Moderne Mythen – Über die Funktion von Mythen früher & heute
Beim Wort Mythos denken viele an Götter, fantastische Kreaturen und Helden aus vergangener Zeit. Dabei sind Mythen viel mehr und heute immer noch am Werk. Mythen sind nicht Geschichte: Damals und heute gestalten sie unsere Welt. Auch wenn Dir das meistens nicht bewusst ist.
Moderne Mythen gestalten unsere Lebenswelt
Mythen werden in der Umgangssprache als altertümliche Zeugnisse angesehen, zur Erklärung einer primitiven Weltsicht. Sie gelten als längst überholte Arten der Welterklärung, schließlich sind wir im Zuge der Naturwissenschaft und Technisierung ja viel schlauer als vor Jahrtausenden.
Aber: Mythen sind nicht überholt und kein Gegenentwurf zur rationalen Weltsicht der Moderne. Einige Philosophen, Historiker und Anthropologen meinen sogar, der Mythos besitzt eine eigene Form der Rationalität, mit dem Du Dich auf Verstandesebene auseinandersetzen solltest.
„Ein Mythos ist also wahr, weil er wirkt, nicht weil er uns faktische Informationen liefert.“ – Karen Armstrong
Mythen reduzieren sich nicht auf Götter-Erzählungen
Oralpoetry ist ein Schlagwort in der Kultur- und Sprachgeschichte verschiedenster Völker. Mythen wurde anfangs mündlich überliefert.
Jap, viele davon ranken sich um die Entstehung der Welt als Urgeschichte der Menschheit.
In erster Linie bilden sie aber das Weltverständnis und Selbstverständnis der Menschen ab. Schon in der Vergangenheit waren Mythen also viel mehr. Nimm zum Beispiel einen der ältesten: die Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies.
Es geht hier nicht nur um das Thema „So entstanden Welt und Mensch“, sondern mindestens genauso sehr um die Interpretation des Lebens selbst und wie es auf verschiedene Art und Weise verstanden werden kann. Auf der einen Seite das Paradies, auf der anderen das Ackerfeld voller Mühsal.
Die Bildsprache des Mythos ist sehr eindrücklich, unmittelbar und universal verständlich. Diese plastische Sprache ist eindringlicher als rationale Darstellungen. Aus gutem Grund nutzen viele Künste auch heute noch Mythen, um eine Botschaft an den Mann zu bringen bzw. zwischen Welt und Mensch zu vermitteln.
Treffend ist vor allem diese Beschreibung:
„Wissenschaft ist eine Erkundung der Realität, sie zeigt, wie Atome interagieren, wie biologische Systeme sich entwickeln und wie Sterne Hitze abgeben. Auch Mythen erkunden die Realität, widmen sich aber einer anderen Art von Realität: Sie erklären uns die verborgensten Sehnsüchte und Ängste des unbewussten Teils unseres Geistes“ (Jack McDevitt, Quelle 10).
Der Mythos - Wortgeschichte & Definition
Eine einheitliche Definition von Mythos gibt es nicht. Das liegt wieder mal an der Verwässerung des Begriffs. Über die Jahrhunderte wurde er in verschiedenen Kontexten und Verständnissen benutzt. Auch heute hat sich daran nichts geändert.
Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Altgriechischen: μῦθος, sinngemäß übersetzt (3):
„Wort, Rede, Erzählung, Gespräch“, „Nachricht, Bericht, Bescheid, Befehl“ sowie „Gedanke, Meinung, Rat“ und „Sache, Begebenheit, Geschichte“
Erst in einem 2. Sinne kommen die Bedeutungen „Gerücht, Erdichtetes, Legende, Sage, Mythos, Fabel und Märchen“ hinzu
Einige allgemeine Merkmale des Mythos gibt es trotz der unterschiedlichen Definitionen aber schon (2):
Wahrheitsanspruch, wahrer Kern
versucht Sachverhalte zu erklären bzw. Hintergründe zu vermitteln
ist Sinnstiftung per excellence
leicht verständliche Bildsprache
viele Mythen sind chronologisch geordnet, aber in sich geschlossen
häufige Themen sind periodische Naturerscheinungen (Jahreszeiten, Tod-Geburt, Naturkatastrophen)
Appell-Struktur (sie sprechen an und nehmen uns in Anspruch)
Auch heute ist es schwer, Mythos einheitlich zu verstehen. In der Alltagssprache wird das Wort häufig und sehr willkürlich benutzt, in den Kulturwissenschaften je nach Lesart anders konstruiert.
