Was bei Depressionen hilft #2
Introjektion
Was wir so alles schlucken
Dieser Beitrag bietet Anregungen
zur Selbsthilfe. Er ersetzt keine Psychotherapie.
Rückblick
In der ersten Folge Depressionen #1 habe ich dir ein wohltuend anderes Modell der Depression vorgestellt. Dieses als Gegenentwurf zur offiziellen Sichtweise entworfene Modell ist:
nicht diskriminierend, (vgl. Wie sicher ist das Wissen des Psychotherapeuten?)
lenkt den Blick auch auf kulturelle Krankheitsursachen (vgl. Homo Solus – Doxai und Paradoxa des kulturellen Selbstverständnisses)
hebt die Gesellschaftsvergessenheit der heutigen Psychotherapie und Psychiatrie auf, (vgl. Klassismus in der Psychotherapie und Psychotherapie Kritik)
nimmt die Abfolge von Introjektion (Verinnerlichen) – Retroflexion (Zurückhalten und Gegen-sich-Wenden) und Deflexion (Sich-Ablenken) in den Fokus.
Was sind Introjekte?
Introjekte sind Regeln, Ge- u. Verbote, Sätze, Normen, Werthaltungen, Erlerntes, Abgegucktes, Erfahrenes. Solche Regeln etc. werden uns vorgelebt, uns per Mahnung eingetrichtert, durch schlimme Erlebnisse in unsere Seele eingraviert, von Vorbildern freiwillig gelernt, geschluckt, verinnerlicht.
Manchmal reichen ein vorwurfsvoller Blick zur Decke, ein stummes Abwenden, ein Seufzer, Schulterzucken, eine Gestik, um ein Introjizieren auszulösen. Nicht selten sind immer wiederkehrende Wörter oder tagelanges bestrafendes Schweigen Anlässe, ein Introjekt auszubilden.
Introjektion ist ein wichtiger Lernvorgang. Aber wir übernehmen eine Menge unnützes und krank machendes Zeug und lassen uns davon behindern und fesseln.
Beispiel: Wenn dir immer wieder gesagt wurde, dass du nicht singen kannst, wirst du dich später für unmusikalisch halten. Dann hast du ein entsprechendes Muster oder Schema ausgebildet, welches immer wieder neu aktiv wird.
In den folgenden Kapiteln wirst du viele Beispiele für Introjekte und deren Wirkungen kennenlernen. Vielleicht sind dir einige von ihnen bekannt …
Depressive Symptome
und ihre Introjekte
Im Folgenden betrachten wir die Symptome der Depression aus der Perspektive der Introjektion. Ich benenne jeweils als Erstes ein typisches Symptom der Depression. Dann beschreibe ich, welche mögliche Introjektions-Erfahrung dafür verantwortlich sein könnte.
Vielleicht hast du selbst ja so etwas Ähnliches ja erlebt. Oder du stellst dir einfach vor, wie ein Mensch wohl von der jeweils geschilderten Erfahrung geprägt worden sein könnte.
Selbstwert
Wenn du depressiv bist, leidest du vermutlich unter mangelndem Selbstbewusstsein, dir fehlt Selbstvertrauen, du fühlst dich wertlos. Stell dir vor, wie du dich fühlen, dich verhalten und welche Gedanken du haben würdest, wenn du als Kind immer wieder Folgendes erlebt hast:
Deine alleinerziehende Mutter hat sich oft beklagt, dass du genauso wie dein Vater bist.
In deiner Familie hieß es früher immer: Wir Wedekinds können anpacken, aber das Geistige ist nichts für uns!
Deine Großeltern hatten auf dem Spielplatz immer Angst um dich: Nein! Das kannst du nicht! Lass das! Geh von der Rutsche runter! Pass auf, das ist zu schwer für dich!
Du hast gestottert. Deine Lehrerinnen haben dich deshalb immer als dumm hingestellt.
Dein Vater hat dich oft geschlagen und dabei geschrien: Du bist der letzte Dreck!
Wenn du später mal heiratest, sagte deine Mutter zu dir, sei immer lieb zu deinem Mann, damit er dich nicht verlässt. Dein Papa hat sich ja auch was Besseres gesucht!
