Platon Phaidon & Gadamer Wege zu Plato – Buchtipps Philosophie

Warum fange ich mit Platon an und nicht mit einem anderen großen Philosophen der Neuzeit? Ganz einfach, weil Platon maßgeblich die Philosophie unserer europäischen Welt beeinflusst hat.

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Platons Phaidon

ein gut durchdachtes Stück Philosophie-Geschichte

Buchempfehlung: Phaidon von Platon

Es gibt den Ausspruch des britischen Philosophen Whitehead, der ganz richtig besagt, dass die gesamte abendländische Philosophie nichts weiter ist als eine Fußnote zu Platon. Tatsächlich nimmt Platon eine herausragende Stellung in der Philosophie-Geschichte ein. Die meisten großen Philosophen, wie zum Beispiel Hegel, haben Platon gelesen und auf ihn Bezug genommen.

Vgl. auch: Was ist Philosophie?

 

Hintergrund zum Phaidon: Sokrates’ Apologie

Um 399 v. Chr. wurde Sokrates vom Staat angeklagt, die Jugend zur verführen und Asebie zu betreiben. Das bedeutet so viel wie aufrührerisch handeln.

Er war nicht der einzige Philosoph, der damals verurteilt wurde.

Es gab da einige, die der Asebie bezichtigt wurden, z.B. Anaxagoras oder Protagoras, beide sehr berühmte Philosophen zu dieser Zeit.

Sokrates war aber der einzige, der anstatt zu fliehen, den Tod gewählt hat. Ganz einfach, weil er es als als letzte Konsequenz seiner praktischen Philosophie ansah.

Sokrates vertritt eine praxisbezogene Philosophie: Was wir glauben, muss sich in dem ausdrücken, was wir tun. In der Weise, in der er sein Leben beendet, führt er diese Haltung noch einmal eindrücklich vor.

“Es scheinen nämlich alle, die sich auf die rechte Weise mit der Philosophie befassen – verborgen vor den anderen –, nichts anderes zu betreiben als zu sterben und tot zu sein.“

 

Warum war Sokrates für die athenischen Politiker gefährlich?

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Athen war zu dieser Zeit eine Basisdemokratie. Die Machthaber hatten kein unbeschränktes Mandat, sondern mussten ihre Wähler bei wichtigen Entscheidungen jeweils mit entsprechenden Reden überzeugen. Da kamen die rhetorischen Tricks der Sophisten gerade recht;

Sokrates’ beharrliches Festhalten auf absoluten Wahrheiten war hingegen lästig – erst recht, weil er zunehmend den philosophisch-politischen Nachwuchs davon überzeugen konnte. Also wurde ihm kurzerhand der Prozess gemacht.

Die politische Elite hatte allerdings kein Interesse daran, Sokrates wirklich zu töten. Man wollte ihm nur eine Lektion erteilen und ihn mundtot machen.

 

Hauptthema des Phaidon: Die Unsterblichkeit der Seele

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Worum geht es da drin? Ganz grob geht es um den Beweis für die Unsterblichkeit der Seele. Ob man den Dialog wirklich so oberflächlich betrachten kann ist wieder eine andere Frage.

Lange Zeit wurde allerdings in der Platon Forschung der Dialog so interpretiert, dass er wieder eine Untermauerung der 2 Welten Theorie Platons sein sollte. Also die Trennung der materiellen und der geistigen Welt.

Auch Hegel sah diesen Dialog eher als eine Art populäre Philosophie an, die Platon da betrieben habe: die Stringenz der Argumentationskette fehlt, die Platon normalerweise in seinen Dialogen beweist.

Allerdings hat die neuere Platon Forschung schon herausgefunden, dass das Ganze doch etwas differenzierter zu betrachten ist. Was Sokrates hier wiedergibt, hat nichts mit Leib-Feindlichkeit zu tun.

 

Gadamer in Wege zu Plato über den Phaidon

Gadamer hat die moderne Platon Forschung wesentlich beeinflusst. Gadamer ist einer, wenn nicht sogar der größte und berühmteste, Vertreter der philosophischen Hermeneutik.