Daher fallen nicht nur Varusschlacht und Rosenkreuzer unter das Genre, sondern auch Lady Diana und das Bermudadreieck (6).
Mythen-Kritik & Mythen-Erfindung – von der Antike bis Neuzeit
Der Mythos hat eine lange Geschichte und findet sich schon in frühesten Kulturen der Menschheit. Wie ambivalent Mythen bewertet wurden, zeigt sich immer wieder im Laufe der Geschichte.
Prähistorische Zeit
Bereits in vorgeschichtlichen Kulturen ergänzten Mythen die Realität der damaligen Menschen. Während das rationale Denken dazu da war, zu zeigen wie man was machen müsse (Jagen), half der Mythos etwas zu verstehen (Gewalterfahrung).
Auch interessant: „Hilfreich war zudem das dialogische Element des Mythischen, denn Mythen werden erzählt und erzählend zurückgegeben. Es entsteht ein Generationen überspannendes ‚Wissen‘, das metaphysische Deutungsmuster akkumuliert und konzentriert.
Mythos ist immer auch ein soziales Phänomen. Man bemüht seine Deutungskraft immer im Miteinander, immer dadurch, dass man ihn sich erzählt und ihn mit anderen (mythischen) Erklärungsmustern vergleicht.
Als solches ist der Mythos ein „Diskurs, den wir in Extremsituationen brauchen“ (10)
Mesopotamien & Ägypten (erste Hochkulturen)
Im alten Mesopotamien gilt Tiamat als Urgöttin. Sie ist Mutter von Ungeheuern, Stürmen und natürlicher Gewalten. Der Protagonist Marduk muss sie töten, um aus ihrem Körper die Ordnung von Himmel und Erde zu schaffen. Das Ganze spiegelt die Erfahrungen der damaligen Menschen ab, die zur Sesshaftigkeit übergingen und große Städte bildeten. Dass Marduk dafür kämpfen muss, zeigt wie schwer, mühselig und problembehaftet der Übergang von der Jägerkultur zum Ackerbau war (13).
Übrigens nicht anders im alten Ägypten. Wissenschaften wie Mathematik, Medizin und Astronomie werden zwar gegründet, um die Welt rationaler zu erfassen. Gleichzeitig sind sie aber Erfindungen der Götter – der Logos im Mythos. (10)
Antike
Während es auf der einen Seite zahlreiche Mythen gab, die von der Allgemeinheit aufgegriffen wurden, gab es auf der anderen Seite eine extreme Mythenkritik bei den griechischen Philosophen der Antike. Zum Beispiel bei Platon, der Mythen als lügnerisch und kindlich abtut.
Seltsamerweise bedienen sich die Denker dann aber selbst des Mythos oder erfinden sogar neue Mythen.
Bleiben wir bei Platon: In einem Dialog wird die Liebe und Sehnsucht zwischen Mann und Frau durch einen Mythos von der Kugelgestalt der Menschen erklärt. Mann und Frau seien früher eine Einheit gewesen, dann jedoch gespalten worden. Das Höhlengleichnis ist ebenfalls sehr mythisch angehaucht. Oder besser gesagt: Es nutzt die Bildsprache des Mythos.
Bei den Römern gewinnt schließlich die Tugend des Praktischen, Nützlichen an Bedeutung. Zahlreiche Ceasaren ließen Mythen für sich erfinden, um ihre Legitimation als Herrscher zu unterfüttern. Ich erinnere nur an die Äneis von Vergil, die eigens für Julius Caesar erschaffen wurde.
Christentum
Eine radikale Abkehr vom Mythos forderte schließlich das Christentum, bis in die Neuzeit hinein. Sehr paradox, schließlich baute das frühe Christentum auf einen ganz bestimmten Mythos auf, den es selbst geschaffen hat: der Mensch als Sünder am Beginn der Zeit. Die Schuld gegenüber Gott ist hier ein zentraler Bestandteil des Glaubens. Nicht zu vergessen, wie Gott selbst eingreift und sich am Kreuz für den sündigen Menschen opfert. (14)
Darüber hinaus finden sich gerade in der Literatur jener Zeit viele Mythen, zum Beispiel die Artus-Geschichten, die fester Bestandteil der damaligen Hofkultur waren.
