
Gedichte & Texte
Depressionen in Worten und Gedanken
Gedichte über Depressionen und von Depressiven
traurig – beschreibend – aufmunternd
– tröstlich – inspirierend –
Depressive Texte & Gedichte über Depressionen sind dazu da, das Leben von Depressiven verständlich, fühlbar und nahbar zu machen.
Bist Du depressiv oder anders psychisch erkrankt, dann sei Dir bitte bewusst, dass meine Worte und die hier vorgestellten Gedichte auch negative Gedanken & Gefühle in Dir auslösen können. Bitte achte gut auf Dich.
von T.N.

Alkesthis
Es pflücken die Menschen
die Früchte des Lebens,
die Wunder der Weite,
die Wunder der Nähe.
Sie saugen den Zauber der Töne aus Flöten
und Königsgedanken aus Träumen der Nacht.
Sie fahren im hohen Wagen des Lebens
mit stolzen Stirnen den Wunderweg;
Da springt gegen sie mit eichener Keule
und schlägt sie nieder
das stumme Geschick!
Hugo von Hoffmannsthal – Alkestis. Ein Trauerspiel nach Euripides.
Bleischwer
Er trägt sich wie ein Kleid aus Blei.
Dein Wille ist nun einerlei.
Alles starr, als ob er schon ein Leichnam sei.
Ein baumelndes Ding,
so fremd und so klamm …
Fühlt sich so der Wahnsinn an,
wenn das Selbst im Selbst gefang’n?
T.N.
von T.N.

Melancholie
Er reiste.
Er lernte die Melancholie der großen Schiffe kennen,
das kalte Erwachen im Zelt,
den Rausch von Landschaften und Ruinen,
die Bitterkeit abgebrochener Freundschaften…
Jahre vergingen;
und er litt
unter der Untätigkeit seines Verstandes
und der Trägheit seines Herzens.
Gustave Flaubert
von T.N.
T.N.
T.N.
T.N.
Aufgang oder Untergang
Nenn ich dich Aufgang oder Untergang?
Denn manchmal bin ich vor dem Morgen bang
und greife scheu nach seiner Rosen Röte –
und ahne eine Angst in seiner Flöte
vor Tagen, welche liedlos sind und lang.
Aber die Abende sind mild und mein,
von meinem Schauen sind sie still beschienen;
in meinem Armen schlafen Wälder ein, –
und ich bin selbst das Klingen über ihnen,
und mit dem Dunkel in den Violinen
verwandt durch all mein Dunkelsein.
Rainer Maria Rilke

Du mußt das Leben nicht verstehen
Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich Blüten schenken lässt.
Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
Rainer Maria Rilke
Bald
Wenn die kühle Luft dich zu früh erweckt,
und die Augen nicht öffnen wollen,
und die Tauben nicht gieren sollen,
und die Augen nicht mehr öffnen wollen,
dann ist das Loch tief, in das man sich entdeckt.
Spiegel ohne Nagel, Kopf häng‘ doch still,
still ist der Schrei, der aus dem Leben will.
Verdorbene Namen, tote Körper still,
still ist der Reim, der sich nicht reimen will.
Wenn keine Luft dir besser schmeckt,
und die Füße nicht mehr gehen wollen,
und die Tage sich ergeben sollen,
und die Füße nie mehr gehen sollen,
dann braucht es kein feines Erlösungsbesteck.
Spiegel ohne Glas, die Ewigkeit bricht still,
still ist der Schrei, der sterben will.
Sterben – nichts Neues, gab’s schon immer,
entfällt den Meisten nur gern.
Der Tod weilt bequem im Zimmer,
der Schrei schläft nicht fern.
- Knut Calmund
Besuch der Banshee - T.N.
Suche – T.N.
T. N.
Traumhaft - T.N.
Heute – T.N.
Umöglich, möglich - T. N.
Träne – T.N.
Millionäre – T.N.

Der schwarze Hund
Ein schwarzer Hund sitzt auf meiner Brust.
Er ist weit mehr als Lebensfrust.
Erbarmungslos drückt er mich nieder
- immer und immer wieder!
Er ist zu groß und schwer.
Mir nützt keine Gegenwehr.