Kinder können viel aushalten und verarbeiten. Aber wenn ein Erlebnis zu massiv ist oder sich ständig wiederholt: Wie sollte es keine Spuren hinterlassen?! Ein so entstandenes Introjekt gräbt sich tief in deine Gedanken, Gefühle, deinen Leib und deine Verhaltensmuster ein. Es wird zu einem unveränderlichen Muster.
Vgl. auch Entwicklungstrauma – Wenn Menschen ein negatives Selbstbild prägt
Schuldgefühle
Während einer depressiven Erkrankung fühlst du dich vermutlich schuldig und verantwortlich. Du denkst, dass du dich falsch verhalten hast, dass du sowieso immer alles falsch machst. Vgl. Schuldgefühle bei Depressionen
Es kann nur an dir liegen, wenn es deinem Partner schlecht geht. Du bist schuld am Unglück deiner Mutter. Das Schulversagen deines Kindes geht auf deine Kappe. Vielleicht bist du auch der Meinung, dass du bestraft werden solltest. Stell dir vor, du hättest die folgenden Erfahrungen gemacht:
Deine Mutter ist bei deiner Geburt gestorben.
Deine Eltern haben sich getrennt, als du 5 Jahre alt warst. Damals hieß es, sie hätten sich so oft gestritten, weil du ein sehr schwieriges Kind warst.
Du hast einmal aus Wut und Eifersucht deinen kleinen Bruder die Treppe hinuntergestoßen. Auf jeder Familienfeier wird diese Geschichte erzählt, während dein Bruder sein deformiertes Handgelenk herumzeigen muss.
Deine große Schwester war in deiner Kindheit ziemlich krank. Du musstest immer Rücksicht auf sie nehmen. Wenn du mal protestiert hast, wurde dir gesagt, du solltest lieber dankbar sein, dass du nicht krank bist!
In der Kirche wurde gepredigt, dass Gott alles sieht, auch deine bösen Gedanken!
Noch heute empfindest du tiefe Schuld, weil du davon überzeugt bist, dass du den Priester, der dich sexuell missbraucht hat, dazu animiert haben musst. Das war doch so ein frommer Mann!
Negatives Denken
Für einen depressiven Menschen ist meistens alles Denken düster und hoffnungslos: Alles ist schlecht. Ich bin kein Teil dieser Welt! Ich bin anders und wertlos! Nichts klappt. Das Glas ist immer halb leer, der Urlaub schon halb vorbei. Auch für die Zukunft sieht der Depressive nur schwarz: Alles ist zu viel, ich werde das niemals schaffen! Alles ist hoffnungslos! Es wird etwas Schlimmes passieren! Vgl. Depression & Zeitgefühl – Zeitverlust und Stillstand
Falls du solche Gedanken kennst: Wie könnte ein derart negatives Denken in dein Leben geraten sein? Vielleicht durch Erfahrungen wie die folgenden?
Deine Eltern haben immer wieder zu dir gesagt wie: Ach, das Leben …! Das bringt doch nichts! Du wirst sehen: Das geht schief!
Dein Vater hat dir beim gemeinsamen Essen oft eine gescheuert, wenn du dich seiner Meinung nach unangemessen verhalten hast. Das kam für dich oft wie aus heiterem Himmel. Das erzeugt das Gefühl: Etwas Negatives steht immer und überall unmittelbar bevor!
Du warst gerade 14, als dir dieser wahnsinnig tolle Typ gesagt hat, dass er in dich verknallt ist. Du schwebtest im 7. Himmel. Als du selig nach Hause kamst, erfuhrst du, dass vor einer Stunde dein geliebter Opa gestorben ist. Seitdem hast du immer Angst vor einer Katastrophe, nachdem etwas sehr Schönes passiert ist. Ja, du hast sogar Angst davor, etwas Schönes zu genießen.
Ein nahestehender Mensch aus deiner eigenen Familie hat dich sexuell missbraucht. Er hat dir eingeredet, dass du die Schuld daran trägst und es nicht besser verdient hast.
