Depression: Symptome bei Frauen – Die weibliche Depression

Frauen haben bei Depressionen etwas andere Symptome als Männer, was unter anderem auf der unterschiedlichen Sozialisierungen der Geschlechter beruht. Und Frauen werden doppelt so häufig depressiv. In der Psychiatrie ist daher von weiblicher Depression (female depression) die Rede.

Depression: Symptome Frauen

Arten der Female Depression

  • Prämenstruelle Depression (PMD)

  • Pränatale Depression

  • Postnatale Depression

  • typische Depression

 

Weibliche Depression – Was ist das?

Die sogenannte female depression ist ein Begriff aus Fachdiskursen. Nach epidemiologischen Daten sind Depressionen weltweit nämlich „weiblich“ geprägt: Frauen haben ein 2- bis 3-fach erhöhtes Risiko, im Verlauf des Lebens an depressiven Störungen zu erkranken.

Die Hintergründe: geschlechtsspezifische biologische, intrapsychische und psychosoziale Risikofaktoren der Depression. Evtl. auch interessant für dich, die Depressionen von Jenny Marx, Harriet Taylor Mill, Mary Wollstonecraft, Virginia Woolf

 

Erhöhtes Depressionsrisiko für Frauen beginnt in der Pubertät

Das Risiko einer Depressionserkrankung bei Frauen steigt in der Pubertät an, persistiert bis in das mittlere Erwachsenenalter und gleicht sich mit zunehmendem Alter den Männern wieder an.

Diese Beobachtung ist aufschlussreich: Die Diskrepanzen bei den Depressionsraten nehmen in der Pubertät ihren Anfang – also dann, wenn Jungen und Mädchen in ihre jeweiligen sozialen Rollen hineinwachsen und sich mit den geschlechtsspezifischen Erwartungen in der Gesellschaft auseinandersetzen.

 

Anzeichen der Depression bei Frauen:

  • Verdauungsprobleme (Magen-Darm-Beschwerden)

  • Menstruationsstörungen

  • anhaltende Schlafprobleme

  • starker Gewichtsverlust

  • ständiges Grübeln, (Gedankenkarussell)

 

Inhaltsverzeichnis:


Wie äußern sich Depressionen bei Frauen?

Wie äußern sich Depressionen bei Frauen?

Viele Frauen mit Depressionen haben psychosomatische Beschwerden, insbesondere unbestimmte Schmerzen, Verdauungsprobleme, Magen-Beschwerden, Menstruationsbeschwerden sowie Appetitlosigkeit und starker Gewichtsverlust. 

Es heißt auch, Frauen berichten generell von mehr Symptomen und sie neigen häufiger zum Weinen.

Vgl. auch: Depression bei Männern: Wut auf Partner – Vorwürfe & Streit

  • Haben Männer andere Symptome als Frauen? Kommt darauf an, in jedem Fall können die Depressionssymptome variieren. Zwar sind bei beiden Geschlechtern die extreme Antriebshemmung und der Verlust an Lebensfreude auffällig, doch Männer tendieren eher zu Symptomen von: 

    • schneller Irritierbarkeit

    • Aggressivität 

    • Missachtung und Verletzung der Rechte anderer

    • Feindseligkeit

    • Risikoverhalten

    • Sucht (Arbeitssucht, Alkohol, Drogen, Spielsucht)

  • In den letzten Jahren kam deshalb das Konzept „male depression“ auf: demnach zeigen Männer häufiger atypische Depressionssymptome mit externalisierendem Charakter. Diese überlagern die üblichen depressiven Anzeichen, so dass die Depression schwer zu erkennen ist.

    Interessanter Ansatz! Spiegelt sich aber nicht in der offiziellen Diagnostik wider. Darum auch die anhaltende Diskussion darüber, ob dieser Umstand zu einer Unterschätzung der Prävalenz von Depressionen bei Männern führt.

 
Werden Frauen wirklich häufiger depressiv?

Werden Frauen tatsächlich häufiger depressiv?

Frauen in Deutschland erkranken mindestens doppelt so häufig an Depressionen wie Männer. Aber nicht nur hier, auch weltweit gesehen gibt es im Vergleich 2- bis 3-fach so viele diagnostizierte Depressionen bei Frauen.

Experten sind der Ansicht, das läge nicht nur an Stereotypen (Frauen holen sich bereitwilliger Hilfe), sondern auch an spezifischen Belastungsfaktoren durch das gesellschaftliche Rollenbild. 

Wie viele Frauen haben Depressionen?

Laut dem Gesundheitsbericht des RKI von 2013 (1), lag die 12-Monatsprävalenz für Depressionen zwischen 2008 und 2011 für Frauen bei 8,1 % und für Männer bei 3,8 %. 

Das Faktenblatt der Stiftung Deutsche Depressionshilfe von 2018 zeigt, dass die Zahlen weiter gestiegen sind: 11,3 % der Frauen und 5,1 % der Männer.

Warum erkranken Frauen häufiger an Depressionen?

