Bekannte Philosophinnen – 12 Frauen & ihr geistiges Erbe
Philosophie und andere Wissenschaften galten lange als Männerdomäne. Doch es gab auch viele Philosophinnen, denen bislang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Hier im Kurz-Porträt 12 Frauen der Philosophie:
Antike: Sappho – Aspasia – Diotima – Hypatia – Aréte von Kyrene
Mittelalter: Gertrud von Helfta – Christine de Pizan – Anna Maria von Schürmann
Neuzeit: Mary Astell – Mary Wollstonecraft – Harriet Taylor Mill – Jenny Westphalen-Marx
Sappho von Lesbos
(ca. 630 – 570 v. Chr.)
Sappho ist eine historische Persönlichkeit. Sie lebte auf der Ägäis-Insel Lesbos und war in der antiken, griechischen Welt vor allem als Dichterin bekannt, die eine Mädchen-Schule führte. Sie gilt als eine der frühesten Stimmen weiblicher Perspektiven in der westlichen Literatur und wird häufig als eine der größten Lyrikerinnen der Antike gefeiert. Sapphos Lyra-Gedichte drehen sich um tiefe Einsichten über die (erotische?) Liebe und Schönheit.
Sie gründete auf Lesbos eine Mädchen-Schule, in der sie junge Frauen adliger Herkunft Poesie, Musik, Tanz u. v. m. unterrichtete. Da sie in ihren Liedern die Anmut ihrer Freundinnen, Schülerinnen (und ihrer Tochter) besingt, wurde von ihrem Namen seit dem 15. Jh. der Begriff für weibliche Homosexualität abgeleitet.
Aspasia von Milet
(ca. 5. v. Chr.)
Aspasia von Milet wurde bereits in der Antike für ihre intellektuelle Rolle in Athen bewundert, aber auch angefochten. Insbesondere als 2. Frau des Perikles erregte sich öffentliche Aufmerksamkeit.
Ihre Bildung und ihr scharfer Verstand ermöglichten es ihr, in den höchsten politischen und kulturellen Kreisen zu verkehren. Aspasia war Muse und Beraterin und eine der ersten Frauen, die sich für das Recht auf Bildung und die Gleichstellung der Geschlechter einsetzte.
Trotz ihres Einflusses war Aspasia nicht frei von Kontroversen. Kritiker ihrer Zeit warfen ihr vor, übermäßigen Einfluss auf Perikles auszuüben, was zu Gerüchten und Verleumdungen führte.
Diotima von Mantineia
(ca. 400 v. Chr.)
Diotima gehört zu den wenigen Frauen, die in den platonischen Dialogen erwähnt werden. Zwar tritt sie nicht persönlich in Erscheinung, doch Sokrates ist tief beeindruckt von ihr. Er erzählt, wie sie ihn in der Weisheit unterrichtet und ihn in eine Denkweise eingeführt hat, die später als Sokratische Methode bekannt werden sollte.
Aber nicht nur das: Diotimas Denken beeinflusst den gesamten Dialog über die Natur der Liebe (Eros) und die Suche nach wahrer Schönheit und Weisheit. Demnach beschreibt sie Eros nicht nur als physische Anziehung, sondern als einen Antrieb, der Menschen dazu bringt, nach dem Göttlichen und dem Wahren zu streben.
Ob Diotima eine historische Person war oder eine fiktive Gestalt darstellt, bleibt unklar.
Hypatia von Alexandria (ca. 350 bis 415 v. Chr.)
Hypatia war bereits zu ihren Lebzeiten eine anerkannte Philosophin. Auch war sie Mathematikerin und Astronomin und damit eine der ersten intellektuellen Frauen, für die sichere historische Quellen vorliegen.
Hypatia wurde – wie der Name schon sagt – in Alexandria geboren und war von vornehmer Herkunft. D. h. sie hatte Zugang zu einer der bedeutendsten intellektuellen Zentren der antiken Welt. Außerdem wurde sie von ihrem Vater, dem Mathematiker Theon von Alexandria, ausgebildet und erlangte große Anerkennung in akademischen Kreisen.
Zu ihrem Unglück lebte Hypatia in einer Zeit politischer Spannungen. Wie es scheint, wurde sie in den Konflikten zwischen Heiden und Christen zur Zielscheibe. Im Jahr 415 n. Chr. wurde sie brutal ermordet.
Sie gilt als Vertreterin der neuplatonischen Philosophie und lehrte diese an der Schule in Alexandria. In ihrer Philosophie betonte sie die Bedeutung der Vernunft.