Peinlichkeit, Erniedrigung und Scham
Es ist dir super peinlich, wenn dir ein Missgeschick passiert. Gestern Abend hast du direkt nach der Betriebsfeier einen Fettfleck auf deiner Bluse bemerkt. Du denkst jetzt, dass alle hinter deinem Rücken schlecht über dich reden, dich auslachen und blöd oder dumm oder schlampig finden. Wenn du in einer Gruppe etwas sagen sollst und dich alle angucken, schämst du dich und hast Angst zu stottern oder rot zu werden. Vgl. Sozial-Phobien
Sollte dies so oder ähnlich auf dich zutreffen, hast du in deinem Leben vielleicht Erlebnisse wie diese gehabt:
Dein Geschichtslehrer hat dich oft vor allen anderen verspottet. Alle haben gelacht. Du bist jedes Mal dunkelrot geworden und hast dich furchtbar geschämt.
Am ersten Tag im Kindergarten hast du die Hose vollgemacht, so richtig voll, meine ich. Zwei größere Jungs haben sich vor der tollen Kindergärtnerin über dich lustig gemacht. (Ist mir passiert …!) Am ersten Schultag ist es dir wieder passiert. Am liebsten wärst du tot umgefallen. (Ist mir zum Glück nicht passiert …)
Als du 14 warst, warst du das erste Mal so richtig besoffen. Obwohl einige Freunde noch versucht haben, dich zurückzuhalten, bist du nackt durch eure Straße gelaufen und hast Weihnachtslieder gesungen. Du kannst dich daran zwar nicht erinnern, aber so wurde es dir anschließend berichtet. Danach konntest du jahrelang keinem in die Augen schauen: Könnte der oder die vielleicht wissen, was ich damals gemacht hab‘??! Auch an Orten und mit Personen, die mit diesem Ereignis nichts zu tun haben können, bist du unsicher und ängstlich. Du denkst vielleicht: Es gibt die verrücktesten Zufälle, es könnte ja sein, dass dieser Mensch damals dabei war!
Im Alter von 22 wurdest du von Unbekannten brutal zusammengeschlagen. Einer von denen hat auf dich uriniert. Du fühlst dich schmutzig und kannst niemandem zumuten, dich zu mögen. Du hast aus Scham noch niemals mit einem anderen Menschen darüber geredet. Auch deiner Therapeutin würdest du das nicht erzählen!
Als ich vor einigen Jahren nach dem Übersetzen mit der Fähre nach Göteborg äußerst dringend pinkeln musste, stellte ich mich in meiner Not auf dem riesigen Parkplatz, auf dem weder Baum noch Strauch stand, an einen Wegrand. Niemand war zu sehen, also fing ich an … und sogleich tauchte wie aus dem Nichts eine Kolonne von langsam im Abstand von 1,50 m an mir vorbeifahrenden Autos auf. Da es windig war, konnte ich mich nicht wegdrehen.
Viele geben auf Nachfrage
zwar an, sich an derartige Situationen zu erinnern. Es ist ihnen aber in der Regel nicht bewusst, wie sehr sie von solchen Erlebnissen geprägt wurden. Besonders Situationen, in denen eine Person vor anderen bloßgestellt wurde, können sehr mächtig in einem nachwirken. Wie steter Tropfen einen Stein höhlt, kann eine negative Erfahrung, die immer wieder auftritt, deine Selbstsicherheit aushöhlen.
Vgl. auch Depressionen & Trauma – Depression durch Trauma
ausgelöst?
Sätze über dich selbst
Ohne je darüber nachgedacht zu haben, bist du davon überzeugt, dass Andere wichtiger sind als du. Du zählst nur dann etwas, wenn du für Andere da sein kannst. Du lässt Anderen immer den Vortritt, weil alle es sowieso besser können als du selbst.
Extra für dich sollte die Gastgeberin jetzt bitte nicht die Rotweinflasche öffnen müssen. Bevor du dir eines von diesen köstlichen Desserts nimmst, zählst du ab, ob für alle genug da sind. Wenn dein Nachbar dein Auto braucht, gibst du es ihm selbstverständlich und sagst deinen eigenen Auswärtstermin ab.
Was meinst du, welche Erfahrungen könnten einem Menschen ein derartiges Nichtigkeits-Gefühl eingepflanzt haben? Z. B. die folgenden:
Gisela hatte einen älteren behinderten Bruder. Ihr Vater war bettlägerig, ihre Mutter war berufstätig und mit allem völlig überlastet. Alle Welt lobte Gisela dafür, wie erwachsen sie schon als Kind war und wie toll sie alles managte. Heute ist sie Lehrerin und muss sich zudem um ihren alkoholkranken Mann kümmern.