Ursachen der Depression bei Frauen

Allem voran scheint Stress sich extrem negativ auf die psychische Gesundheit auszuwirken. Psychosoziale Belastungen sind bei der Entstehung von Depressionen oft ein entscheidender Faktor. (Auch wenn das kaum kommuniziert wird!)

Dazu zählen negative Lebensereignisse: Tod, Trennung, Jobverlust oder eine schwere Krankheit. Doch auch positive Veränderungen erzeugen Stress: Geburt eines Kindes, Hochzeit, Beförderung.

 

Biologische Ursachen für Depressionen bei Frauen

Viele Ärzte und Laien glauben, die stärkere Depressionsgefahr bei Frauen sei ihrer speziellen Biologie geschuldet.

Sie sind im Laufe des Lebens immer wieder starken Hormonschwankungen ausgesetzt.

Zum Beispiel: während der Regelblutung (prämenstruelles Syndroms), bei Schwangerschaften, im Wochenbett (im Sinne von postpartalen Depressionen), in der Stillzeit oder den Wechseljahren.

Konkret könnte die unterschiedliche Dichte an Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren sowie die geschlechtsspezifisch unterschiedliche Konzentration von Monoaminooxidase eine Rolle spielen.

 

Höhere Stressempfindlichkeit als Depressionsursache?

In der Neurobiologie wird vermutet, dass das Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-System bei Frauen stärker auf Stress reagiert, als es bei Männern der Fall ist. Meist wird das auf die kontinuierliche wechselnde weibliche Hormonsituation zurückgeführt.

 

Heutiger Forschungsstand

Genetische & biologische Faktoren haben kaum Einfluss

Genetische oder biologische Ursachen spielen bei der Entstehung von Depressionen bei Frauen eher eine marginale Rolle. Beispielsweise wurde festgestellt, dass Frauen, die nach der Geburt eines Kindes an einer postpartalen Depression leiden, oft schon in der Vergangenheit depressiv waren und sich derzeit von ihren Partnern nicht ausreichend unterstützt fühlen.

In solchen Fällen wird das Auftreten von postpartalen Depressionen oft fälschlicherweise auf hormonelle Veränderungen oder die Anpassung an die neue Lebenssituation zurückgeführt.

Dabei spielen Risikofaktoren, die über die Geburt hinausgehen, eine Rolle und erklären im Allgemeinen die Häufung von Depressionen bei Frauen: mangelnde soziale Unterstützung und frühere depressive Episoden.

 
Depressionen bei Frauen: Genderbias verzerrt Ergebnisse

Genderbias bei der Diagnosestellung

Auch wenn den biologischen Faktoren großer Einfluss zukommt geht die Forschung davon aus, das auch eine „künstliche Differenz“ (durch unterschiedliche Beurteilung von Männern und Frauen) in der Diagnose zu verzerrten Zahlen führt.

Im Klartext: Auch die Fachmenschen, die Diagnosen stellen oder nicht stellen, sind von ihren geschlechtsspezifischen Vorannahmen beeinflusst. In der Regel kann das tatsächlich dabei helfen, Depressionen bei Frauen zu erkennen. Es kann aber auch dazu führen, dass Depressionssymptome als “normale weibliche Empfindlichkeit” abgetan werden.

 

Sozialer Status & die weibliche Depression

Allgemein wird bei Frauen und Männern mit niedrigem sozioökonomischen Status häufiger eine Depression diagnostiziert.

Bei Frauen mit niedrigem Sozialstatus beträgt die Häufigkeit der Depression 11,7 % – ca. doppelt so hoch wie bei Frauen mit hohem Status (6,9 %). Arbeitslose Frauen leiden zu 12 % an Depressionen im Vergleich zu erwerbstätigen Frauen (6,9 %). Das erklärt auch, warum Frauen im Berufsleben seltener erkranken: sie haben einen besseren ökonomischen Status. Mehr erfahren » Depression: Gesellschaftliche Ursachen & Determinanten

Vgl. auch: Klassismus in der Psychotherapie – Gesundheitliche Ungleichheit: Armut und DepressionGrenzüberschreitungen in der Psychotherapie

 

Soziale Risikofaktoren bei Frauen 

  • Mehrfachbelastung durch Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf

  • zwischenmenschliche Konflikte

  • Armut, schlechte finanzielle Lage (Alleinerziehende)

  • finanzielle Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt

  • geringe soziale Unterstützung

  • verminderter Selbstwert

  • Gewalterfahrungen

 

Corona-Pandemie: Verfestigung tradierter Rollenbilder

Momentan ist der Mütter-Burnout in aller Munde. Laut einer Befragung des WSI gaben etwa 30 % der berufstätigen Mütter an, im November 2022 insgesamt „äußerst“ oder „stark“ belastet gewesen zu sein. Aufgaben in der Kinderbetreuung und im Haushalt übernehmen nach wie vor hauptsächlich Frauen – auch wenn sie einer Erwerbsarbeit nachgehen.

