Wie spreche ich Depressionen beim Arzt an? – Tipps & Erfahrung

Wie kann man über Depressionen beim Arzt sprechen, wenn Du glaubst, depressiv zu sein? Über Depressionen zu reden, fällt vielen Betroffenen schwer. Doch die Angst zum Arzt zu gehen, weil Du einfach nicht mehr kannst, ist nichts wofür Du Dich schämen musst. Darum will ich Dir hier ein paar Tipps geben, die Dir weiterhelfen:

1) Was du tun kannst, wenn Du glaubst, depressiv zu sein
2) Welchen Arzt Du bei Depressionen aufsuchen kannst
3) Wie Du Depressionen beim Arzt ansprichst
4) Was der Hausarzt bei Depressionen macht
5) Was Dich beim Psychiater erwartet

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Angst zum Arzt zu gehen?

So geht es vielen Menschen, Du bist damit nicht allein. Darum habe ich diesen Text veröffentlicht, um Dir zu helfen, Worte zu finden und Dich vorzubereiten.

 

Ich glaube, ich habe Depressionen – Was tun?

Ständige Magen- oder Rückenschmerzen, ein richtiger Nervenzusammenbruch, Herzbeschwerden, schmerzende schwere Beine, extreme Ängste und Schwindelattacken – die Symptome von Depressionen sind unglaublich vielfältig und schwer zu erkennen. Genauso gut kann es zu starker Reizbarkeit mit ungehemmten Gefühlsausbrüchen, Gefühllosigkeit oder Selbstmordgedanken kommen. Du siehst, die Bandbreite ist schon sehr groß.

Darum möchte ich Dir als erstes sagen: Stark von Dir, dass Du Dir diese komplizierte Krankheit eingestehst. Das ist keine Selbstverständlichkeit und der allerwichtigste erste Schritt. Dich selbst für depressiv zu halten und einem Arzt zu sagen, dass Du psychische Probleme hast, sind jedoch 2 Paar Schuhe.

 

Depressionstest machen

Aber fangen wir mal ganz von vorne an. Im Allgemeinen ist es für Dich leichter, Dich anonym auf Depressionen zu testen. Falls Du das bereits getan hast, dann überspring diesen Abschnitt bitte.

Zum Beispiel mit meinem Selbsttest Depression oder hier:

Du musst lediglich ganz ehrlich auf die Fragen antworten. Sie ersetzen keinen Arztbesuch, weil hier in den allermeisten Fällen klinische Depressionen abgefragt werden. Also wenn Du trotz negativem Testergebnis überzeugt bist, dass Deine Psyche leidet, ist die Zeit gekommen, einen Arzt um Rat zu fragen.

 

Depression – Wann zum Arzt?

Es gibt leichte, mittelgradige und schwere Depressionen und jede davon braucht eine fachärztliche Abklärung, ansonsten rätst Du ins Blaue hinein und übersiehst vielleicht Dinge, die auf andere Krankheiten hinweisen.

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Leider warten viele Menschen viel zu lange, bis sie zum Arzt gehen. Ich miteingeschlossen: ich musste erst einen kompletten Zusammenbruch erleiden. Ich konnte seit Monaten nicht mehr schlafen, hatte Gedanken mit selbst zu verletzen, bekam Angst aus dem Haus und zur Arbeit zu gehen, konnte kaum mehr essen oder trinken. Ich weinte ständig, ohne zu wissen, warum.

Interessen hatte ich schon lange keine mehr und Freunde konnte ich auch seit Wochen nicht mehr treffen, weil ich ständig an Magenschmerzen sowie geistiger & körperlicher Erschöpfung litt (vgl. Depressive Erschöpfung vs. Erschöpfungsdepressionen).

Zum Schluss riss mich die schlimmste Panikattacke meines Lebens von den Beinen. Ab da konnte mein Partner es nicht mehr mitansehen und brachte mich zum Arzt. Soweit brauchst Du es aber nicht kommen lassen. Es bringt einfach nichts, sich umsonst zu quälen und die Depression schlimmer werden zu lassen. Sie geht nicht einfach so weg.