Vielleicht wurdest du als Kind schon dafür gelobt, wie gut du zuhören kannst und wie hilfsbereit du bist. Alle Freunde kommen zu dir, wenn sie ein Problem haben.
Du bist in einem streng religiösen Elternhaus aufgewachsen. Ständig wurde darüber gesprochen, ob man denn heute schon etwas Gutes getan habe, dass man erst nach allen anderen dran sei, dass man bescheiden sein müsse, ob gestern Abend auch für das Wohl der Anderen gebetet worden sei, dass jedes Wollen und Begehren eine Sünde sei. Nach Fehltritten deinerseits wurdest du nicht bestraft, aber deine Eltern haben dich dann immer mit sehr traurigen Augen angesehen. Und selbst Gott war maßlos von dir enttäuscht.
1001 Regeln
Ohne zu bemerken, wie sehr du dich selbst damit unter die Knute nimmst, achtest du immer peinlich genau auf all die wichtigen Regeln des Zusammenlebens. Du bist enttäuscht und manchmal auch voller Ärger über Leute, die diese Regeln einfach brechen. Ich kann mich anstrengen, wie ich will, denkst du dann vielleicht, aber auf mich nimmt niemand Rücksicht!
Vielleicht wurde dir schon einmal die Frage gestellt: Woher und von wem hast du denn bloß dieses enge Regelwerk eingetrichtert bekommen?! Du kannst aber mit solchen Fragen gar nichts anfangen; denn du findest diese Regeln gut und richtig. Das Problem sind die anderen, die sich einen Dreck darum scheren, denkst du heimlich – und deshalb bist du manchmal ganz schön niedergeschlagen und hoffnungslos.
Aber könnte es trotzdem sein, dass einige der folgenden Erfahrungen ihre schädliche Wirkung in dir entfaltet haben?
Immer hast du Sätze von deinen Eltern und besonders auch von einem Klassenlehrer zu hören bekommen, die anfingen mit:
Man sollte immer …!
Du darfst nicht …!
Man kann doch nicht einfach …! Oder auch:
Was sollen denn bloß die Anderen denken??
Wenn jeder das machen würde!
Die Welt ist …!
Alle Männer sind …!
Frauen wollen doch nur …!
Ein Mann weint nicht!
Ein Vogel, der morgens schon singt, den frisst am Abend die Katz!
Aber auch:
Der frühe Vogel fängt den Wurm. (Und was ist mit dem frühen Wurm …??)
Sei bescheiden!
Halte dich zurück!
Hab‘ dich immer in Griff!
Nimm dir ein Beispiel an …!
Sei nicht albern!
Sei nicht emotional!Deine Großmutter, die du sehr geliebt hast, hat dir alle diese Regeln und Werte auch vorgelebt. Du willst sie sogar nach ihrem Tod auf keinen Fall enttäuschen!
Das vielleicht
verbreitetste Introjekt
Es lautet: Du darfst nicht atmen!
Wenn du mir das nicht so recht glauben magst, schau doch mal in meine Videos über Panikbewältigung auf Youtube und auf meinem Portal mindroad.de. Dort zeige ich auf, wie sehr Atemgeräusche tabuisiert sind, weil diese nämlich mit dem Ausdruck von heftigen oder unerwünschten Emotionen einhergehen.
Darauf näher einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen. Aber nehmen wir mal an, du glaubst mir das mit dem Atem-Tabu:
Dann kannst du dir vielleicht vorstellen, wie sehr ein solches Atem-Verbot Lebensfreude und Vitalität einschränkt.
Das vielleicht dramatischste Introjekt
Sehr viele depressiv erkrankte Menschen spielen phasenweise mit dem Gedanken an Selbsttötung. Statt Suizidalität einfach als ein weiteres Symptom der Depression zu betrachten, sollten Fachleute sich die Mühe machen, gemeinsam mit dem Betroffenen die Hintergründe zu beleuchten. Manchmal ist das Motiv für Suizidgedanken oder Suizidversuche die Sehnsucht, das Leiden zu beenden.
Nicht selten sind sehr tiefgehende Introjekte und vor allem ihre Geschichte Bedingung oder gar Ursache für den Drang, sich selbst zu töten. Das Introjekt lautet vielleicht:
Ich bin es nicht wert, am Leben zu bleiben!