Hypatia war nicht irgendeine Wissenschaftlerin, sondern trug wesentlich zur Weiterentwicklung der Mathematik bei, unter anderem durch ihre Arbeiten und Erklärungen zu geometrischen Theorien und astronomischen Modellen. Sie war bekannt für ihre Fähigkeiten in der Arithmetik und Algebra und ihre Kommentare zu klassischen mathematischen Texten.
Arete von Kyrene (ca. 400 - 330 v. Chr.)
Arete war die Tochter von Aristippos, dem Gründer der Kyrenaischen Schule, einer der frühesten Strömungen der hedonistischen Philosophie. Die Stadt Kyrene lag im heutigen Libyen. Arete war eine der ersten Frauen, die in der antiken Philosophie namentlich erwähnt werden.
Über ihr Leben ist kaum etwas bekannt. Jedenfalls genoss sie eine umfassende Ausbildung dank ihres gelehrten Vaters. Sie übernahm die Lehren ihres Vaters und führte das philosophische Erbe der Kyrenaischen Schule weiter.
Ein zentrales Konzept in ihrer Philosophie ist das Streben nach einem Leben in Übereinstimmung mit der Natur und der Vernunft. Sie betonte die Bedeutung der inneren Zufriedenheit und der Selbstbeherrschung, um wahres Glück zu erreichen. Im Gegensatz zu anderen hedonistischen Ansätzen, die oft auf körperliche Genüsse fokussiert waren, plädierte Arete dafür, das Vergnügen als eine harmonische Beziehung zwischen Geist und Körper zu verstehen.
Gertrud von Helfta (1256 – 1302)
Die heilige Gertrud zählt zu den bedeutendsten Frauen des Mittelalters und ist die einzige deutsche Heilige, die den Ehrentitel „die Große“ trägt. Gertrud erhielt eine außergewöhnliche und umfassende theologische sowie humanwissenschaftliche Ausbildung. Ihr Lerneifer und ihre intellektuelle Begabung stachen dabei deutlich hervor.
Im Alter von 25 Jahren erlebte Gertrud nach einer tiefgreifenden Lebens- und Glaubenskrise 1281 ihre mystische Erleuchtung. Die Vision Christi veränderte ihr Leben fundamental: fortan widmete sie sich nur noch geistlichen Studien und der Betrachtung des Göttlichen.
Gertrud war literarisch äußerst aktiv. Sie übersetzte Teile der Bibel und verfasste Erbauungsbücher. Zudem schrieb sie zahlreiche Gebete sowie viele weitere inspirierende Schriften. Besonders bemerkenswert sind ihre beiden Hauptwerke, in denen sie eine eigene Theologie mit hoher sprachlicher Kunst entwickelte.
Christine de Pizan (1364 – 1429)
Christine war eine bedeutende französische Schriftstellerin, Philosophin und eine der ersten Feministinnen des späten Mittelalters. Sie wurde in Venedig geboren, lebte aber den größten Teil ihres Lebens in Paris. Zudem gilt sie als eine der ersten Frauen, die in der westlichen Literatur als professionelle Autorin tätig wurden.
Nach dem Tod ihres Ehemanns 1389 sah sich Christine gezwungen, für sich und ihre 3 Kinder zu sorgen. In dieser schwierigen Zeit begann sie, Gedichte und Prosa zu schreiben. Ihre Werke sind vielfältig und umfassen poetische Erzählungen, politische und moralische Essays sowie Schriften über Frauenrechte.
Eines ihrer bekanntesten Werke ist „Das Buch der Stadt der Frauen“ (Le Livre de la Cité des Dames) aus dem Jahr 1405. Darin entwirft Christine eine utopische Stadt, die Frauen einen sicheren Raum bietet und ihre Leistungen würdigt. Sie führt eine Reihe von historischen und mythologischen Frauen an, die als Vorbilder für Stärke, Intelligenz und Tugend dienen.
Christine de Pizan setzte sich leidenschaftlich für die Bildung von Frauen ein und stellte sich gegen die verbreiteten negativen Ansichten über Frauen in ihrer Zeit. Sie argumentierte, dass Frauen durch Bildung und Wissen Männern nicht hintanstehen, und kritisierte die gängigen Klischees, die Frauen als minderwertig darstellten.
Anna Maria von Schürmann (1607 – 1678)
Anna wurde in Köln geboren, war eine deutsche Gelehrte, Dichterin, Künstlerin und gilt als eine der ersten bekannten Frauen in der europäischen Wissenschafts- und Bildungsgeschichte.