Aufklärung
Im 18. Jahrhundert wird die Mythenkritik richtig en vogue. Jeder Gelehrte, der etwas auf sich hält, übt fleißig Kritik am christlichen Weltmythos und dem allgemeinen Aberglauben. Wie zweischneidig das Unterfangen war, zeigt sich wiederum daran, dass die Aufklärer, Rationalisten und Empiristen sich selbst auf einen Mythos berufen: nämlich den antiken Mythos von Prometheus, der gegen Zeus Willen den Menschen das Feuer bringt und sie so zur Eigenständigkeit und Individualität befähigt.
„Wir lachen die griechische Mythologie aus, und jeder macht sich vielleicht die seinige.“ (J. G. Herder)
Adorno nennt die Aufklärung selbst einen Mythos, da sie das Märchen von der rationalen Erkenntnis der Wirklichkeit erschuf.
Romantik
Ein paar Jahrzehnte später ist die Romantik am Zug und wendet sich wieder dem Mythos zu. Beim Philosophen F.W.J. Schelling heißt es dann: „Grundlage aller Kunst und Poesie ist die Mythologie.“ Richard Wagners Opern-Mythologie ist genau diesem Zeitgeist geschuldet.
Friedrich Nietzsche, der damals schon ein „Ausnahme-Philosoph“ war, begeistert sich extrem für die antiken Mythen und Dramen, in denen er die größten Kräfte der Menschheit sah. Für ihn ist der Mythos die Bedingung schlechthin für Kreativität, Kultur und Leben.
Der Mythos starb also nicht mit dem Aufstieg des wissenschaftlichen Denkens. Ganz im Gegenteil, er wurde bis in unsere heutige Zeit sogar gefördert. Denn die Konzentration auf die Rationalität hinterlässt tiefe Lücken, wenn auch die Religion verkümmert. Und so flüchten sich viele Menschen der Moderne erneut in Mythen – am besten exotische (Buddhismus, Ayurveda).
Moderne Mythen funktionieren auch ohne Götter
Seine Anziehungskraft hat der Mythos auch in unserer heutigen, modernen Gesellschaft nicht verloren. Bei genauerem Hinsehen finden sich allerlei Beispiele. Nehmen wir den Mythos vom amerikanischen Traum: Ein paradiesisches Land voller Möglichkeiten und Chancen, in denen sich der Tellerwäscher zum Millionär hocharbeiten kann.
Der Untergang der Titanic wurde nicht über 80 Mal verfilmt, weil ein historisches Interesse bestünde. Da wird von Menschen erzählt, die sich ehrenhaft verhielten, viele von ihnen sogar wie Helden. Der Kapitän blieb auf der Brücke, das Orchester spielte weiter, die Funker sendeten ihre Notsignale bis zum bitteren Ende. Die Titanic ist eine Geschichte von der Illusion der Ordnung, dem fatalen Glauben an den technischen Fortschritt, der Hybris (Allmachtswahnsinn) des Menschen.
Die Blut-und-Boden-Mythologie der Nazis macht auch nichts anderes. Sie band die Menschen auf emotionaler und identifikatorischer Ebene über mythische Propaganda-Sprache.
Das Wirtschaftswunder der alten BRD ist auch ein Mythos, der zur politischen Abgrenzung von der DDR genutzt wurde und den Westen Deutschlands bis heute prägt.
Das Schlagwort der Entmythologisierung bzw. Entmystifizierung geistert zwar durch die Geschichtsbücher, ist allerdings etwas missverständlich. Denn Mythen existieren heute genauso wie damals, nur ihre Symbolik hat sich verändert. Moderne Mythen ranken sich um (8):
historische Personen (z. B. Willy Brandt, Marilyn Monroe)
fiktive Figuren (z. B. Asterix, Don Quijote)
Ereignisse (z. B. 68er-Bewegung, Untergang der Titanic)
Orte (z. B. Alpen, Dresden)
Ideen/ Konzepte (z. B. Freiheit, ewige Jugend)
Institutionen (z. B. Geheimdienste, Mafia)
„Der Mythos ist ein System der Kommunikation, eine Botschaft. Daraus resultiert, dass der Mythos kein Objekt, Begriff und keine Idee sein kann. Vielmehr ist er eine Weise des Bedeutens, eine Form.
Durch das System der Kommunikation kann alles zu einem Mythos werden, was in einen Diskurs eingeht. Der Mythos bestimmt sich dahin gehend nicht durch seine Botschaft, sondern durch die Art, wie er sich äußert.“ (8)
Die Wirkkraft moderner Mythen
Auch heute noch erfüllen Mythen ihre Funktion: Es geht um Vorurteile und Angst auslösende Erfahrungen, die für uns immer noch zentral sind und die durch eine Einbettung in Erzählungen mit Wahrheitsanspruch bewältigbar erscheinen.
