Was bei Panik hilft #1
Wie die Lippenbremsen-Atmung (LBA) hilft
Dieser Beitrag bietet Anregungen
zur Selbsthilfe. Er ersetzt keine Psychotherapie.
Die Lippenbremsen-Atmung (LBA) ist mE die effektivste und direkteste Methode zur Bewältigung von Erregungszuständen, Ängsten und Panikattacken. Sie setzt genau dort an, wo die Panik entsteht: an deiner Atmung und deinen physiologischen Prozessen. Du kannst sie vor allem immer und überall anwenden.
Dieser erste Beitrag gibt dir einen Überblick über die Thematik. In den folgenden Videos und Texten werde ich meine Behauptungen genauer begründen und dich beim Üben begleiten.
Einen Überblick über alle Teile dieser Reihe findest du hier: Auswege bei Panik & Angst
Andere Therapie-Verfahren
Entspannungsmethoden wie Jacobson- oder Autogenes Training
verstärken nach meiner Erfahrung die Selbstbeobachtung und damit die Panik. Hilfreich sind sie eher mittel- und langfristig, indem sie den allgemeinen Stresspegel reduzieren und die Resilienz erhöhen können.
Verhaltenstherapeutische Exposition
wird gern als Allheilmittel in der verhaltenstherapeutischen Panikbehandlung gehandelt - und leider nicht selten pauschal und unkritisch angewendet.
Achtung: Neukonditionierung!
Eine allzu schnelle und massive Annäherung an den Panikauslöser geht oft mit einer Neuverstärkung oder gar Retraumatisierung einher. Das Risiko dabei: Erwartungsangst und Erregungsniveau schießen in die Höhe! So habe ich es immer wieder erlebt, dass Patientinnen nach einer stationären Verhaltenstherapie zwar erfolgreich wieder Fahrstuhl fahren, das Haus verlassen oder den Bus benutzen können. Sie zahlen jedoch oftmals für ihren “Erfolg” mit einer chronischen Über-Erregtheit und Nervosität, mit Schlafstörungen und großen Erwartungsängsten.
Dieses Phänomen beachten und kennen viele heutige Behandlerinnen gar nicht mehr; man nennt es Napalkov-Phänomen.
Hier gibt’s mehr über die Gefahr von Neukonditionierungen!
Die (meta-) kognitiven Ansätze der VT
gehen zwar die angsterzeugenden Gedanken (Kognitionen) auf direktem Wege an und versuchen sie zu verändern.
Achtung: Subtext!
Die erste Schwierigkeit, die ich sehe, ist diese: Auch ein offensichtlich positiver Gedanke, zum Beispiel:
Es ist schon besser!
setzt weitere Kognitionen in Gang, die nicht automatisch positiv wirken. Diese können nämlich einen Subtext haben, der die Bedeutung völlig umdreht, bspw.:
Hoffentlich bleibt es jetzt auch so …??!
Achtung: Das ewige Problem von Ursache und Folge!
Das zweite Problem: Die These einer „kognitiven Mechanik“ – sprich, dass die Gedanken für die Panik ursächlich sein sollen – ist für viele nicht überzeugend, für mich auch nicht. Denn die Gedanken, die auf mich einströmen, können schließlich auch die Folge der Panik sein! Eine Panik ist ein subjektiv existenzbedrohender Zustand, der natürlich auch Katastrophen-Gedanken auslöst!
Tiefenpsychologische und psychoanalytische Methoden
zielen, indem sie eher nach historischen Ursachen suchen, nicht direkt auf die unmittelbare Bewältigung der Panik. Genau mit dieser Hinwendung zu tieferen Ebenen der Person - zB Diagnostik einer infantil-sexuellen Genese, eines mächtigen Über-Ichs oder Deutung unbewusster Konflikte - erschaffen sie geradezu weitere vermeintliche Störungsfelder, die wohl meist eher zur zusätzlichen Destabilisierung beitragen dürften. Mit anderen Worten:
Wenn du wegen Panikattacken Hilfe suchst, kann es dir passieren, dass du plötzlich noch ein Problem mehr hast! Deine Panik bist du aber noch nicht losgeworden …
Humanistische oder non-direktive Verfahren
wie Gestalttherapie, Körpertherapie, Gesprächstherapie, Psychodrama fokussieren bspw Prozesse der Selbstverwirklichung, der leiblichen Blockaden, der organismischen Selbstregulation, des Emotionsausdrucks, des Hier-und-Jetzt, um nur einige zu nennen.
