Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn (V. E. Frankl) – Buchtipp
Das Buch „Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn“ von Viktor Emil Frankl gibt Dir einen Überblick über das Gesamtwerk des philosophischen Psychotherapeuten. Wie kein anderer außerhalb der Philosophie, hat sich Frankl mit dem Sinn der menschlichen Existenz beschäftigt. Das Buch zu lesen, lohnt sich daher für jeden!
Viktor Frankls Buch über Mensch & Sinn
ist ein Muss für alle, die sich mit der Sinnsuche & Sinnstiftung beschäftigen. Es hält nicht nur jede Menge Inspiration bereit, sondern gibt auch einen Querschnitt durch sein gesamtes Werk.
Buchtipp Viktor Frankl: Die Suche nach Sinn
Ich habe mir dieses Bändchen als Buchtipp ausgesucht, weil es hier gerade nicht um einen klassischen Philosophen geht, sondern um einen Psychotherapeuten. Das macht aber gar nichts, denn Frankl ist der Philosoph unter den Psychotherapeuten – ähnlich wie Jaspers.
Frankl hat so viele Anleihen aus der Existenzphilosophie des 19. und 20. Jahrhunderts, namentlich von Kierkegaard, Heidegger, Hegel usw. dass Du ihn unbedingt gelesen haben musst, wenn Du Dich mit der Existenzphilosophie bzw. mit der Sinnfrage auseinandersetzt.
Das Büchlein „Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn” bietet Dir einen Querschnitt durch seine gesamten Werke. Das Beeindruckende an Frankls Logotherapie, besser gesagt seine Sinnlehre gegen die Sinnleere, ist: sie hat nichts an Aktualität eingebüßt.
Das Buch ist heute noch genauso aktuell wie früher. Es ist mit weltweit 12 Millionen Verkäufen genauso beliebt wie vor 20 oder 30 Jahren. Und tatsächlich ist die Thematik zeitlos. Jeder, der sich mit der Sinnfrage beschäftigt, kommt an Frankl eigentlich gar nicht vorbei.
Wer war Viktor Frankl?
Viktor Emil Frankl hat die 3. Wiener Schule der Psychotherapie gegründet. Neben Freud und Adler, welche die ersten 2. berühmten Schulen in der Psychologie bildeten, hat Frankl also mit seiner Logotherapie Bahnbrechendes geleistet. Aber ich würde auch sagen, für die Philosophie ist er von Bedeutung.
Inwiefern hat Frankl etwas mit der Philosophie zu tun?
Naja, es ist so, dass zum Beispiel Hegel & andere große Philosophen in Tradition von Cicero und den anderen antiken oder älteren Philosophen eben von einer relationsontologischen Warte aus den Menschen betrachten.
Das macht auch Frankl so: Es geht darum, dass der Mensch nicht nur in Bezug zu sich selbst, sondern der Mensch auch in Bezug zu einer Umwelt steht, zu anderen Menschen. Und genau das sind die Komponenten, die das Mensch-sein ausmachen und die Identität eines Menschen mit herausbilden.
Der Wille zum Sinn nach Frankl
Für Frankl war die Frage nach dem Sinn des Lebens bzw. das Wissen um eine Lebensaufgabe von zentraler Bedeutung für die psychische Gesundheit eines Menschen. Oder besser gesagt: für das zufriedene Leben eines Menschen.
Frankl selbst hat die Bedeutung der Sinnfrage hautnah erlebt. Er war nämlich im Konzentrationslager, genauer gesagt in 4 Konzentrationslagern, die er als einziger von seiner gesamten Familie überlebt hat.
(vgl. auch Frankls Buch „...trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“)
In Angesicht dieser extremen menschlichen Abgründe hat er an sich selbst erfahren, was es bedeutet, ein Warum zu haben. Darum sagt Frankl auch: „Solange der Mensch einen Warum hat, schafft er jedes Wie“ (Zitat von Nietzsche).
Was genau meint er damit?
Im Grunde das, was viele Philosophen betonen: Hat der Mensch einen Lebenssinn bzw. eine Lebensaufgabe für sich gefunden, dann kann er fast alle Arten von Krisen überstehen.
Das Leiden am sinnlosen Leben – Sinnlosigkeit als Massenneurose
Das Wissen um eine Lebensaufgabe ist für Frankl nicht nur für Menschen von Bedeutung, die sich in einer Krise befinden oder schwierigen Situationen. Sondern generell für den Menschen an sich in der modernen Gesellschaft.
Er meint, dass die moderne Gesellschaft von einer Massenneurose befallen ist. Der moderne Mensch lebt in einem Überfluss, der sämtliche Grundbedürfnisse erfüllt. Nur ein einziges nicht: Und das ist der Wille zum Sinn bzw. das Bedürfnis, einen Sinn für sich zu haben.
Zitat aus Frankls Buch:
„der Mensch auf der Suche nach dem Sinn, um diesen Buchtitel zu gebrauchen, wird unter den gesellschaftlichen Bedingungen von heute eigentlich nur frustriert. Und das rührt daher, dass die Wohlstandsgesellschaft bzw. der Wohlfahrtsstaat praktisch alle Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen imstande ist. Ja, einzelne Bedürfnisse werden von der Konsumgesellschaft überhaupt erst erschaffen.
Nur ein Bedürfnis geht leer aus und das ist das Bedürfnis des Menschen. Das ist sein Wille zum Sinn, wie ich nenne. Das heißt, dass die Menschen zutiefst innewohnende Bedürfnis in seinem Leben oder vielleicht besser gesagt in jeder einzelnen Lebenssituation einen Sinn zu finden und hinzugehen und ihn zu erfüllen.