Welche Introjekt-Geschichten könnten denn dahinterstehen? Zum Beispiel:
Ein Mädchen wird von frühester Kindheit von seinem Stiefvater auf brutale Weise vergewaltigt. Er bietet es anderen Personen im Internet wie eine Ware an. Er macht dem Kind klar, dass seine Mutter und es selbst sowie Abschaum ist und froh sein können, von ihm versorgt zu werden. Wenn es sich weigere oder etwas sage, werde das Kind selbst an dem dann geschehenen Unglück die Schuld tragen.
Ein Junge hat im Alter von 4 Jahren seine 2-jährige Schwester im Streit von einem Steg geschubst. Sie ist ins Wasser gefallen und ertrunken. Auch wenn seine Eltern und Nachbarn ihm niemals die Schuld dafür gegeben haben, ist er überzeugt davon, dass sie es insgeheim doch tun. Er selbst kann es sich auch nicht verzeihen. Bis ins Erwachsenenalter wünscht er sich immerzu, selbst ertrunken zu sein. Dann würden ihn alle lieben und ihn schrecklich vermissen!
Ein Einzelkind hat seine Eltern schrecklich lieb. Leider streiten sie sich oft, und diese Konflikte werden immer wieder laut und manchmal sogar handgreiflich. Das Kind hat riesige Angst, dass die Eltern sich gegenseitig wehtun und sich trennen, und es glaubt, dass es dann ganz alleine auf der Welt ist.
Wenn der Streit dann vorbei ist, kommt die Mutter zu dem Kind und erklärt - so ganz nebenbei: Dein Papa und ich, wir haben uns sehr lieb. Aber wir streiten uns immer so doll, weil du uns so viele Probleme machst. Kannst du denn nicht einfach mal normal sein?
Das könnte gegen Depression helfen
Die obige Aufzählung ist ein winzig kleiner Ausschnitt aller Introjekte. Ich könnte noch viele Beispiele nennen. Viele Geschichten von Patientinnen fallen mir noch ein, viele Beispiele für krankmachende Introjekte.
Aber jetzt möchte ich dir einige Hinweise darauf geben, wie du deine Introjekte und ihre Folgen verändern kannst. Hier kann ich dir nur kurze Anregungen geben. Wenn du dich sicher genug fühlst, kannst du die folgenden Übungen mit einer vertrauten Person zusammen durchführen.
Beachte dabei bitte die Regeln von mindroad – du findest sie hier. Wenn du mehr erfahren möchtest, wirst du hier fündig: www.die-inkognito-philosophin.de in der Rubrik Wegweiser – Was Theorie beiträgt weitere Beiträge über Introjekte und Auswege.
Notizbuch (-App)
Schreibe dir auf, sobald du feststellst, dass du dich von einem Introjekt gesteuert fühlst. Es ist nicht leicht, sich auf die Spur zu kommen. Aber mit etwas Übung wirst du feststellen, dass Introjekte sehr, sehr häufig wirksam sind.
Introjekte zeigen sich körperlich
Wenn du deiner Nachbarin dein Auto leihst (weil du eben ein Helfer bist oder nicht Nein sagen kannst), wirst du leiblich spüren, dass es dir damit nicht gut geht. Oft sind es feine körperliche Signale, die du zudem lange Zeit ausgeblendet hast. Vielleicht spürst du zB …
ein Völlegefühl oder eine Übelkeit im Magen,
einen leichten oder sogar sehr heftigen Druck auf der Brust,
ein Ziehen durch den Bauch,
einen schlechten Geschmack im Mund,
eine Benommenheit,
wie deine Stirn sich kräuselt,
wie ein leichter Kopfschmerz einsetzt,
wie du deine Nackenmuskeln anspannst, weil du immer daran denken musst, ob dein Auto auch heil bleibt.
Alle diese Körpersignale sagen dir, dass du dein Auto eigentlich nicht verleihen wolltest. Statt Nein zu sagen, hat ein Introjekt in dir mahnend seinen Zeigefinger erhoben und hat dich dazu gebracht, etwas anderes zu tun. Vgl. auch körperliche Symptome der Depression – die Koporifizierung des Leibes
Solltest du jedoch dein Auto gerne verliehen haben, würdest du auch dies körperlich spüren: als ein Gefühl von Weite oder Wärme in der Brust, ein inneres Nicken, einen guten Geschmack im Mund, eine Entspanntheit in der Magengegend etc.
