Lächelnde Depression: Smile Depression - Lachen trotz Traurigkeit

Lachen, obwohl man traurig ist? Ja, das geht – sogar sehr gut. Die “Lächelnde Depression“ ist leider weit verbreitet und bleibt gefährlich lange unerkannt.

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Betroffene verstecken ihre depressiven Symptome

hinter einer Fassade aus guter Laune. Die Lächelnde Depression ist weit verbreitet, nur spricht kaum jemand über sie.

 

Smiling Depression – die lachende Depression

Heute ist ein guter Tag. Ich lächle, ich leiste, ich funktioniere fast perfekt. Funktionieren macht aber kein Wohlbefinden aus. Das verwechseln viele. Auch ich selbst manchmal.

Das äußere Erscheinungsbild mit der inneren „Qualität“ eines Menschen gleichzusetzen, hat lange Tradition. Seit der Antike gilt das Idealbild der Kalokagathie: so schön der Körper, so schön geformt auch der Charakter bzw. Geist.

Der Körper quasi als visueller Marker der Seele.

Aber sind wir jetzt, da wir so viel mehr wissen, darüber hinweg, das Äußere als Indikator fürs Innenleben zu nehmen?

Nö, absolut nicht.

Warum ist das so?

Die Evolutionsbiologie ist wieder mal Schuld – auch so ein Autopilot des Gehirns: als wir noch in Höhlen lebten, war es überlebenswichtig, blitzschnell einschätzen zu können, wer Freund und wer Feind ist.



Können Depressive lachen?

Aber hallo - und wie! Depressive sind ja immer noch Menschen und keine Aliens.

Ich zum Beispiel kann grinsen und strahlen, so dass ich jeden mit meiner guten Laune anstecke. Umso überraschter ist jeder, wenn ich mich als Mensch mit depressiver Störung oute.

Die Bezeichnung „Lächelnde Depression“ ist kein psychologischer Fachbegriff, sondern fällt unter die atypischen Depressionen. Meistens ist sie ein Phänomen innerhalb der hochfunktionalen Depression.

Trotzdem oder gerade deswegen ist die Lachende Depression besonders gefährlich, da sie lange unerkannt bleibt und erhöhte Suizidgefahr besteht.

Oft kommt dann das böse Erwachen, ohne dass die Angehörigen oder Partner etwas davon geahnt haben.

Betroffene wie ich wirken sehr fröhlich, ganz normal eben – wie jeder andere. Ich kann meine Probleme lange gut verstecken. Vor mir selbst und anderen. Besser gesagt, als Depressive denke ich:

  • dass ich andere damit nicht belasten sollte.

  • dass ich mich schäme und es allein schaffen will.

  • dass ich es nicht wert bin, andere mit meinen Problemen zu nerven.

 

Lächelnde Depression (Smile Depression) – Was soll das sein?

Klingt nach einem Modewort, hat aber Eingang in die Fachliteratur gefunden.

Als Smile Depression oder Smiling Depression, zu Deutsch Lachende Depression oder Lächelnde Depression, werden atypische Depressionen bezeichnet, die man hinter einer Maske aus Lächeln und guter Laune verbirgt.

Betroffene mögen so aussehen, als hätten sie keinen Grund, traurig zu sein – sie haben einen Job, eine Wohnung und vielleicht sogar Kinder oder einen Partner.

Sie lächeln, wenn man sie begrüßt und können angenehme Gespräche führen. Kurz gesagt, sie setzen für die Außenwelt eine Maske auf und führen ein scheinbar normales und aktives Leben“ erklärt Olivia Remes, Doktorandin der Universität Cambridge (1)

 

Frau Remes sagte, dass lächelnde Depressionen bei Menschen mit bestimmten Temperamenten häufiger auftreten.

Insbesondere hängt es damit zusammen, dass man eher dazu neigt, Misserfolge zu antizipieren und über negative Situationen nachzudenken bzw. übermäßig zu grübeln. Vgl. Gedankenkarussell & Gedankenspirale

 

Smile Depression ist gefährlicher als typische Depression

Psychologen argumentieren außerdem, dass gerade Depressive, die lange versuchen die Fassade aufrechtzuerhalten, anfälliger sind für Selbstmorde (Suizide).

Typischerweise haben Menschen, die an einer klassischen schweren Depression leiden, vielleicht selbstmörderische Gedanken, aber nicht die Energie, auf ihre Gefühle zu reagieren.

Allerdings haben diejenigen, die an Smiling Depression leiden, die Energie, die Gedanken zu planen und durchzusetzen. Deshalb kann eine lächelnde Depression gefährlicher sein als eine klassische Form der schweren Depression.“ so die klinische Psychologin Rita Labeaune (2)

 

Symptome der Lächelnden Depression

Anzeichen für Smiling Depression sind schwer zu erkennen

Es gibt viele Depressionssymptome und Anzeichen, die auf eine Smiling Depression hindeuten – und selbst die können mehrdeutig sein:

Diese Emotionen werden bei einer atypischen Depression seltener gezeigt. Genau das macht Smiling Depression so enorm gefährlich.

