Traurigkeit & Trauer (Philosophie) – Bedeutung + Unterschiede

Welche Funktion haben Traurigkeit und Trauer im Leben eines Menschen? Sie zählen zu den Grundgefühlen und werden oft synonym genutzt. Aber was ist Traurigkeit eigentlich? Und gibt es Unterschiede zur Trauer?

Traurigkeit - was ist das?

Traurigkeit zählt zu den natürlichen Reaktionen auf (seelische) Schmerzen, Verlust & Enttäuschungen.

 

Traurigkeit verändert Menschen

Wie viel Traurigkeit ist normal? Diese Frage wird äußerst kontrovers diskutiert. Während Trauer meist eine normale Reaktion auf den Verlust eines geliebten Menschen ist, wird Traurigkeit als Gefühl verstanden.

Doch auch Traurigkeit ist eine emotionale Reaktion auf einen Verlust, eine Enttäuschung, eine schwierige Situation oder eine negative Erfahrung.

Sie kann von einem leichten Gefühl der Melancholie bis hin zu tiefen emotionalen Schmerzen reichen. Darüber hinaus bei der Trauer körperliche Symptome wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und Antriebslosigkeit nicht selten.

 
Was ist Trauer?

Charakteristisch für die Trauer ist ein Druck oder Schmerz in der Herzgegend.

Was ist Trauer?

Was unterscheidet Trauer von Traurigkeit?

Trauer hat oft eine spezifische Ursache, wie zum Beispiel den Verlust eines geliebten Menschen oder eine schwere Krise.

Es handelt sich um eine tiefere, anhaltende Stimmung, die Dich in eine Art von Prozess zieht (Trauerphasen). Vgl. auch Trauer & Depression – Symptome, Bedeutung & Unterschiede

 

Trauer als tiefste Schwermut

Trauer kann als Höhepunkt der Traurigkeit gelten. Schließlich ist der Verlust von etwas Geliebtem ein starker, emotionaler Schmerz.

Traurigkeit wird hingegen als allgemeine, vorübergehende Emotion definiert. Sie kann in kurzer Zeit ohne Grund auftreten und verschwinden. Im Vergleich zur Trauer handelt es sich bei Traurigkeit nicht um einen Entwicklungsprozess.

 

Traurigkeitsgefühle des Menschen:

  • Niedergeschlagenheit, Schwermut

  • Enttäuschung

  • Verzweiflung

  • Melancholie

  • Frustration

  • Resignation

  • Pessimismus

  • Einsamkeit

  • Verletztheit

  • Betrübung

  • Weinerlichkeit

  • Bekümmerung

  • Unglücklichkeit

  • Verbitterung

 

Ursachen von Traurigkeit & Trauer

Verlust, Versagen und Enttäuschung

Oftmals liegen die Auslöser für traurige Empfindungen in schmerzlichen Verlusten, welche eine existenzielle Bedeutung für Dein Leben haben. Das beste Beispiel hierfür ist der Tod eines nahestehenden Menschen.

Doch auch das Scheitern bei der Verfolgung eines Ziels macht traurig – im Grunde kann jede Art von Misserfolg schmerzlich sein. Das hat absolut nichts mit Ego oder falschen Idealen zu tun, sondern gehört schlicht und ergreifend zur menschlichen Natur.

Enttäuschungen (also wenn Hoffnungen zerstört werden) oder das Gefühl, in Deinen persönlichen Potenzialen eingeschränkt zu sein, gehören ebenfalls zu den Ursachen von Traurigkeit.

 

Traurigkeit ist keine Melancholie oder Depression

Traurigkeit und Trauer dürfen nicht mit Melancholie oder Depressionen verwechselt werden. Das eine (Melancholie) ist eine menschliche Empfindung, die sich auf Welt und Leben als Ganzes bezieht. Das andere (Depression) wird als Krankheit definiert.