Sein lautes Knurren, Bellen und Beißen
droht mich zu zerreißen.
Die schwarzen, trüben Augen bannen mich.
In Dunkel und Angst…
so fürchterlich…
– T.N.
Die größte Mutprobe
für den,
der fernab
von den Hauptstraßen
des Lebens
seinen Weg gehen will,
besteht wohl darin,
die Einsamkeit
als einen beständigen
Wegbegleiter
anzunehmen.
- Margot Bickel
Nacht der ungebetenen Gäste – T.N.
Wenn Wellen brechen, was dein war, weil sie zu riesig sind
Wenn der Boden bebt,
als ob plötzlich ein Krieg beginnt
Wenn Luft dich tötet,
obwohl du sie doch zum Atmen brauchst
Wenn eine falsche Sonne scheint
und dir die Nacht als Tag verkauft
Song von Amewu - Wenn
Der Einsiedler
Joseph von Eichendorff
1.
Komm, Trost der Welt, du stille Nacht!
Wie steigst Du von den Bergen sacht,
Die Lüfte alle schlafen,
Ein Schiffer nur noch, wandermüd,
Singt übers Meer sein Abendlied
Zu Gottes Lob im Hafen.
2.
Die Jahre wie die Wolken gehn
Und lassen mich hier einsam stehn,
Die Welt hat mich vergessen,
Da tratst Du wunderbar zu mir,
Wenn ich beim Waldesrauschen hier
Gedankenvoll gesessen.
3.
O Trost der Welt, Du stille Nacht!
Der Tag hat mich so müd gemacht,
Das weite Meer schon dunkelt,
Lass ausruhn mich von Lust und Not,
Bis dass das ew’ge Morgenrot
Den stillen Wald durchfunkelt.
Mehr als 1000 Steine
Ich will fliegen und loslassen.
Doch mehr als 1000 Steine,
große sowie kleine,
spitze, scharfe, feine
lasten auf mir.
Sie alle, sie sind meine
Trauer, Wut, Angst-Keime.
Verlorene Wünsche sowie freie
Sehnsucht nach dem Hier.
Ich will tanzen und vergeben.
Doch über diese 1000 Steine,
harte, grobe sowie reine,
stolpere ich zur Lebenskür.
– T. N.
Rainer Maria Rilke (1875-1926) – Der Panther
Im Jardin des Plantes, Paris
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.
Staub
Warmer Kissen, kalter Rücken,
wer ist der Störenfried in meinem Traum?
Keine Träne, aber viel Schweiß verdrücken,
die Decke wärmt mich nun mehr kaum.
Ist das Umwälzen aller Entfremdung es wert?
Bleibt mir nur das dogmatische Verdrehen des Fakts?
Sieh‘ hinein, alles steht leer,
im abgrundtiefen Seelenwrack.
Missverstehe mich hier nicht,
die Zimmer staubten schon immer trübglasig blau,
so auch der zerfallende Traum,
im klaren Mondschein, mit staubiger Sicht.
Versteh‘ nur einer einen falschen Satz,
ohne willigem Verständnis geht’s wohl kaum.
Staub, Staub, überall –
kratz‘ ich mir aus den Augen.
Und trotz der sanften Noten deines heilen Plans,
dieser Ohren gefeilte, verdauliche Musik,
die verstaubt und zunächst vergessen,
in Händen alter Händler liegt.
Braucht es nur noch einen widerlichen Männersieg,
und du verlierst mir ja wieder nicht!
Denn schaler Staub lässt sich schwerer saugen,
aber verstreuen so leicht wie nie.
- Knut Calmund
Frühlingsfieber
Dieser Geruch wiederauferstandener Felder
sprießt eine Verheißung blühender Episoden.
Die Sonne arbeitet nach eigenem Kalender
und beschmiert den brachen Boden.
Grashalme, steif wie die Härchen meiner kalten Schimmelhände
auf angebrochener Plazentaerde verlier‘ ich den weichen Grund
während der Eselsschrei zwischen eisernen Himmelswänden
jüngst erstickt im lock‘ren Leichenmund.
Welch ansehnliches, ja fast argloses Einfaltsspiel
von Farbe, Duft und kaltem Klang
während ich der längst entbehrten Partizipation verfiel
entzaubert und außer Bann.