Mythen tragen zur psychischen Entlastung und zur Lebensbewältigung bei, indem sie unbegreifliche Vorgänge, Angst vor dem Fremden, das Erleben von Ohnmacht und Fremdbestimmung in einen Orientierungsrahmen einpassen und ihnen so einen Sinn geben.
Die Liste der Mythen, die an die alten angelehnt sind und die Weltsicht einiger Menschen prägen, ist extrem lang. Hier nur ein paar Beispiele:
Außerirdische UFOs mit den bösen oder guten Außerirdischen sind eine neue Variante der alten Sage von Atlantis mit seinen Übermenschen.
Die Superhelden wie Batman oder Superman ähneln in allem den früheren Helden, die gegen Ungerechtigkeit und Kriminalität kämpfen. Diese Motive finden sich auch in den Rebellen von Star Wars und andren Film-Epen.
Heute lebt Elvis weiter sowie früher Kaiser Barbarossa im Kyffhäuser oder König Arthur in Glastonbury.
Das Bermudadreieck erinnert stark an die alten Seefahrer-Sagen von dem Sargassomeer, das Schiffe verschlingt, oder dem todbringenden Magnetberg.
In der Prä-Astronautik werden Astronauten zur technologischen Version der alten Götter.
Die meisten modernen Mythen finden sich heute leider im Verschwörungsglauben: Hat übrigens auch Tradition – früher waren es die Freimaurer, zu NS-Zeit die Juden, bei den Amerikanern die Kommunisten, zu Kennedy-Zeiten das CIA usw., welche die Ordnung der Welt und die guten Menschen bedrohten.
Verschwörungsideologien im Kleid moderner Mythen
„Ceterum censeo Carthaginem esse delendam!“ („Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss!“) sagte Cato, ein römischer Feldherr immer wieder – egal, ob es in seiner Rede um die konkurrierende Wirtschaftsmacht Karthago ging oder nicht. Das soll unter anderem zum Untergang Karthagos geführt haben (3. Punischer Krieg).
Catos Ausspruch ist heute ein Beleg dafür, wie sehr ständige Wiederholungen unsere Entscheidungen manipulieren können. Völlig egal, ob sie wahr sind oder erfunden.
In einem Experiment fand die Psychologin Kimberlee Weaver (15) heraus, dass nur 3 Personen ausreichten, die eine Meinung ständig wiederholte, um eine ganze Gruppe zu manipulieren.
Es kommt aber noch besser: auch 1 Person erreicht 90 % dieser Wirkung, wenn sie die Meinung 3 Mal wiederholt.
Genau auf diesem Prinzip bauen Fake-News und Verschwörungsmythen auf: „Verschwörungsmythen beziehen sich in ihrer Feinddarstellung auf ausgedachte Gruppen: Reptiloiden, die „Weisen von Zion“, Illuminati etc. Die Grenze zwischen Verschwörungsideologien und Verschwörungsmythen ist jedoch fließend und nicht immer klar zu bestimmen.”
Viele Wissenschaftler wie der Religionswissenschaftler Michael Blume möchten hier eindeutig von einem schlechten Mythos sprechen in Abgrenzung zu den eigentlichen “guten” Mythen (16):
„Im Verschwörungsglauben wird gesagt: Die ganze Welt wird regiert von einer bösen Macht. Das heißt, es funktioniert tatsächlich wie eine umgedrehte Religion. Verschwörungsgläubige glauben an die Weltherrschaft des Bösen, und sie deuten sich ihre ganze Welt damit.
Sie glauben, sie sind die Erwachten. Diejenigen, die den Durchblick haben, während alle anderen getäuscht würden. Das heißt, da geht es um Sinn und Gemeinschaft.“
Verschwörungsglaube ist keine Theorie, sondern Mythos
Das ist eine ganz wichtige Unterscheidung. Theorien bieten eine überprüfbare Erklärung von Phänomen an und sind dabei falsifizierbar (widerlegbar). Die meisten Verschwörungsgeschichten spielen jedoch (absichtlich) mit Mythen, die eben nicht der empirisch überprüfbaren Erklärung von Phänomenen dienen, sondern der für Menschen unverzichtbaren Stiftung von Sinn und Gemeinschaft.
