Trauer & Depression – Symptome, Bedeutung & Unterschiede

Trauer und Depression zu unterscheiden, ist nicht einfach und zudem umstritten: Wann ist es zu viel an Trauer? Im folgenden Text werfen wir einen Blick darauf, wie die Psychologie zwischen Depressionen und “normaler” Trauer differenzieren will.

Trauer oder Depression?

Trauer oder Depression?

Depressive Verstimmung können eine Trauerreaktion sein, aber auch zu einer Depression auswachsen. Zudem kann infolge der Trauer auch eine Trauerstörung entstehen, die ähnliche Leiden auslöst.

 

Wann wird Trauer zur Depression?

Trauer und Depression sind sich verdächtig ähnlich. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen normaler Trauer und behandlungsbedürftiger Traurigkeit, also Depressionen.

Obwohl sich die depressive Erkrankungen im Erlebnisgehalt kaum von Trauer und Traurigkeit zu unterscheiden scheinen, werden sie als psychische Störung angesehen, da sie ohne erkennbaren Anlass sozusagen ein Eigenleben führen. Bereits Sigmund Freud unterschied zwischen typischer Trauer und pathogener Melancholie.

So sind unproblematische Varianten von Trauer als normale Reaktionen auf bestimmte Umstände zu verstehen. Traurigkeit und Trauer sind Teil des menschlichen Lebens, können unter Umständen aber auch behandlungsbedürftige Formen annehmen. 

 

Warum trauern wir?

Trauer ist eine natürliche, emotionale Reaktion auf Verlust, Trennung oder Enttäuschung (Tod, Beziehungsende, Kündigung etc.).

Sie kann sich nicht nur von Person zu Person unterschiedlich ausdrücken (Weinen, Rückzug, Angst, Wut), sondern auch verschiedene Intensitäten annehmen. Hinzu kommt: Im Gegensatz zum Gefühl der Traurigkeit ist Trauer eine Stimmung (= länger anhaltend) und ein Prozess. 

 
Bei der Trauer ist die Welt arm und leer geworden, bei der Melancholie ist es das Ich selbst.

Der Kranke schildert uns sein Ich als nichtswürdig, leistungsunfähig und moralisch verwerflich, er macht sich Vorwürfe, beschimpft sich und erwartet Ausstoßung und Strafe.

Er erniedrigt sich vor jedem anderen, bedauert jeden der Seinigen, daß er an seine so unwürdige Person gebunden sei.

Er hat nicht das Urteil einer Veränderung, die an ihm vorgefallen ist, sondern streckt seine Selbstkritik über die Vergangenheit aus; er behauptet, niemals besser gewesen zu sein.
— Sigmund Freud, 1917
 

Trauer oder Depression – Unterschied

Trauer und Depression sollen sich in mehreren Aspekten unterscheiden. 


1) Ursache

Trauer tritt auf, wenn eine Person einen Verlust erleidet, sei es durch den Tod eines geliebten Menschen oder etwas anderes, wie zum Beispiel den Verlust des Arbeitsplatzes.

Während Trauer in der Regel von einer bestimmten Ursache ausgelöst wird und eine normale menschliche Reaktion darstellt, ist Depression eine psychische Störung, die sich nach offiziellen Diagnose-Richtlinien ohne erkennbaren Grund entwickeln kann.


2) Dauer

Die Symptome von Trauer sind normalerweise zeitlich begrenzt und klingen im Laufe der Zeit ab, während Depressionen anhaltend sein können. 


3) Symptome

Eine Depression geht vor allem weit über Trauergefühle hinaus und weist weitere Symptome auf, wie z.B Selbstmordgedanken, Hoffnungslosigkeit, Müdigkeit oder quälende Gefühllosigkeit.

Während sich die Gedanken und Gefühle bei der Trauerreaktion hauptsächlich um die verstorbene Person und den damit einhergehenden Verlust drehen, sind die Gefühle und Gedanken bei einer Depression eher auf das Selbst bezogen.

 

Trauer

  • Verlust oder Trennung, ein belastendes Ereignis

  • Zeitlich begrenzt, selbstlimitierend

  • Traurigkeit

  • Appetitmangel

  • Schlafprobleme

  • Gedanken an Verlorenen

Depression

 

Wie viel Trauer ist normal?

Die Debatte, wann und wie zwischen gesundem und krankhaftem Verhalten zu trennen ist, hält seit Langem an. Manche Experten gehen davon aus, dass depressive Zustände eine Schutzfunktion haben können, indem sie vor noch schmerzhafteren Emotionen bewahren bzw. den Organismus zu einer “Auszeit” zwingen.

Die Betroffenen selbst leiden allerdings extrem. Zudem beeinträchtigen Depressionen nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern haben auch soziale Auswirkungen, die ein normales Arbeits- und Familienleben behindern und in vielen Fällen auch zerstören.

Die Klassifikation als psychische Krankheit ist nicht ausschließlich von eindeutigen Symptomen abhängig, sondern auch von sozialen Aspekten. Zum Beispiel spielt die Interaktion zwischen Betroffenen und Umfeld eine Rolle. 