Weile inmitten von vergoss‘nem Blau und Grün
am grell- und hochgarnierten Saum.
Das Gesicht sollte heulen, lachen, vor Freude blüh’n
doch steh ich da und fühl‘ es kaum.
Eigentlich schwebe ich, fern und flehend
oder mir schwebt etwas Unsägliches vor.
Gutes bleibt manchmal bestehen
Schlechtes steigt durch den Kopf empor.
Aus den tiefsten Wurzeln steigt es jetzt
der Gärtner starb früh in dessen Abgrundgarten.
Aus dem kurzen, geliehenen Feiglingstest
steige er ins ewige Warten.
Selegiert von meinen trüben Sinnen
Unter flachshaarigen Wolkensträhnen verliert sich der Sinn.
Weiß nicht, wer ich bin hier drinnen -
bin ich überhaupt hier drin?
–– Erik S. Klemm
Eintönig…
– von Arno Holz 1863-1929
Eintönig
rieseln um mich die grauen Tage.
Eintönig sinken auf mich die schwarzen Nächte.
Eintönig spinnt sich um mich mein totes, leeres, taubes Dasein.
In dunkele Träume heult der Wind;
schwere, dumpfe, hohl auffallende
Tropfen, durch die Regenrinne, zählen die Zeit ab.
Irgendwo scheint jetzt ... Sonne!
Irgendwo hofft, lockt und lacht, lenzblau, Jugendlust! Schaffensdrang! Werdelust!
Irgendwo springsprüht, blinkblüht, herzjauchzt Glück!
Ich werde nie wieder die Läden aufstoßen!
Ich werde nie wieder Firn-, Himmels- und Sternenäther atmen!
Ich werde ... nie ... wieder genesen!
In meinen ... Blumen fault Finsternis!
Nachts - T. N.
Johann W. v. Goethe – Faust
Der Tragödie erster Teil, 1808.
Nacht, Faust mit sich allein
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel –
Dafür ist mir auch alle Freud' entrissen,
Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Morgengesuch
Der Himmel im Osten hinter den Tondächern
bietet Vorgeschmack auf den biederen Tag.
Will wieder hinfort, töte alle Wecker,
so stand das also im Vertrag?
Bei mir im Osten schmerzt es schon wieder,
eingeengt in der Höhlenfrust.
Schwerer, dunkler Atem kniet sich selbst zuwider,
ja, hab‘ ich’s doch gewusst!
Es ist an der Zeit, alter Freund.
Du kannst dich noch so trächtig beklagen,
deines Rufes erniedrigenden Pflicht entsagen,
den Schlaf nicht mehr ertragen,
der Sinn bleibt dir allerdings verwehrt.
Wenn der Vogel seinen ersten Krümel im Reif erzwitscht,
und du dich stumm dahin versiehst,
während der dumme Vogel mehr Krümel fängt, als du Dümmster jede Hoffnung nicht mehr.
- Knut Calmund
Falsche Sonne - T.N.
Im Nebel
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.
Voll Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
– Hermann Hesse

»Ausgang« von Theodor Fontane
Immer enger, leise, leise,
ziehen sich die Lebenskreise.
Schwindet hin, was prahlt und prunkt,
schwindet Hoffen, Hassen, Lieben
und ist nichts in sich geblieben,
als der letzte dunkle Punkt.
Nach der dritten Episode einer schweren rezidivierenden Depression verfasste der Apotheker und Schriftsteller Theodor Fontane (1819 bis 1898) das Gedicht »Ausgang«, das die Bürde einer Depression beschreibt.
Versehrtes Herz
So viele Tränen hab’ ich aufgesammelt,
so viele Bitten hab’ ich leis gestammelt,
so viele Träume insgeheim erstarben,
so tiefes Sehnen schlug so tiefe Narben.
Mein weißes Herz, so ganz zerschunden,
birgt immer wieder neue Wunden.
Ein neuer Tag, ein neuer Schmerz
für mein verstört versehrtes Herz.
- Samira Schogofa
Mauern
Wir gehen aneinander vorüber,
Jeder in sich und sein Schicksal gebannt –
Wir schicken Gruß und Gebärde hinüber
und leben jeder in anderem Land ...