Akutes Panikgeschehen wird ebenfalls nicht mittels konkreter Bewältigungsstrategien behandelt.
Patienten bleiben mit ihrer Angst und Panik allein!
Gleichwohl können alle diese Methoden zu einer allmählichen Besserung der Panikstörung führen. Aber ich finde, sie lassen die Patientin mit dem Horror ihrer Panikerlebnisse ganz schön allein. Sie fordern von ihr Durchhaltevermögen. Der Patient muss sich gedulden, bis irgendwann Linderung der Panik eintritt.
In den Videos und Texten, die ich dir in den weiteren Folgen präsentiere, bringe ich dir diese Atemtechnik Schritt für Schritt bei.
In diesem 1. Beitrag gebe ich dir eine Einführung in die LBA-Technik. Hier kannst du dir das dazu gehörige Video angucken.
Mein persönlicher Weg zur Lippenbremsen-Atmung
Ich bin selbst betroffen.
Mit etwa 20 Jahren wurde bei mir eine Reizleitungs-Störung im Herzen diagnostiziert. Diese führte zu massivem Herzrasen, welches mit einem starken Engegefühl in der Brust und der Gewissheit einherging, dass ich sofort sterben müsste. Diese Anfälle bedeuteten eine knappe Stunde Todesangst.
Die verschiedenen Kardiologen auf meinem Weg gaben mir keinerlei Hilfestellung, außer solchen Rat-Schlägen wie: Da passiere schon nix! Ich solle mich eben entspannen, vielleicht mal eine Psychotherapie machen!
Also habe ich selbst alles Mögliche ausprobiert.
Im Rahmen meiner Therapie-Ausbildungen machte ich Lehrtherapien. Dabei kamen sehr unterschiedliche Ansätze zur Anwendung: Autogenes Training, Progressive Muskel-Entspannung, Gestalt- und Körpertherapie, Atemtherapie, Verhaltenstherapie mit Desensibilisierung, kognitiven Ansätzen, Tiefenpsychologische Therapie. Auch versuchte ich Akkupunktur, Homöopathie, ging zu verschiedenen Heilpraktikern, ließ mir die Amalgam-Plomben entfernen. Na ja … Ich lernte so Manches über mich und das Leben, aber:
So richtig geholfen hat eigentlich nichts.
Statt Unterstützung erhielt ich …
… nett gemeinte Belehrungen, die genau betrachtet eher Beschuldigungen waren: dass nämlich meine unbewussten Konflikte schuld seien, dass ich zu gepanzert sei, nicht loslassen könne, kognitiv vermeide, zu narzisstisch und zu perfektionistisch sei. Natürlich waren auch meine Chakren verstopft, mein Karma war geschwächt, meine Aura löchrig.
Nachdem ich so viele „Wahrheiten“ über mich erfahren habe, blieb mir nur noch eins:
Ich musste selbst einen Weg suchen …
…, den ich tatsächlich gefunden habe, und zwar mit Hilfe meiner vielen Patienten. Wie heißt es doch so schön? Normale Patientinnen brauchen ein bis zwei Therapiestunden pro Woche, wir Therapeuten 20 - 30!
An deren Beispiel sprang mir immer mehr ins Auge:
Das Geheimnis ist die Atmung!
Das Problem:
Unser aller Ausatmen ist gestört!
Ich entdeckte nämlich an meinen Patientinnen – und dadurch auch an mir,
dass wir alle falsch atmen!
dass insbesondere das Ausatmen mit einem Tabu belegt ist!
Aber warum ist das so?? Warum atmen wir falsch? Was ist das für ein merkwürdiges Tabu?
Meine Antwort lautet:
Hör- und sichtbares Ausatmen ist ein soziales Tabu!
Wir dürfen nicht ausatmen - zumindest nicht sicht- oder hörbar!
Denn über das Ausatmen offenbaren sich starke Gefühle, vor denen unsere soziale Gemeinschaft offenbar Angst hat. Denn:
Wer laut und deutlich ausatmet, …
… ist aggressiv (natürlich unangemessen!)
… oder lüstern (und vermutlich Exhibitionist!)
… oder schwach
… oder krank (und sollte nicht frei raumlaufen!)
