetit
taube Arme und Beine
Überempfindlichkeit bei Kritik
Eine hochfunktionale Depression kann über Jahre unentdeckt weiter wachsen. Bleibt die Krankheit unbehandelt, werden die psychischen und körperlichen Beschwerden im Laufe der Zeit immer schlimmer (ich spreche da aus Erfahrung) – bis sie nicht mehr zu ertragen sind.
Hochfunktionale Depressionen – Erfahrung
Zwischen totaler Erschöpfung & extremen Leistungsdruck
Laut Untersuchungen sind vor allem Menschen mit perfektionistischer Ader depressionsgefährdet. Es ist so, dass Du Dich als hochfunktional depressive Person permanent in einem Spannungsfeld bewegst, das zwischen totalem Ausgebranntsein und Leistung liegt.
Dazu gehört nicht nur ein Leistungsdruck von außen, sondern auch Dein eigener hoher Leistungsanspruch von innen, der Dich unerbittlich peitscht und quält.
Du fühlst jeden Tag, dass Dir alles zu viel ist, Du komplett überfordert bist. Trotzdem machst Du weiter und schaffst es irgendwie. Vor allem ein paar Unternehmungen oder Ausflüge in die Natur sollten eigentlich einen Ausgleich bringen.
Tun sie aber nicht, Du erholst Dich einfach nicht.
Hochfunktional & gleichzeitig am Limit
Irgendwann, schleichend, bekommt Dein Selbstwertgefühl einen gewaltigen Knacks. Die Alltagspflichten und Aufgaben sind nur noch mit äußerster Anstrengung zu schaffen.
Jeden Abend quält Dich die Angst, Du könntest dies oder jenes doch nicht mehr hinkriegen.
Dabei kommen Dir ziemlich harte und wertende Begriffe in den Kopf:
Ich habe versagt, werde versagen
Ich bin zu nichts zu gebrauchen, bin wertlos
Warum geht es mir so schlecht? Ich habe doch alles...
Ich bin unzulänglich, schlechter als alle anderen
Ich kann nicht mehr, schaffe es nicht mehr
ich bin nicht genug
Wozu das alles noch?
Es hat keinen Sinn mehr
Hochfunktionale Depression mit höherer Suizidgefahr verbunden
Diese Art der Selbststigmatisierung, die alle depressiven Typen gemeinsam haben, verstärkt den Druck, sich selbst nicht genug zu sein, wertlos zu sein, immer mehr.
Du schämst Dich so sehr für Deine Schwäche, Erschöpfung und grundlose Verzweiflung, dass Du lieber schweigst anstatt Dich Deinen Liebsten anzuvertrauen. Sie könnten Dich schließlich alle für verrückt halten. Und für einen Versager.
Weil hochfunktional depressive Menschen noch ein gewisses Level an Aktivität haben, ist die Gefahr, Selbstmord zu begehen, bei ihnen wesentlich größer. Sie haben nämlich die Energie, um einen Plan vorzubereiten und durchzuführen.
Warum bleiben funktionale Depressionen solange unentdeckt?
Weil die Betroffenen selbst lange nichts davon ahnen, dass sie psychisch erkrankt sind. Dir fällt schon auf, dass Dir alles schwerer von der Hand geht als den anderen.
Aber da ist ein Drang, weiterzumachen. In der Hoffnung, das Tief geht schon von selbst wieder weg.
Irgendwann gewöhnst Du Dich daran, immer wieder “Stimmungstiefs” zu haben und das Leben in Frage zu stellen.
Außerdem ist es verdammt beschämend, mit jemand anderen darüber zu sprechen, dass Du Dich leer und sinnlos fühlst, schwach und ausgelaugt vom Leben.
Dann noch Deinem Partner, der Familie oder anderen nahen Menschen davon zu erzählen, das übersteigt Deine Kraft. Du fühlst so viel Schuld, Scham und Angst, es ist unglaublich und fast unmöglich, um Hilfe zu bitten.