Aber hinter Wällen und Mauern,
Die sich unsichtbar zwischen uns baun,
Lebt der einsamen Seelen Trauern
Und der verwirrten Geschöpfe Graun.
Suchender Sehnsucht trübe Funken
Schwirren über den Mauerrand –
Aber schon hat sie die Nacht getrunken,
Ehe das Licht zum Ziele fand ...
Und von der nächtlichen Schwermut Fächeln,
Von der Wehmut des jähen Verwehns
Bleibt nur der wissenden Seele Lächeln
Über den kurzen Trug des Verstehns. –
Alles wähnt, im andern zu leben –
Wenige küssen im Dunkeln sich sacht,
Wenn die Mauern klingend erbeben –
Doch über allen brütet die Nacht. –
– von Kurt Walter Goldschmidt 1877-1942
T.N.
T.N.
T.N.
T.N.
T.N.
Prim der Schwermut
Seitdem ich nicht mehr lächeln kann,
lächele ich mehr.
Wenn das Publikum es so will,
und der Tod gut zahlt.
Ein träger Schmetterling, Flügel aus Kalksandstein
Alle Blüten perniziöser Hoffnung gepflückt.
Lass mich hier raus und bei dir rein,
ich werde noch verrückt.
- Knut Calmund
„Schlaf und Tod, die düstern Adler
Umrauschen nachtlang dieses Haupt;
Des Menschen goldnes Bildnis
Verschlänge die eisige Woge
Der Ewigkeit.
An schaurigen Riffen
Zerschellt der purpurne Leib
Und es klagt die dunkle Stimme
Über dem Meer.
Schwester stürmischer Schwermut
Sieh ein ängstlicher Kahn versinkt
Unter Sternen,
Dem schweigenden Antlitz der Nacht.“
Der Tod ist ein seltsames Ding.
Überall und allgegenwärtig
– Und doch bricht er,
wie ein plötzlicher Sturm,
über einen herein
- T.N. 2017 –
Ich bin nur noch Gefühl
Ich bin nur noch Gefühl.
Die Gedanken entgleiten,
zerrinnen und zerreissen,
sind nicht zu greifen.
Es ist nur noch Gefühl,
das harrt und verbleibt,
und wie ein Blatt im Wind,
mich zuerst hierhin,
dann dorthin neigt.
Mal flüstert es sanft,
säuselt und pfeifft mit Lieblichkeit,
die mich ins Ungewisse treibt.
Mal tönt es ungestüm,
bedrängt und zerrt,
stößt mich hin, wo es begehrt.
Dort ist kein Halt,
noch Anfang, noch Ende.
Ohnmächtig ertrage ich jede Wende.
Es ist nur noch Gefühl…
es gibt kein “Ich war” mehr
oder “werde sein”.
Denn mein Denken wird morsch,
Bewusstsein verrottet wie Gebein.
Ich bin nur noch Gefühl.
Unberechenbar und ruhelos.
Mein Inneres
liegt brach und bloß.
- T. N.
In der Nacht
Oft in der Nacht,
wenn der Mond auf mein Kissen scheint,
lehnt es sich sacht
mir ans Ohr und weint.
Und ich kann mich nicht rühren und kann nicht fragen:
Was kommst du mir klagen?
Oft in der Nacht
lieg’ ich in Stummheit und dunklem Bluten
tief verwacht
in meines Herzens roten Fluten
und ist in den Weiten nicht eine Hand,
die mich zöge an ein festes Land.
Oft in der Nacht
starr’ ich hinauf in das ewige Schweigen
und sehe die Macht
der Götter entthront ins Dunkel steigen;
und aus Nichts beginn’ ich in Lieben und Lügen
die Welt zu fügen.
– Julius Havemann (1866-1932)
Ein Bild
Ein Bild,
das lange in einem
Zimmer hängt,
hast du oft angeschaut,
kennst es
in allen Einzelheiten.
Ein Mensch
mit dem du lange
zusammen lebst –
hast auch in oft angeschaut,
kennst ihn
mit allen Eigenschaften.
Das Bild
kannst du lange links hängen lassen;
es ändet sich nie.
Den Menschen
musst du stets beachten und neu sehen;
er ändert sich ständig.
unbekannt
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus.