Um solcher Sinnerfüllung willen ist der Mensch auch bereit zu leiden, wenn es nötig sein sollte. Umgekehrt aber, wenn er um keinen Sinn des Lebens weiß, dann pfeift er aufs Leben, auch wenn es ihm äußerlich noch so gut gehen mag. Und unter Umständen schmeißt er es dann weg.“
Die sinnleere Freizeit der Moderne
Das ist vor allem in der Freizeit des Einzelnen erkenntlich. Wir haben mittlerweile viel mehr Zeit für uns, verlieren uns kaum noch in existentiellen Sorgen. Doch wir wissen mit dieser Zeit einfach nichts mehr anzufangen. Wir können keinen Sinn mehr finden in der Freizeit bzw. sie nicht mehr sinnvoll füllen.
„Unsere Gesellschaft ist aber auch eine Freizeitgesellschaft, und immer weitere Kreise haben immer mehr Zeit – aber nichts, wofür sie die Zeit sinnvoll aufwenden könnten. So kommt es, dass dem Menschen von heute im Verhältnis zu früheren Zeiten viel Not und Spannung erspart geblieben sind – so dass er schließlich verlernt hat, beides zu ertragen: seine Frustrationstoleranz ist herabgesetzt, er hat verlernt zu verzichten.
Im Gegensatz zum Tier sagt dem Menschen kein Instinkt, was er muss, und im Gegensatz zum Menschen in früheren Zeiten sagt ihm keine Tradition mehr, was er soll – und nun scheint er nicht mehr recht zu wissen, was er eigentlich will.
So kommt es denn, dass er entweder nur will, was die anderen tun – und da haben wir den Konformismus –, oder aber er tut nur, was die anderen wollen, von ihm wollen – und da haben wir den Totalitarismus.“
Gesellschaft mit existenzieller Leere
„Die Überflussgesellschaft bringt einen Überfluss an Freizeit mit sich, die zwar Gelegenheit zu sinnvoller Lebensgestaltung böte, in Wirklichkeit aber das existenzielle Vakuum nur noch mehr zutage treten lässt…Und so ist denn auch verständlich, wenn Jerry Mandel sagt: „Die Technik hat uns erspart, all unsere Fähigkeiten für den Kampf ums Dasein einzusetzen. So haben wir einen Wohlfahrtsstaat entwickelt, der garantiert, dass man ohne persönliche Anstrengung am Leben bleiben kann.“
Vgl. auch Volkskrankheit Depression – Bedeutung von Politik & Gesellschaft
Der Lebenssinn des Menschen ist in ihm selbst zu finden
Frankl betont, dass der Lebenssinn eines Menschen nicht von Außen an ihn herangetragen wird. Ganz im Gegenteil: Jeder Mensch muss seinen individuellen Lebenssinn für sich finden. Und genau darin liegt eben auch die Schwierigkeit in einer pluralen Gesellschaft.
Wir haben viel mehr Auswahlmöglichkeiten und Optionen, uns selbst zu verwirklichen oder Entscheidungen zu treffen, als jemals zuvor. Und genau das macht es aber auch schwierig, den Lebenssinn zu finden. Darum muss eben jeder für sich selbst schauen, was denn eigentlich das Richtige für ihn ist.
Frankl hebt hervor: Es gibt kein Dogma für den Sinn eines Menschen. Jeder muss sich selbst auf die Suche nach Sinn begeben.
Frankls 3 Wege, Sinn zu stiften
Jetzt glaubt Frankl daran, eine Selbstverwirklichung und Sinnsuche des Menschen sei nur über 3 Wege möglich ist:
im Dienste einer Sache, zum Beispiel wenn Du ein großes Werk schaffst
Erfüllung in einer Aufgabe findest (Tat, Handlung)
in der Liebe zu einer Person, z.B. in der Ehe
„Im Dienst an einer Sache oder in der Liebe zu einer Person erfüllt der Mensch sich selbst. Je mehr er aufgeht in seiner Aufgabe, je mehr er hingegeben ist an seinen Partner, um so mehr ist er Mensch, um so mehr wird er selbst. Sich selbst verwirklichen kann er also eigentlich nur in dem Maße, in dem er sich selbst vergisst, in dem er sich selbst übersieht.
Auf der Suche nach dem Sinn leitet den Menschen das Gewissen. Mit einem Wort, das Gewissen ist ein Sinn-Organ. Es ließe sich definieren als die Fähigkeit, den einmaligen und einzigartigen Sinn, der in jeder Situation verborgen ist, aufzuspüren.“
Fazit: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn
Viktor Frankl liefert so viele Impulse und so viele Inspirationen, dass ich Dir dieses Buch nur wärmstens ans Herz legen kann. Auch in Krisensituationen. Und auch wenn keine Krisensituation vorliegt. Das Buch hat es echt in sich.
Zum Abschluss daher noch ein bedeutsames Zitat von Frankl aus dem Buch:
„Je mehr er nach Glück jagt, um so mehr verjagt er es auch schon. Um dies zu verstehen, brauchen wir nur das Vorurteil zu überwinden, dass der Mensch im Grund darauf aus sei, glücklich zu sein; was er in Wirklichkeit will, ist nämlich, einen Grund dazu zu haben. Und hat er einmal einen Grund dazu, dann stellt sich das Glücksgefühl von selbst ein.
In dem Maße hingegen, in dem er das Glücksgefühl direkt anpeilt, verliert er den Grund, den er dazu haben mag, aus den Augen, und das Glücksgefühl selbst sackt in sich zusammen. Mit anderen Worten, Glück muss er-folgen und kann nicht er-zielt werden.“
Mehr philosophische Inspiration zum Glück findest Du hier: Innere Zufriedenheit & Glück (Philosophie) – Was ist Glück?