Schließlich fühlst Du Dich – all den körperlichen und psychischen Beschwerden zum Trotz – nicht krank genug!
Verdacht: hochfunktionale Depression – Was jetzt?
Depressionen werden immer von einem erfahrenen Arzt diagnostiziert.
Aber wenn Du den Verdacht hast, Du könntest an Depressionen erkrankt sein oder jemand, den Du kennst, dann hilft ein Depressionstest bei der ersten Einschätzung, z. B. der Selbsttest der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. In jedem Fall solltest Du Dich einem Arzt (Hausarzt, Psychotherapeut, Psychologe) anvertrauen oder Dich an folgende Institutionen wenden:
Hochfunktionale Depression behandeln lassen
Zum Schluss noch eine ganz wichtige Bitte an Dich:
Nimm die Symptome oder die Krankheit Depression nicht auf die leichte Schulter.
Du kannst eine hochfunktionelle Depression nicht mit Globulis, ein bisschen Kräutertee und Baldrian-Drops besiegen. Das hat noch nie jemand geschafft, der ernsthaft an Depressionen leidet.
Auch wenn Dir viele Internetseiten und Laienpsychologen etwas anderes erzählen wollen - ein paar Pflanzen allein helfen nur bei einer leichten Depression. Wenn überhaupt, denn was den einen hilft, ist für die anderen nichts.
Hol’ Dir professionelle Hilfe. Du hast sie verdient und brauchst sie auch.
Fazit: Hochfunktionale Depression
Betroffene der High Functioning Depression wirken nach außen symptomfrei.
Sie zählt zu den atypischen Depressionen mit ausgeprägtem Abendtief, sind aber keine eigenständige Form bzw. Typ. Hochfunktional Depressive haben ein hohes Leistungsniveau und sind darum nicht einfach zu erkennen
Symptome der hochfunktionellen Depression sind:
Erschöpfung, Schlafstörungen, Versagensangst, langsame Isolation, starke Gereiztheit
erhöhtes Schlafbedürfnis, Heißhunger, Kritik-Empfindlichkeit und evtl. Taubheitsgefühle
Diese Depressionsform kann über Jahre unentdeckt bleiben. Hochfunktional depressive Menschen besitzen eine höhere Suizidgefahr.
Quellen:
1) Ann-Kathrin Landzettel: Hochfunktionelle Depression – So verläuft die Depression der Erfolgreichen
2) Andrea Bruchwitz: Hochfunktionale Depression: Wenn niemand erkennt, dass du krank bist (Selfapy)
3) AOK Gesundheitsmagazin: Hochfunktionale Depression
4) Dr. Marc Nairz-Federspiel: Hochfunktionale Depression: Erfolgreich & trotzdem depressiv
5) Iiliana Kröger: Hochfunktionale Depression: Wenn niemand merkt, wie krank du wirklich bist
6) Deidre Olsen: Hochfunktionelle Depressionen – wenn das Umfeld glaubt, alles sei in Ordnung
7) Stiftung Deutsche Depressionshilfe
8) LSA Psychology University of Michigan: This Is What It's Like to Live With High-Functioning Depression
9) Dr. Jennie Byrne: What It’s Like to Have High Functioning Depression
10) hello-better.de: Hochfunktionale Depression
11) Wienerin: 9 Anzeichen für eine hochfunktionale Depression
12) AOK Gesundheitsmagazin: Wie fühlen sich Depressionen an?
13) Mara: Atypische Depression oder hochfunktionelle Depression ohne Depression (DocCheck)
14) Nora Voit: Depression – Ihr zweites Gesicht
Depressionen ziehen schwere Folgen nach sich und bilden massive Beeinträchtigungen in allen Lebensaspekten der Betroffenen und Mit-Betroffenen. Nicht nur für Einzelne sind sie eine Gefahr: Bereits seit den 1990er-Jahren gelten Depressionen als eine der psychischen Erkrankungen, welche die Gesellschaft am stärksten belasten.