 

Daher meine Bitte an Dich:

Sobald Dein Leben und Dein Alltag deutlich eingeschränkt ist, an Qualität verliert und Du darunter leidest, solltest Du ärztliche Hilfe aufsuchen. Denn genau dafür sind Ärzte da: um leidenden Menschen zu helfen.

 

Angst zum Arzt zu gehen wegen Depressionen

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Das ist völlig natürlich. Depressionen sind schwer fassbar, für Dich als Betroffenen selbst, der sie am eigenen Leib & Geist erlebt, und noch viel weniger für Außenstehende.

Dass Du Angst hast, wegen Depressionen einen Arzt aufzusuchen ist leider ziemlich typisch.

Jedem von uns geht es so. Denn Depressionen sind in unserer Gesellschaft zwar präsent, aber unterliegen immer noch einer Stigmatisierung. Das gilt allerdings nur für Menschen, die keine Ärzte sind und sich nicht mit Depressionen auskennen.

Ich kann Dir versichern, wenn Du mit einem Arzt über psychische Probleme sprichst, ist das ganz anders als Du Dir vorstellst. Für mich war die Scham gewaltig, ich habe geweint und mich schrecklich ohnmächtig gefühlt.

Umso erleichternder war es, als mein Hausarzt sehr verständnisvoll reagierte und mir erklärte, dass ich keine körperlichen Probleme, sondern eine psychische Krankheit habe. Falls es Dir leichter fällt, dann nimm eine Begleitperson mit, die Dir den Rücken stärkt. Das hilft unglaublich viel.

 

Welcher Arzt ist bei Depressionen zuständig?

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An wen sollst Du Dich mit Depressionen wenden? In der Regel ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner, vorausgesetzt Du vertraust ihm. Ist das nicht der Fall, kannst Du auch einen Termin beim Neurologen, Psychiater oder Frauenarzt ausmachen.

In den meisten Fällen musst Du aber bei Fachärzten länger auf einen Termin warten. Darum rate ich Dir, zu Deinem Hausarzt zu gehen.

 

Anmeldung beim Hausarzt

Wenn Du bei der Arztpraxis anrufst und Dein Anliegen nennen sollst (oder an der Rezeption gefragt wirst), dann gib eine Deiner Beschwerden an, wie Schwindelattacken, Magenschmerzen oder Beinschmerzen. Das ist oft leichter als der Arzthelferin zu erzählen, was wirklich mit Dir los ist. Und es geht sie auch nichts an.

 

Wie spreche ich Depressionen beim Arzt an? Was sage ich dem Hausarzt?

Wie Du Deinem Arzt sagst, dass Du nicht mehr kannst und glaubst, depressiv zu sein, spielt eigentlich keine Rolle.

Ärzte sind darin geschult, gezielt nach den Anzeichen für Depressionen zu fragen.

Meistens wirst Du erst einmal gefragt, was Dich zum Arzt führt.

Da antwortest Du bitte ganz ehrlich und schilderst deine Beschwerden, ohne zu beschönigen. Oft kommt dann der 2-Fragen-Test an die Reihe:

  1. Waren Sie in den letzten Wochen oft sehr traurig, niedergeschlagen oder hoffnungslos?

  2. Hatten Sie in den letzten Wochen keine Freude mehr an Dingen, die Sie sonst sehr gerne tun?

Sobald eine Frage mit Ja beantwortet wird, wird der Hausarzt Dir genauere Fragen stellen, um eine Depression zu diagnostizieren.

 

Vielleicht geht er aber auch von Anfang an zu folgenden Fragen über:

  • "Gab es Zeiten, in denen Ihre Stimmung besser oder schlechter war?"

  • "Hatten Sie in den letzten zwei Wochen fast ständig das Gefühl, zu nichts mehr Lust zu haben?"

  • "Fühlen Sie sich ständig müde und abgeschlagen?"