Moderne Mythen, die unser Denken prägen
Jetzt endlich komme ich zu dem, was Dich wahrscheinlich brennend interessiert: den Mythen unserer Zeit, die allgemein in die Weltsicht jedes Einzelnen prägen. Ich kann hier natürlich nicht alle aufführen, aber 2 wichtige:
1) Urknall und Evolution
Heute herrscht ein starker Wissenschaftsglaube anstatt die Religion. Das ist an sich natürlich nicht gleich falsch, aber auch keine absolute Wahrheit.
Die Ideen von Urknall und Darwins Evolutionstheorie sind reine Theorien unter vielen. Sie klingen plausibel, doch ob sie letztlich unumstößliche Wahrheit formulieren, bleibt auch unter Wissenschaftlern fraglich.
Bis heute weiß niemand mit 100 % Sicherheit, wie Leben aus dem Nichts entstehen konnte. Trotzdem klammern sich die meisten Menschen an diese Theorien als wären sie die neue profane Weltreligion.
Genau das sollten wir im Auge behalten: Es sind gedankliche Konstrukte, die vielleicht der Wirklichkeit nahekommen. Vielleicht aber auch nicht.
2) Optimierungswahn & Individualismus
Befeuert durch den erwachten Individualismus im 19. Jahrhundert, steht heute nicht mehr die Gemeinschaft, sondern der Einzelne im Vordergrund. Das Motto heißt: “Tu, was Du willst. Du kannst alles, was Du willst. Du allein bist für Dein Glück und Deine Gesundheit verantwortlich.”
Das zeigt sich heute vor allem im Trend der Selbstoptimierung. Mach Dich besser, schneller, erfolgreicher und glücklicher – das alles liegt nur in Dir. Die modernen Heroen & Vorbilder dieses Mythos finden sich auf Instagram & Co. Fast zu perfekt, um wahr zu sein.
Dabei wird komplett ausgeblendet, dass die Freiheit und Möglichkeiten eines Menschen stark von seiner Veranlagung, sozialen Umwelt und seinem ökonomischen Status abhängig sind. Der Mensch wird in seinen Lebensentwürfen immer auch von außen begrenzt, das ist leider nicht zu verleugnen.
Vgl. auch das Gute im Menschen & die Macht der Narrative oder Sozialer Aufstieg durch Bildung – Die Opfer des "Erfolgs"
Fazit: Moderne Mythen
Mythen drehen sich um existenzielle Themen wie Mensch, Sein, Welt.
Mythen sind als Ergänzung zur Rationalität anzusehen, nicht als Gegenmittel
Mythen besitzen eine universelle Bildsprache & Ausdruckskraft.
Viele alte und neue Mythen prägen unsere Weltsicht. Sie spiegeln die jeweilige Mentalität und Erlebniswelt ihrer Zeit wider.
Ein Mythos hat meist funktionale Bedeutung, versucht zwischen Verstand und einem Grundbedürfnis des Menschen nach Sinn & Spiritualität zu vermitteln.
Quellen:
1) Joachim Kunstmann: Groß und mächtig – schicksalsträchtig. Wie Mythen unsere Welt gestalten
2) Wortwuchs: Mythos (Textsorte) – Bedeutung, Merkmale, Beispiele
3) Gemoll, Standard-Wörterbuch der altgriechischen Sprache
4) Prof. Herfried Münkler: Geschichtsmythen und Nationenbildung
5) Ulrich Wickert im Interview mit WELT: Menschen brauchen Mythen
6) Matthias Waechter: Mythos (Docupedia-Zeitgeschichte)
7) Carl Gustav Jung, Archetyp und Unbewusstes (Grundwerk C. G., Jung, Bd. 2)
8) Hyperkulturell (Portal für interkulturelle Kommunikation): Mythos
9) Roland Barthes: Mythen des Alltags
10) Frank Weinreich: Mensch und Mythos
11) Wikipedia: Mythos
12) Jan Assman et. al: Funktionen und Leistungen des Mythos: Drei altorientalische Beispiele (1982)
13) Henrietta McGall: Mesopotamische Mythen (Reclam 1993)
14) Walter Beltz: Gott und die Götter – Biblische Mythologie (Nicole Verlag 2007)
15) Roland Gruber: Steter Tropfen höhlt andere Meinungen
16) Michael Blume im Interview mit Christian Röther: Verschwörungsmythen – das Böse im Blick
17) J. Moltmann und N. Rath: Neue Mythen – Neue religiöse Bewegungen
18) Demokratiezentrum Baden-Württemberg: Mythen, Ideologien und Theorien – Verschwörungsglaube in Zeiten von Social Media