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist der Beginn und das Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.
Rainer Maria Rilke (1899)
Ballade vom Namenlosen
Er lebte, weil er geboren war,
Er fand keinen anderen Grund.
Die Mutter liebte ganz früh sein Haar,
Einmal Eine dann seinen Mund,
Doch war es nicht wichtig und verging
Auch schnell, bevor er’s ermessen.
Alles in allem war so gering –
Er hatte als er zu sterben anfing
Sich schon seit Jahren vergessen.
– Maria Luise Weissmann (1899-1929)
Die Glasglocke
Ich lebe unter einer Glasglocke,
die ist lupenrein und fein,
hart und zugleich zerbrechlich.
Ich liebe meine Glasglocke,
denn sie schützt mein kümmerliches Ich
vor der Welt und all dem Mist.
Ich hasse meine Glasglocke!
Denn sie hält mich klein,
gefangen und allein.
Es ist scheiße, so ambivalent zu sein.
Braucht’s nur Stetigkeit & Ruhe
– und meine Welt ist wieder mein?
Die Glasglocke – T.N.
Ich fürchte mich
Ich fürchte mich so
vor mir selbst.
Denn ich bin Mensch!
Und Menschsein ist dahingestellt
als Schlächter in der eigenen Welt.
T.N. 2017
Glück
Den Glauben, dass uns kein Glück
oder Unglück geschieht,
dem wir nicht einen
Sinn ins Wertvolle
geben können,
den habe ich heute wie
immer und gebe ihn
weder für mich noch für
andere auf.

Die schwarze Krake
Meine Angst gleicht einer Krake,
schwarz und hässlich,
monströs und unersättlich.
Sie presst und quetscht mich.
Bis mir die Sinne schwinden …
Und versuche ich, sie zu überwinden,
packt sie mich noch fester,
sodass unerbittliches Grauen
mich bis ins Mark durchdringt.
Mein Kampf ums Überleben ist blind,
vergebens und so ohnmächtig …
- Dabei bin ich selbst es doch, die sie nährt,
ihr Macht und Kraft gewährt.
Was wäre dieses dunkle Ding,
ohne mich und meinen Lebenssinn?
Also: ich forme die Krake um,
zu einem kleinen Individuum.
Ein armseliges Abbild meiner selbst,
das mir ängstlich seine Hand hinhält.
- T. N.
T.N.
Narben
Ich trage bizarre Zeichen,
die weder am Körper verbleichen
noch aus dem Herzen weichen.
Es sind viele Narben
tief in mein Fleisch,
in Mich gegraben.
Gerade erst wieder verletzt.
Eine frische Wunde entstellt mich jetzt,
noch mit Blut benetzt.
Doch alle diese Narben,
sie schillern und erstrahlen
in Tausenden Farben.
Meinen einzigartigen Farben.
- T.N.
Entfremdung
Mein … ist tot.
Tot – das Wort ist so fremd
Und … so vertraut.
Das Vertraute entfremdet.
Tot – das klingt so absolut!
Beim Klang gefriert mir das Blut.
Du bist weg, ich bleibe.
Dem Vertrauten verbunden.
In Gedenken …
- T. N.
Zwielicht
Wie seltsam es im Zwielicht ist.
Die Schatten bekommen ein Gesicht.
Den Nebel erhellt diffuses Licht,
Durch den ein klagendes Wabern bricht …
- T.N.
frei zitiert nach Kummer
Kein Grund – T.N.

Gefühlt
Da ist nichts …
Einfach das Nichts.
Als wäre Dein Nichts
Jetzt in mir
Zu meinem Nichts geworden.
Verdammt! Ich müsste fühlen.
Ich müsste so voller Gefühl sein
Dass ich in Tränen und Trauer explodiere.
Aber ich fühle …nichts.
Nur das Nichts um mich herum.
Und Dein Nichts in mir.
- T.N.
Rausch
Fülle mich, Fülle meine Leere aus
Vernebel die Welt um mich mit dichtem Rauch.
Ich gebe mich, gebe alles auf
Für nur einen Augenblick Erlösung im Höhen-Rausch
Lösche die Verzweiflung, lösche meine Ängste aus.