Mache das Introjekt dingfest!
Sobald du ein Introjekt erwischt hast, versuche …
es ganz genau zu benennen. Formuliere es klar. Gib ihm einen Namen. Introjekte liegen meist nicht als ausformulierte Sätze vor, sondern sie „wabern“ durchs Gehirn. Deshalb schreibe ganz genau auf, wie es lautet, zB: Ich muss der höher stehenden Person immer Recht geben! Beachte dabei, ob es in Ich- oder in Du-Form passender ist. Wer ist also der Sprecher: du selbst oder jemand anders?
herauszufinden, von welcher Person in deinem Leben es stammt. Wer hat es gesagt (oder dich mit einem vielsagenden Blick angeschaut)? Vielleicht war es nur ein Seufzen deiner Lehrerin, ein genervter Blick an die Decke deines Vaters, ein plötzliches Verstummen deiner Großmutter? Alle diese Gesten und Mimiken können nachhaltige Botschaften enthalten.
Gib das Introjekt zurück an den Absender!
Wenn du ein Introjekt auf diese Weise entlarvt und dingfest gemacht hast, kannst du versuchen, es an den Auftraggeber zurückzugeben. Du könntest ihm mitteilen, dass du ihm das Introjekt zurückgeben möchtest, dass du es nicht gebrauchen kannst, dass er es sich in den Arsch schieben soll etc. Du kannst bspw …
einen fiktiven Brief an diese Person schreiben,
zu dieser Person in der Vorstellung oder in einem Rollenspiel sprechen. Setze diese Person im Geiste auf einen Stuhl gegenüber von dir! (Solltest du jetzt denken: Ich rede doch nicht mit einem Stuhl – das ist doch albern!, dann überlege doch, ob deine Reaktion vielleicht auf einem Introjekt beruhen könnte, zB: Du musst immer vernünftig und erwachsen sein! Oder deine Exfrau hat dir immer vorgeworfen, dass du unerträglich kindisch bist.
das Introjekt auf einen Zettel schreiben und es in einem Ritual verbrennen, vergraben, in eine Flaschenpost stecken …
Es ist äußerst wichtig,
dass du diese Dinge tatsächlich tust. Nur so können sich auch die jeweils dazugehörigen Emotionen einstellen, die du brauchst, um das Introjekt loszuwerden. Vielleicht entsteht Traurigkeit in dir oder Wut. Dieses Gefühl solltest du dann an diese Person richten. So kannst du diese unerledigte Geschichte abschließen und das Introjekt sozusagen erledigen. Oftmals macht es dir dein Introjekt aber nicht so leicht;
denn:
Manche Introjekte sind zäh …
oder machen sogar Angst, sobald man sich gegen sie zur Wehr setzt. Wenn ein Introjekt durch Gewalt und Missbrauch entstanden ist, lässt es sich in der Regel nicht auf diese Weise unschädlich machen. Dann suche dir professionelle Hilfe.
Es gibt auch widersprüchliche Introjekte. Man bezeichnet sie als
Double bind Introjekte.
Diese können zB entstehen, wenn Eltern auf sehr widersprüchliche Weise kommunizieren:
Wenn du mich wirklich liebst, solltest du mich in Ruhe lassen!
Oder sie sagen mit Worten: Ich liebe dich!, wobei sie per Mimik oder Gestik Abwehr zum Ausdruck bringen.
Wenn du ein solches Introjekt erwischt hast, kann es gut sein, dass du mit Verwirrung, Müdigkeit, Verschwommenheit oder Gereiztheit reagierst. So etwas macht einem Knoten in die Seele, die sich oft nur mit Hilfe eines Anderen lösen lassen.
Im nächsten Beitrag
über Depressionen #3 zeige ich dir, wie Introjekte zu Retroflexionen führen. Sie bringen die Notwendigkeit mit sich, viele lebendige Impulse, Wünsche, Bedürfnisse, Gefühle zurückzuhalten und gegen sich zu wenden.
Evtl. interessiert dich auch mein kritischer Überblick:
Psychotherapie-Kritik - Woran die offizielle Psychotherapie krankt