… oder ein Jammerlappen
… oder eine Schlampe (neudeutsch: bitch)
… oder hat sich nicht im Griff!
Du glaubst mir nicht?
Dann probiere es doch einfach mal aus:
Atme in einem Seminar laut aus!
Wie fühlst du dich dabei?
Wie reagieren die Leute?
Stöhne doch mal so richtig genüsslich in der Supermarkt-Kassenschlange!
Kannst du dich dazu überhaupt überwinden?
Was würdest du denken und fühlen, wenn jemand anders so atmen würde?
Keuche kräftig, wenn du mit Anderen einige Treppen hochsteigst, so dass alle dich hören!
Was, meinst du, könnten die anderen über dich denken?
Ist es ok für dich, wenn die anderen mitkriegen, wie sehr du dich anstrengen musst?
Und wie ist es beim Sport und beim Sex??
Bist du sicher, dass du frei atmest?
Oder ist es doch besser, wenn du ein wenig deinen Bauch einziehst? Das sieht doch gleich viel besser aus, oder?
Das Folgende wirst du mir ganz bestimmt nicht glauben!
Es gibt nur eine Situation, in der freies Ausatmen wirklich erlaubt ist: beim Rauchen. Nachdem du inhaliert hast, darfst du den Rauch genüsslich hörbar (und sichtbar!) aus dir herausströmen lassen. Du darfst ihn aus dir hinauspusten, darfst dabei stöhnen, keuchen und freudige Laute ausstoßen.
Also folgerte ich:
Rauchen ist eine Atemtherapie!
Die meisten Panikpatienten, die ich kennen gelernt habe, haben geraucht. Obwohl die Inhaltsstoffe alle physiologischen Parameter in die Höhe treiben und somit die Panik verstärken müssten, empfinden Patientinnen das Rauchen als beruhigend.
Das liegt daran, dass das Ausatmen beim Rauchen der LBA sehr ähnlich ist.
By the way:
Rauchen ist natürlich ungesund.
Deshalb verlangen Ärzte und Therapeutinnen als ersten Schritt, mit dem Rauchen aufzuhören. Das ist aus ihrer Sicht verständlich, aus meiner Sicht jedoch ignorant:
Denn das heißt, dem oder der Hilfesuchenden die einzige Bewältigungsstrategie zu entziehen, die ihnen Linderung verschafft!
Vielmehr kann der Akt des Rauchens genutzt werden, um die LBA zu erlernen. Und danach kann man dann versuchen, mit dem Rauchen aufzuhören.
Also, liebe Therapeuten und Psychiaterinnen:
Verbietet euren Panik-Patienten bloß nicht das Rauchen!
Falsches Atmen macht Probleme!
Aufgrund des Atem-Tabus haben wir alle falsches Atmen verinnerlicht. Das ist uns im Alltag nicht bewusst, weil wir uns alle daran gewöhnt haben. Aber in bestimmten Situationen führt dieses falsche Atmen zu Panikattacken und Erregungszuständen.
Du produzierst die Panik selbst!
Egal, woher die Panik kommt,
ob sie akut auftritt,
ob sie die Folge eines Traumas ist,
ob sie wegen deiner Phobie vor Hunden, Erbrechen, Erröten, Höhen, engen Räumen, Tunneln, Freitag dem 13. zustande kommt,
ob du Panik kriegst, wenn du das Haus verlassen musst oder
den Herd nicht 25 Mal kontrolliert hast,
ob sie während einer Psychose auftritt oder
wegen funktionellen Herzproblemen:
Die Panik entsteht akut in jedem Moment durch dein falsches Atmen neu!
Die Lösung
Du kannst die Panik jederzeit mit LBA beenden!
Lippenbremsen-Atmung (LBA) hilft dir bei Panik und starker Erregung, weil sie genau dort ansetzt, wo physiologisch Erregung und Panik entstehen. Entstehungsort der Panik und Wirkungsort der LBA sind ein und derselbe.
Panik ist ein physiologischer Vorgang!
Hier nur so viel:
Das falsche Atmen führt zu einem Ungleichgewicht der Sauersoff-Kohlendioxid-Balance (O2-CO2) im Blut.
Genaueres erkläre ich dir dazu später, siehe unten:
Die Titel der weiteren Folgen:
Panik #5: Wie du die Lippenbremse bei starker Erregung, Panik, körperlichen Funktionsstörungen und Sport einsetzt
Viel Erfolg!