  • "Fällt es Ihnen schwer, die Aufgaben des Alltags wie gewohnt zu bewerkstelligen?"

  • "Haben Sie Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren?"

  • "Haben Sie Mühe, die Zeitung zu lesen, fernzusehen oder einem Gespräch zu folgen?"

  • "Leiden Sie an fehlendem Selbstvertrauen?"

  • "Leiden Sie unter Selbstvorwürfen?"

  • "Fühlen Sie sich oft schuldig für alles, was geschieht?"

  • "Haben Sie Pläne für die Zukunft?"

  • "Geht es Ihnen so schlecht, dass Sie über den Tod nachdenken oder daran, dass es besser wäre, tot zu sein?"

  • "Haben Sie versucht, sich etwas anzutun?"

  • "Hat sich an Ihrem Schlaf etwas geändert?"

  • "Schlafen Sie mehr oder weniger als sonst?"

  • "Hatten Sie mehr oder weniger Appetit in der letzten Zeit?"

  • "Haben Sie ungewollt zu- oder abgenommen?"

 

Wichtig ist, dass Du Deine Beschwerden nicht beschönigst oder verschweigst. Dazu zählen nicht nur psychische Leiden wie Gefühle von Wertlosigkeit, Zukunftsängste und Schlafstörungen, sondern auch körperliche Probleme.

Darunter zum Beispiel: Verdauungsprobleme jeder Art, Kopfschmerzen, Druckgefühl im Hals, Atemnot, Sehstörungen, Schwindel, Augenflimmern, Muskelverspannungen, Ausbleiben der Menstruation, sexuelle Probleme, Libidoverlust, Gedächtnisprobleme.

 

Mehr zur körperlichen Depressionsvariante erfährst Du unter: die versteckte Depression oder Depression: körperliche Anzeichen (= philosophische Deutung)

 

Neben den vielen Fragen achtet der Arzt auf weitere Anzeichen, wie Dein Sprechen, Deine Körperhaltung oder Deinen allgemeinen Zustand. Viele Depressive sprechen nämlich mit leiser Stimme, haben eine gebeugte Körperhaltung oder wirken völlig kraftlos.

Ich wiederhole mich, aber es ist unglaublich wichtig, dass Du ehrlich antwortest und Deine Symptome möglichst genau beschreibst. So kann der Schweregrad Deiner Depression bestimmt und daran die Therapie ausgerichtet werden.

 

Was macht der Hausarzt bei Depressionen?

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Hat der Hausarzt einen Verdacht auf Depressionen, wird er Dich erst einmal 2 Wochen oder mehr krankschreiben.

Außerdem erhältst Du einen Überweisungsschein zum Facharzt (Psychiater oder Psychologe), der auf psychische Krankheiten spezialisiert ist.

Um die Wartezeit zu überbrücken, erhältst Du vielleicht auch ein Rezept für ein Antidepressivum und Benzodiazepin.

Ich bekam sofort Escitalopram, ein Medikament gegen Depressionen, das sehr gut verträglich ist. Das Benzodiazepin war für mich eine große Erleichterung, da ich damit das erste Mal wieder schlafen konnte.

 

Sehr wichtig ist: Nach dem Arztbesuch musst Du erstmal gar nichts tun. Allein dass Du darüber gesprochen hast, kostet Dich viel Kraft. Gönne Dir danach etwas Ruhe, Du brauchst sie jetzt.

 

Psychiater oder Psychologe bei Depressionen?

Meistens gibt Dir der Arzt ein paar Adressen für Psychiater oder Psychologen, an die Du Dich als nächstes wenden sollst. Manchmal aber auch nicht, dann musst Du Dich selbst auf die Suche nach Fachärzten in Deiner Nähe begeben.

Dabei werden Dir vielleicht die unterschiedlichsten Titel begegnen:

  • Psychiater verschreiben Dir meist die richtigen Medikamente, können aber auch eine Psychotherapie anbieten. Damit schlägst Du quasi 2 Fliegen mit einer Klappe.