Im Gegensatz zu anderen großen Platon Interpreten hat er allerdings nie eine Platon Interpretation an sich herausgebracht, sondern hat sich in vielen verschiedenen kleinen Vorträgen und Essays sowie Aufsätzen eingehend mit der antiken Philosophie und unter anderem eben auch mit Plato beschäftigt.

Der Mann hat sich besonders hervorgetan, indem er die Dialog Situationen und den mimetischen Charakter der Platon Dialoge nochmal hervorgekehrt hat. Das bedeutet, er hat versucht, im Gegensatz zu der alten Platon Forschung, diesen Anachronismus, den die Interpreten meistens auffliegen, indem sie moderne Konzepte, Gedankenwelten und Erfahrungen auf die alten Texte übertragen, herauszuhalten.

Und den Dialog viel mehr in der Gesamtsituation zu sehen, also in der antiken Welt, in der Dialogform an sich, in den Gesprächspartnern und Glaubenssätzen, die damals weit verbreitet waren.

 

Platons Phänomenologie

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Was ihr oft übersehen wird, ist der mimetische Charakter von Dialogen, die Platon entwirft. Mimetisch in der Hinsicht, dass er versucht, ein Gespräch, wie es real stattfinden würde, nachzuahmen. Gleichzeitig ist es so, dass Sokrates natürlich die Gedankengänge und Argumente seiner Gesprächspartner aufgreift, nochmal konkretisiert und dann widerlegt oder sie selbst widerlegen lässt.

Platon betont also, dass tatsächlich das Denken immer die Wahrnehmung durch den Körper benötigt. Sie darf nur nicht bei ihrer Material-Quelle stehenbleiben.

 

Erkenntnistheoretische Überlegungen im Phaidon

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Platon lässt nun Sokrates seine Untersuchung im Zwiegespräch im Phaidon fortsetzen. Sokrates warnt vor der Gefahr, dass man zum Feind von Argumenten wird, so wie man ein Menschenfeind wird. Wer oft leichtsinnig schlechten Menschen Vertrauen geschenkt hat und dann von ihnen hintergangen wurde, der gelange zur Ansicht, niemand sei gut und zuverlässig.

Ebenso könne es einem Debattierer mit Argumenten ergehen, von denen er sich zunächst beeindrucken lässt und die sich hernach als nicht stichhaltig erweisen: Er werde den Schluss ziehen, man könne trotz aller Bemühungen des Verstandes kein zuverlässiges Wissen erlangen. In beiden Fällen liege der Irrtum darin, dass man den Fehler in äußeren Gegebenheiten verortet hat, statt sich selbst – der eigenen Unkenntnis – die Schuld zu geben.

Benötigt werde eine unbefangene, kritische und selbstkritische Haltung, mit der man an die sorgfältige Untersuchung der Argumente herangeht. Man solle sich nicht vom Eifer, andere zu überzeugen, hinreißen lassen.

Auch von der Autorität eines Philosophen dürfe man sich nicht blenden lassen, denn auch ein Sokrates könne irren. Wer über Unbefangenheit und Wahrheitsliebe verfüge und die nötige Anstrengung nicht scheue, der sei durchaus in der Lage, die Stichhaltigkeit von Behauptungen zu überprüfen.

 

Fazit zu Platons Phaidon

  • Die in Phaidon dargelegte Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele prägte das Christentum

  • So wurde bis in die Neuzeit hinein das Primat des Geistigen über dem Leiblichen betont.

  • In der neueren Forschung dominieren gemäßigte, differenzierte Interpretationen.

  • Nach dieser Deutungsrichtung zeigt sich Platon im Phaidon weder als Hedonist noch als prinzipieller Verächter der Lust.

  • Vielmehr betrachtet er die Lust als bedingtes Gut, dessen Bewertung er davon abhängig macht, welche Rolle es im philosophischen Leben spielt und wie es sich auf dessen Ziel auswirkt.

Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hi, ich bin Tamara, freie Journalistin & studierte Philosophin (Mag. phil.). Hier blogge ich über persönliche Erfahrungen mit Depressionen & Angst – und untersuche psychische Phänomene aus einer dezidiert philosophischen Perspektive. Zudem informiere ich fachkritisch über soziale Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Missstände, die uns alle betreffen.

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