Dass beide Begriffe heute mit Traurigkeitsgefühlen in einen Topf geworfen werden, hat historische Hintergründe und ist vor allem Kierkegaard zu verdanken.

 
Traurigkeit ist Verlust

Gehalt von Traurigkeit – Der Verlust

Traurigkeit kann aufgrund von persönlichem Unglück auftreten, aber auch durch Ereignisse, die nichts mit Deiner eigenen individuellen Situation zu tun haben. Zum Beispiel kann das Weltgeschehen traurig stimmen.

Meistens ist Traurigkeit mit einer negativen Bewertung der aktuellen Situation verbunden, unabhängig davon, wie nahe oder fern die Auslöser sind.

Trauer hingegen setzt voraus, dass Du direkt betroffen bist. Der Philosoph und Kirchenvater Thomas von Aquin meinte, dass der eigentliche Gegenstand der Trauer das persönliche Übel sei.

 

Verlusterfahrunge, die traurig stimmen:

  • Verlust eines geliebten Menschen oder Haustieres durch Tod

  • Verlust eines Lebenspartners durch Trennung oder Scheidung

  • Verlust des Arbeitsplatzes

  • Verlust von Achtung und Wertschätzung

  • Verlust der Gesundheit

  • Verlust der Jugend

  • Verlust eines geliebten Gegenstandes oder Lebensortes


 

Erleben von Traurigkeit

Wie fühlt es sich an, traurig zu sein?

Die Erlebnisqualität der Traurigkeit lässt sich am besten als bedrückend und belastend beschreiben - und tatsächlich sind diese Empfindungen charakteristisch: Das Gefühl der Traurigkeit wird von Schwere und einem Druck nach unten bestimmt. Das Selbst, der Leib, das Leben ziehen sich in sich zusammen, verengen und verschließen sich gegenüber der “Außenwelt”.

Allein die Körperhaltung zeugt von diesem Selbsterleben. Der Kopf ist nach unten geneigt, die Schultern hängen, der Rücken ist gekrümmt. Die ganze Erscheinung eines traurigen Menschen wirkt in sich eingesunken.

Trauer und Traurigkeit beeinflussen Vitalität und Wahrnehmung. Ist das Gefühl oder die Stimmung intensiv ausgeprägt, sind sogar Antriebslosigkeit bis hin zu Lähmungsgefühlen typisch. Du hast nicht einfach nur das Gefühl, dass Du zu nichts in der Lage bist, Du bist tatsächlich geschwächt, gehemmt und niedergeschlagen.

Ebenso häufig: ein Empfinden, der Situation hilflos ausgeliefert zu sein und nichts daran ändern zu können. Traurigkeit geht außerdem mit einem geringeren Selbstwertgefühl einher (im Gegensatz zur Trauer).

Damit ist das Selbstbild des Traurigen / der Trauernden im Kern betroffen.

 
Das Selbst in der Trauer

Das Selbst in der Trauer / Traurigkeit

Verlustbewältigung & Neupositionierung in der Welt

Trauer & Traurigkeit sind überwältigende Gefühle, die Dich als Mensch schwer erschüttern. Charakteristisch für die Trauer ist sogar ein Schmerz oder Druckgefühl in der Herzgegend, wie viele Betroffene berichten.

Traurig zu sein oder zu trauern, betrifft immer Dich als Ganzes, also Dein Selbst und damit Deine persönliche Existenz. Typisch ist das Empfinden, von der Welt getrennt zu sein. Das Denken ist völlig dem Verlorenen verhaftet, das eben nicht mehr dieser Welt angehört.

Das ist nur logisch: Durch den Verlust von etwas Geliebtem wird die eigene Identität infrage gestellt und auf eine tiefgreifende Weise verändert.

Noch intensiver bei der Trauer: Betroffene fühlen sich fremd in der Welt der anderen und müssen einen schmerzlichen Entwicklungsprozess durchlaufen, dessen Ergebnis ungewiss ist. Sie sind gezwungen, sich in einer Welt, die sich für sie dramatisch verändert hat, neu zu positionieren.