  • Neurologen können auch Medikamente verschreiben, bieten aber keine Therapie an.

  • Fachärzte für Psychosomatik und Psychotherapie gibt es weniger. Sie können ebenfalls Medikamente verschreiben und Therapien anbieten.

  • Anders Psychologen bzw. psychologische Psychotherapeuten, die dürfen weder Medikamente verabreichen noch Krankschreibungen ausstellen. Dafür sind sie in verschiedenen Therapieverfahren geschult. Hier musst Du also zusätzlich zum Psychiater oder Facharzt für Psychotherapie, um Antidepressiva und den regelmäßigen Krankenschein zu bekommen.

 

Ist die Not groß und Du in einer heftigen Krise (mittelgradige bis schwere Depressionen), ist der Aufenthalt in einer Klinik angeraten, der über mehrere Wochen geht. Das kann eine Psychiatrie sein oder eine Einrichtung für Psychosomatik.

(Vgl. Depressionen & Klinik – Ja oder Nein?)

 

Es gibt auch die Möglichkeit, eine Tagesklinik zu besuchen: Du kannst also zum Schlafen nach Hause und fährst dafür jeden Morgen in die Klinik, um an den Angeboten teilzunehmen. Das ist aber wirklich nur für diejenigen, die so stabil sind, dass sie diesen Weg täglich auf sich nehmen können.

 

Was erwartet mich beim Psychiater?

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Nichts anderes als beim Hausarzt auch. Nur, dass Du hier ausschließlich Patienten begegnest, die ähnliche Probleme wie Du haben, und einem Personal, dass darin geschult ist, mit diesen Menschen umzugehen.

Der Psychiater ist ein freundlicher Arzt, kein Sigmund Freud verschnitt 😉 Er oder sie wird mit Dir nochmal über Deine Beschwerden sprechen, nach belastenden Lebenssituationen fragen und sich erkundigen, wie sich Dein Leiden entwickelt hat.

Ein Psychiater achtet dabei auf folgende Dinge im Gespräch mit Dir:

  • Stimmung

  • Affektivität (ob Du Gefühle zeigen kannst)

  • Antrieb, Energie

  • Denkvorgänge

  • Schlaf, Appetit, Verdauung

  • geistige Leistung (Konzentration, Aufmerksamkeit, Gedächtnis)

In der Regel erarbeitet der Facharzt mit Dir einen Behandlungsplan: er klärt Dich auf, ob er Medikamente für angebracht hält und welche. Er gibt Dir Tipps, ob Du eine ambulante Psychotherapie machen sollst oder doch besser in einer Klinik aufgehoben bist. Er kann Dir auch helfen, einen Therapeuten zu finden, indem er Dir einige vorschlägt.

In jedem Fall erhältst Du von ihm eine Krankschreibung über mehrere (meist 3) Monate sowie ein Rezept für Antidepressiva, Schlaftabletten usw.

 

Fazit: Wie spreche ich Depressionen beim Arzt an?

Du möchtest mehr Informationen dazu haben? Dann wende Dich bitte an das Hilfstelefon der Stiftung Deutsche Depressionshilfe oder die Telefonseelsorge – die Leute dort beraten Dich geduldig und einfühlsam zu Deinen Sorgen und Ängsten.

 

Quellen:

1) Patienten-Informationen.de: Wie wird eine Depression festgestellt?
2) Stiftung Deutsche Depressionshilfe
3) Schön Kliniken: Depressionen
4) Pro Psychotherapie e.V.

Vgl. auch Über Depressionen sprechen – Sprache & Wahrnehmung

Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hi, ich bin Tamara, freie Journalistin & studierte Philosophin (Mag. phil.). Hier blogge ich über persönliche Erfahrungen mit Depressionen & Angst – und untersuche psychische Phänomene aus einer dezidiert philosophischen Perspektive. Zudem informiere ich fachkritisch über soziale Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Missstände, die uns alle betreffen.

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