Umhülle Geist und Körper mit schwerem, zähem Rauch.
Löse mich, löse mein Wesen auf
Mach mich für alle Schmerzen dieses Lebens taub.
So viele Träume, so viele Ziele gab ich auf
Alles mit, alles wegen, alles für den Rausch!
Verloren – T.N.
- T.N.
Wer ich bin?
Eine emotionsgeladene Wundertüte!
- T.N.
Wenn Du lachst — T.N.
Prisma – T.N.
Tags – T.N.
Geschichten – T.N.
Mut – T.N.
Facettenreich – T.N.
Sandkorn – T.N.
Problemzonen – T.N.

Selbstverurteilung
Es kommen die unheilschwangeren Stunden!
Dann gilt es, kritisch in mich geh‘n
und mit bitterem Ernste unumwunden
mir selbst als grimm´er Richter steh’n.
Anklage und Prüfung kennen keine Milde,
harsch und streng ist mein Gericht,
damit ich die höchste Strafe finde
– und sie mir brenne ins Gesicht.
Diese Stunden voller Gram…
An jedem Abend kehren sie wieder,
und schreiben schwerste Schuld und Scham
für immer und ewig in mir nieder.
- T.N.
Stell immer wieder
alles
in Frage
im Selbstverständlichen
wächst nur
der Tod
Hans-Christoph Neuert
Es gibt noch Wunder
Es gibt noch Wunder, liebes Herz,
getröste dich!
Erlöste dich
noch nie ein Stern
aus deinem Schmerz?
Das Strahlenspiel vom hohen Zelt
in deiner Qualen Tiefe fiel
und sprach:
– Sieh, wie ich zu dir kam
vor allen andern ganz allein!
Bin ich nicht dein?
Getröste dich! –
Erlöste dich
noch nie ein Stern?
– Christian Morgenstern
Der ewige Zweifel, keinem ganz vertrauen,
Nicht sprechen können, wie's zum Herzen drängt,
In jedem Blicke Hohn, Verdammniß schauen,
Macht, daß man fremd sich unter Fremden denkt!
Ein, zweimal wird das Herz zurückgewiesen,
Dann kommt es nicht mehr, klopft nicht wieder an;
Zeigt's keinem mehr, daß seine Thränen fließen,
Nicht lieben mehr es so wie früher kann!
Die Welt nicht weiß, was in ihm vorgegangen,
Denn ton- und klangslos ist der wahre Schmerz –
Und so manch schöne Kraft ist hingegangen
Und leis' gebrochen manches reiche Herz!
– Eugenius Hermann (1829 - 1887)

Nein! Komm zurück,
Mit allen deinen Martern!
Zum Letzten aller Einsamen
Oh komm zurück!
All meine Tränen-Bäche laufen
Zu dir den Lauf!
Und meine letzte Herzens-Flamme —
Dir glüht sie auf!
Oh komm zurück,
Mein unbekannter Gott! Mein Schmerz! Mein letztes — Glück!
Nachtgedanken
Weltenweiter Wand’rer,
Walle fort in Ruh’ . . . . . . . .
Also kennt kein and’rer
Menschenleid wie — du.
Wenn mit lichtem Leuchten
Du beginnst den Lauf,
Schlägt der Schmerz die feuchten
Augen zu dir auf.
Drinnen liegt, — als riefen
Sie dir zu: versteh’! —
— Tief in ihren Tiefen
Eine Welt von Weh . . . . . .
Tausend Tränen reden
Ewig ungestillt, — —
Und in einer jeden
Spiegelt sich dein Bild.
Rainer Maria Rilke

Das Beständige
Alles hat mir schon gelogen,
Jedes Hoffen mich betrogen,
Alles sich wie eitel Tand
Wechselnd von mir abgewandt;
Eines nur blieb mir getreu,
Ewig wahr und ewig neu:
Mein Herz – mein Schmerz!
J. Ch. Freiherr von Zedlitz
Dass die menschliche Natur etwas mit der Moralität des Menschen zu tun hat, steht außer Frage. Was seit jeher umstritten ist und – soviel sei jetzt schon verraten – auch weiterhin heftig umstritten sein wird, das ist die Frage, was wir denn meinen, wenn wir von der „Natur“ sprechen.