Betroffene versuchen ihr Leben aufrecht zu erhalten, während sie von den inneren Konflikten erdrückt werden. Und das erfordert alles an Energie und Kraft, die ein Mensch aufbringen kann.

 

Auf diese Hinweise solltest Du achten

Einheitlich ist das „Krankheitsbild“ bei einer Lächelnden Depression nicht. Aber die folgenden Punkte weisen auf unterschwellige Probleme hin:

  • Der Betroffene ist reizbar und reagiert schnell verletzt, wenn er sich kritisiert oder abgelehnt fühlt

  • Betroffene meiden bewusst peinliche Situationen und denken viel darüber nach

  • Der Betroffene redet kaum über persönliche Dinge und Probleme (bei nahestehenden Menschen), frisst alles in sich rein

  • Der Betroffene ist ständig in Action, immer in Bewegung und hat immer was zu tun. Dabei natürlich ein Lächeln auf den Lippen. (Das bitte nur in Verbindung mit anderen Hinweisen werten.)

 

» Zum Artikel Depression: Symptome bei Frauen

Frauen leiden doppelt so häufig unter Depressionen. In der Psychiatrie ist daher von weiblicher Depression (female depression) die Rede, die spezifische Anzeichen besitzt. 

Vgl. auch Was dich nicht umbringt, macht dich stärker (?) sowie Depression beim Partner – Stress & Überforderung

Depression Symptome bei Frauen
 

Lächelnde Depressive werden oft abends traurig und kraftlos

Ungefähr 15-40 % der depressiv Erkrankten zeigen die atypische Depressionssymptomatik auf. Durch ihre hohe Leistungsfähigkeit nach außen hin wissen die Betroffenen oft selbst nicht von ihrer Krankheit.

Typisch für die atypische Depression ist das Abendtief, auch Abenddepression genannt. Dabei kommt es zu; (ja – ich wiederhole mich, aber schadet nicht)

  • Starke Traurigkeit

  • Schweregefühl in den Armen und Beinen („Blei-Gefühl“)

  • Überempfindlichkeit gegenüber Kritik

  • Positive Erlebnisse sorgen höchstens für einen kurzen Stimmungsaufschwung

  • Ständiges Überessen oder kaum Essen

  • Verlangen nach mehr Schlaf als normalerweise

 

Wie kannst Du helfen bei Smiling Depression?

Die Lächelnde Depression zählt zur hochfunktionellen Depression. Oft können Betroffene über viele Jahre ihren Alltag bewältigen und arbeiten. Sehr viele fragen nicht nach Hilfe, so wie ich.

Warum?

Weil sich Erkrankte schuldig fühlen, zutiefst schuldig, schwach und wie ein Versager. Die Scham ist so gewaltig, dass sich Betroffene sehr spät Hilfe suchen, wenn überhaupt. Aber was können Angehörige, Freunde und Partner dann überhaupt tun, um einem Menschen mit „Lächelnder Depression“ zu helfen?

Leider nicht viel. Aber Du kannst mit demjenigen sprechen. Ihm vielleicht Dein Wissen über Smiling Depression vermitteln und ihn zum Reflektieren anregen. Am wichtigsten ist, dass depressive Menschen sich fachärztliche Hilfe holen. Sie ist nötig und genau für diese Personen gedacht.

Es ist eines der am besten behandelbaren Probleme der psychischen Gesundheit. Ob durch Beratung oder Psychotherapie, es ist möglich, erfolgreich aus diesem Zustand herauszukommen und von der Traurigkeit befreit zu werden“.

so Labeaun

 

Hilfe bei Lächelnder Depression

Depressionen sind eine schwere psychische Krankheit. Keine Schwäche & keine Schande, sondern echt häufig auf der ganzen Welt.

Brauchst Du selbst Hilfe? Oder Unterstützung und Rat, um zu helfen? Dann wende Dich bitte jederzeit an die

Telefon-Seelsorge Deutschland

Tel. kostenfrei unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222

 

Dort sind sehr liebe Menschen, die jederzeit ein offenes Ohr für Deine Probleme haben und sich damit auskennen.

“Nur wenn wir aufhören, unsere Probleme zu rationalisieren, weil wir glauben, dass sie nicht ernst genug sind, können wir anfangen, einen tatsächlichen Unterschied zu machen.” (Remes)

Vgl. auch Langzeitfolgen der Depression – Was von der Krankheit bleibt


Quellen:

1) the Conversion: Artikel von J. Remes „Smiling depression“
2) Pysychology today: Artikel: the Secret Pain of „Smiling“ Depression
3) Ulrike Fuchs, Heilpraktikerin für Psychotherapie in München
4) Online Psychologische Beratung
5) J. H. Greist: Depression – Was man darüber wissen sollte und was man dagegen tun kann

Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hi, ich bin Tamara, freie Journalistin & studierte Philosophin (Mag. phil.). Hier blogge ich über persönliche Erfahrungen mit Depressionen & Angst – und untersuche psychische Phänomene aus einer dezidiert philosophischen Perspektive. Zudem informiere ich fachkritisch über soziale Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Missstände, die uns alle betreffen.

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