 
Traurigkeit über Verlust des Selbstbildes

Verlust des Selbstbildes

Besonders deutlich wird dies bei dem Verlust des eigenen Selbstbildes. Wenn das frühere Selbstverhältnis durch ein neues ersetzt werden muss – beispielsweise weil ein junger, attraktiver Mensch plötzlich von Krankheit gezeichnet wird – ist dies ein schmerzhafter Verlust, der erst in ein neues Selbstbild integriert werden muss.

Für diesen Prozess kann das oft verpönte Selbstmitleid eine durchaus angemessene Reaktion darstellen, die nötig ist, um Verlust erst einmal anzuerkennen oder hinzunehmen.

 

Wo sitzt die Traurigkeit im Körper?

Einige der häufigsten körperlichen Symptome der Trauer oder Traurigkeit können sein:

  • Kopfschmerzen

  • Muskelschmerzen und -verspannungen

  • Schlafstörungen oder Schlaflosigkeit

  • Appetitveränderungen

  • Magen-Darm-Probleme

  • Müdigkeit oder Erschöpfung

  • Veränderungen im Herz-Kreislauf-System wie erhöhter Blutdruck oder Herzrasen

 

Traurigkeit und Erkenntnis

In der Psychologie hat sich in diesem Zusammenhang die Rede von einem depressiven Realismus etabliert. Die These beruht auf der Vermutung, dass traurige Menschen zumeist ein genaues Bild der Welt hätten als nicht-traurige Menschen.

Traurigkeit und Erkenntnis

Sogenannte Normale leiden häufiger zur Selbstüberschätzung und betrachten die Wirklichkeit als zu optimistisch.

Sind also traurige und depressive Menschen näher an der Realität als normale Menschen?

Nein.

Das ist eine Fehl-Interpretation – vgl. den Beitrag: Depressiver Realismus. Umgekehrt würde ich das ebenso wenig behaupten. “Gesunde” und kranke/traurige Menschen haben einen jeweils anderen Blick in die Welt. Doch näher an einer absoluten Wirklichkeit ist keiner.

 

Fazit: Traurigkeit & Trauer

Im günstigsten Fall führt die Verarbeitung des Verlusts zu einer Transformation – man lernt, mit dem Verlust zu leben. Traurige Gefühle und Stimmungen weisen in einer sehr eindringlichen Weise auf Dinge und Personen hin, die für Dich selbst einen besonderen Wert besitzen oder besessen haben.

Gleichzeitig fallen natürlich die Parallelen zur Depression auf. Es besteht allerdings ein großer Unterschied: Traurigkeit bzw Trauer sind in der Regel zeitlich begrenzt, in der Dauer kürzer und greifen in der Regel nicht so massiv und zerstörerisch ins Leben ein, wie es die Krankheit tut.

Andererseits ist auch die Depression von einem tiefen Verlustgefühl geprägt, das sich nicht erklären lässt.

Evtl. auch interessant für Dich: Krise als Chance? sowie Einsamkeit in der Depression


Quellen:

1) Christoph Demmerling, Hilge Landweer: Philosophie der Gefühle. Von Achtung bis Zorn. Springer Verlag, Stuttgart 2007
2) Metzler Lexikon der Philosophie
3) Allan V. Horwitz, Jerome C. Wakefield: Wo Traurigkeit endet und Depression beginnt
4) T. Müller-Rörich et. al.: Schattendasein: Das unverstandene Leiden Depression

Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hi, ich bin Tamara, freie Journalistin & studierte Philosophin (Mag. phil.). Hier blogge ich über persönliche Erfahrungen mit Depressionen & Angst – und untersuche psychische Phänomene aus einer dezidiert philosophischen Perspektive. Zudem informiere ich fachkritisch über soziale Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Missstände, die uns alle betreffen.

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Kristin - Verletzungen in der Psychotherapie