Und noch mehr die Kenntnis der Biografie der erkrankten Person. Während einige Fälle und Ausprägungen der Depression für die Fachgemeinschaft schnell ersichtlich und verständlich sein können, sind andere schwer zugänglich oder werden gar nicht erkannt. Mehr erfahren » Depression: Gesellschaftliche Ursachen & Determinanten

 

Wann wird aus Trauer eine Trauerstörung?

Kriterien der anhaltenden Trauerstörung 

  • Zentral: der erlebte Verlust und der intensive Trennungsschmerz

    • Verlust durch Tod

    • Trennungsschmerz: Sehnsucht oder Verlangen (physischer oder psychischer Schmerz); täglich oder in belastender Intensität

    • Kognitive, emotionale oder verhaltensauffällige Symptome

  • Mindestens 5 der folgenden Symptome:

    • Verwirrung über die eigene Rolle im Leben oder ein vermindertes Gefühl von Selbst (als ob ein Teil von sich selbst gestorben wäre)

    • Schwierigkeiten, den Verlust zu akzeptieren

    • Vermeidung der Erinnerung an den Verlust

    • Schwierigkeit, anderen zu vertrauen

    • Verbitterung oder Wut in Bezug auf den Verlust

    • Schwierigkeiten, das Leben weiterzuführen (neue Freunde, Hobbys etc.)

    • Gefühlstaubheit

    • Empfindung, dass das Leben unerfüllt, leer und bedeutungslos ist

    • Gefühl von Schock, Benommenheit und Betäubung

  • Seit dem Verlust sind mindestens 6 Monate vergangen.

  • Die Störung verursacht klinisch signifikante Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen Lebensbereichen.

  • Die Störung kann nicht besser durch depressive Störungen, generalisierte Angststörungen oder durch eine posttraumatische Belastungsstörung erklärt werden.

 

Die Trauer-Depression – trauern und depressiv werden

Trauer kann Depressionen auslösen

Eine Depression liegt in Trauer-Fällen dann vor, wenn die Symptome durch eine Depression besser beschrieben werden können, d. h.:

  • Antriebsstörungen, motorische Hemmung

  • Gefühllosigkeit, Freudlosigkeit

  • dauerhaft niedergedrückte Stimmung mit Morgentief, Selbstabwertung, Gefühl der Wertlosigkeit

  • Grübeln und Gedankenkreisen können nicht durch Ablenkung unterbrochen werden

  • Selbstmordgedanken, die vor allem mit der Belastung durch die Symptome einer Depression verbunden sind und sich von Todeswunschgedanken unterscheiden, welche motivational Ausdruck der Sehnsucht nach dem Verstorbenen sind

Zeitkriterium beachten: min. 2 Wochen Vorliegen der Symptome. Eine schwere depressive Störung liegt auch bei Schuldwahn oder Verarmungswahn vor.

 

Antizipatorische Trauer (vorweggenommene Trauer)

Antizipatorische Trauer beschreibt Trauer Zustände, die eine Person empfindet, bevor ein erwarteter Verlust eintritt. Oft leiden Menschen darunter, die wissen, dass sie eine schwere oder lebensbedrohliche Erkrankung haben oder dass ein geliebter Mensch dem Tode nahe ist. 

Diese Art von Trauer kann sich in verschiedenen Symptomen wie Angst, Besorgnis, Herzschmerz, Erschöpfung und Reizbarkeit manifestieren. Siehe auch Angst erleben – die phänomenologische Struktur der Angst.

Wichtig: Bei antizipatorischer Trauer trauerst du nicht nur um einen geliebten Menschen, sondern auch um all die Momente, die dieser nicht bei dir sein wird: Hochzeit, berufliche Erfolge, Kinder etc..

Darüber hinaus darf der Begriff Trauer auch weiter gefasst werden: Menschen trauern ebenso sehr um verlorene Hoffnungen, sterbende Träume oder unerfüllte Erwartungen, wie um Lebewesen (z.B. Haustiere). 

 

Fazit: Trauer oder Depression?

„Als Leitschnur für die diagnostische Einordnung von Menschen nach einem schwerwiegenden Verlust kann gelten, dass Trauernde und Depressive sich in ihren Gefühlen ähneln, sich hingegen in ihren Gedanken unterscheiden“ (4)

Das will ich hiermit unterstreichen und zugleich das Augenmerk auf das Wörtchen “ähneln” lenken: Depressionen sind nicht genau wie Trauer, sondern damit noch am ehesten vergleichbar. 

» Folgen von Depressionen – körperlich, psychosozial, beruflich


Quellen:

1) Thomas Müller: Trauernde Menschen haben andere Symptome als Depressive
2) Christine Pernlochner-Kügler: Ist das noch Trauer oder doch eine Depression?
3) Urs Münch: Wann wird Trauer pathologisch?
4) Joachim Wittkowski und Rainer Scheuchenpflug: Evidence on the conceptual distinction of grief from depression: A multi-faceted analysis of differential validity. European Journal of Health Psychology
5) Lena Rupp: Differenzialdiagnose der Depression: Trauern um die Lebenden

Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hi, ich bin Tamara, freie Journalistin & studierte Philosophin (Mag. phil.). Hier blogge ich über persönliche Erfahrungen mit Depressionen & Angst – und untersuche psychische Phänomene aus einer dezidiert philosophischen Perspektive. Zudem informiere ich fachkritisch über soziale Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Missstände, die uns alle betreffen.

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