Depressionsformen bei Frauen

Prämenstruelle Depression (PMD)

Das prämenstruelle Syndrom (PMS) verursacht oft körperliche und psychische Beschwerden: Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit und schnelles Weinen sind Zeichen der erhöhten Sensibilität. Bei einigen Frauen kommt es zu stark ausgeprägten depressiven Symptomen. In diesem Fall sprechen Mediziner*innen von einer prämenstruellen Depression (PMD).

Pränatale Depression

Jede 10. leidet während der Schwangerschaft unter einer Depression. Besonders anfällig sind Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft depressive Episoden erlebt haben. Auslöser sind meist neben dem veränderten Hormon-Haushalt: Bewusstsein über Veränderungen in Bezug auf Beruf, Partnerschaft und Lebensplanung sowie gesellschaftlicher Druck (“die glückliche Schwangere”).

Postnatale Depression

Ca. 15 % erleiden eine postnatale Depression. Dabei kommen Schuldgefühle besonders häufig vor. Betroffene klagen über ein schlechtes Gewissen, weil sie sich nicht richtig über das Baby freuen können und das Ideal der „glücklichen Mutter“ nicht erfüllen können.

Co-Depressionen

Depressionen belasten die Liebe & Partnerschaft in extremen Ausmaßen. Die gesunden Partner beherrschen oft Gefühle der Ohnmacht, Verzweiflung und Angst. Leider entwickelt jede und jeder 2. Angehörige eine Depression (Co-Depression), wenn die Last zu lange andauert. Vgl. Depressionen beim Partner erzeugen Stress, Überforderung und Probleme

 

Die „Silent-the-self“-Theorie

Eine bekannte These über das erhöhte Depressionsrisiko bei Frauen besagt: In ihrer Erziehung werden Frauen oft dazu angehalten, ihre persönlichen Bedürfnisse hinter die ihres Partners, ihrer Kinder und der Familie zu stellen. Insbesondere in Beziehungen neigen viele Frauen dazu, ihre eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken, um Harmonie zu wahren.

Dieses kontinuierliche Ignorieren der eigenen Wünsche kann dazu führen, dass sich Frauen innerlich ausgehöhlt fühlen, verstummen und in eine innere Leere schlittern, die in einer Depression münden kann.

Besonders die Furcht, eine Beziehung zu verlieren, führt oft dazu, dass Frauen sich selbst zum Schweigen verpflichten. Studien in verschiedenen Kulturen haben diese Theorie beleuchtet und festgestellt, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Grad der Selbstunterdrückung und der Schwere einer Depression besteht.

Fazit: Depressionssymptome Frauen

Das erhöhte Depressionsrisiko bei Frauen auf reine Biologie zurückzuführen, ist nicht nur falsch, sondern auch überholt, naiv und stigmatisierend.

Vgl. Stigmatisierung in der Psychiatrie: Ignoranz & andere Übel – Philosophie der Psychiatrie: Grundlagen & Bedeutung

Wie sehr Frauen weltweit, aber auch in unserem modernen Deutschland von strukturellen Ungleichheiten betroffen sind und damit ein extrem erhöhtes Depressionsrisiko besitzen, zeigt zum Beispiel das Buch der Feministin Beatrice Frasl: „Patriachale Belastungsstörung“ (siehe Fachbücher über Depressionen) gut verständlich auf.

Eine wesentliche Ursache, warum Frauen häufiger an Depressionen und Angststörungen erkranken als Männer, sind ganz offensichtliche, stereotype Rollenbilder. Frauen haben mit einer Vielzahl an strukturellen und damit existenziellen Nachteilen zu kämpfen:

  • Defizit an ökonomischer Sicherheit

  • körperliche und psychische Gewalt (diesen sind Frauen sehr viel häufiger ausgeliefert und es gibt viele unscheinbare Formen)

  • Doppelbelastung durch Beruf und familiäre & partnerschaftliche Care-Arbeit

    (vgl. Mental Load: Mutter, Ernährerin, Administratorin, Haushaltschefin, Putzkraft, Pflegende, Geliebte in Einem)

Vgl. auch: Macht die Gesellschaft depressiv? Kritik der Kulturkritik


Quellen:

1) Robert Koch Institut (RKI): Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE Kompakt 2013), online PDF
2) Thieme: Depressionen: Frauen erkranken weit häufiger als Männer
3) A. M. Möller-Leimkühler: Männer erleben Depressionen anders. In: Ärzte Woche Nr 3, 18. Januar 2018
4) Stiftung Deutsche Depressionshilfe: Zahlen und Fakten über Depression
5) statista.de: Anteil der Weltbevölkerung mit Depression nach Geschlecht bis 2019

Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hi, ich bin Tamara, freie Journalistin & studierte Philosophin (Mag. phil.). Hier blogge ich über persönliche Erfahrungen mit Depressionen & Angst – und untersuche psychische Phänomene aus einer dezidiert philosophischen Perspektive. Zudem informiere ich fachkritisch über soziale Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Missstände, die uns alle betreffen.

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Die therapeutische Beziehung aus dem Blickwinkel von Levinas und Co.

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Warum Liebe egoistisch sein muss! | Paarkonflikte #1