Sie wird besonders geehrt für ihre umfassenden Kenntnisse in verschiedenen Disziplinen, darunter Griechisch, Latein, Hebräisch und Mathematik. Anna Maria trat auch als Autorin in Erscheinung und veröffentlichte mehrere Werke, darunter literarische und philosophische Schriften. Ihr bekanntestes Werk gilt als tiefgehende Auseinandersetzung mit Geschlechtergerechtigkeit und Frauen-Bildung. In ihren Texten stellte sie u. a. die gängigen Ansichten über die geistige Überlegenheit des männlichen Geschlechts infrage.
Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit war sie eine talentierte Künstlerin: Sie schuf zahlreiche Zeichnungen und war für ihre meditative künstlerische Praxis bekannt.
Mary Astell (1666 – 1731)
Mary Astell ist in der Welt der Philosophie und des Feminismus eine eher unbekannte Figur. Anders als viele ihrer zeitgenössischen Philosophinnen stammte sie nicht aus dem Adel. Ihr Vater war Kohlehändler, sie hatte also keinen Zugang zu einer fundierten Bildung. Noch schwieriger wurde es für sie, als ihr Vater in ihrem 12. Lebensjahr starb.
Normalerweise konnten Frauen in jener Zeit nur überleben, wenn sie heirateten. Doch Mary entschied sich selbstbewusst dagegen: Sie lebte allein und setzte sich mutig gegen die gesellschaftlichen Normen. Ihr Glück war, dass sie auch enge Freundschaften mit anderen intellektuellen Frauen führte, die ihr Rückhalt gaben und sie unterstützten.
In ihren Schriften thematisiert Mary die benachteiligte Stellung der Frauen in einer von Männern dominierten Gesellschaft – eine Realität, die sie selbst mit besonderer Intensität erfahren hat.
Mary Wollstonecraft (1759 – 1797)
Wollstonecraft gilt als Ikone des Feminismus und für ihr bildungs- und frauenrechtliches Engagement bekannt. Lange wurde ihr Name von ihrer berühmten Tochter Mary Shelley (Frankenstein) überschattet, doch mittlerweile wird sie als denkerische Wegbereiterin ihrer Tochter gefeiert.
Sie ist vor allem für ihre Schrift "A Vindication of the Rights of Woman" (1792) bekannt, in dem sie sich leidenschaftlich für die Bildung und Gleichberechtigung von Frauen einsetzte.
Zu ihren Lebzeiten galt sie als Schriftstellerin, die sich mit “toxischer Männlichkeit” befasste. Und davon wusste sie einiges zu berichten: Sie wuchs mit einem trinksüchtigen und brutalen Vater auf, der ihre Mutter regelmäßig verprügelte. Außerdem war er spielsüchtig und trieb die gesamte Familie in den Ruin.
Wollstonecraft wurde in Armut groß und war als Jugendliche gezwungen, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Zudem zog die Familie immer wieder um. Mit 19 Jahren arbeitete Mary Wollstonecraft von 1778 bis 1779 als Gesellschafterin in Bath. Danach gründete sie mit ihren Schwestern eine private Schule in London, die sie bis 1786 leitete. 1785 reiste sie eilig nach Lissabon, um ihrer besten Freundin Fanny Blood bei der Geburt ihres Kindes zu helfen. Als sie 1786 nach London zurückkehrte, war die Schule in den Ruin getrieben; um die Schulden zu begleichen, nahm sie eine Stelle als Gouvernante in Irland an.
1787 erschien ihr Debütroman „Mary“ und sie konnte sich endlich ohne Unterstützung eine bescheidene Wohnung in London leisten. 1792/1793 begegnete sie dem amerikanischen Geschäftsmann Gilbert Imlay, mit dem sie eine Beziehung einging. Aus dieser Verbindung ging 1794 ihre Tochter Fanny hervor. Zu Marys Unglück war diese Partnerschaft nicht harmonisch.
Die Trennung erschütterte Mary so sehr, dass sie depressiv wurde und 1795 einen Selbstmordversuch unternahm. 1797 heiratete sie schließlich den Philosophen William Godwin. Im selben Jahr kam ihre Tochter Mary Shelley zur Welt, doch bereits 11 Tage danach starb Wollstonecraft am Kindbettfieber.
Harriet Taylor Mill (1807 – 1858)
Harriet Taylor Mills Beziehung zu John Stuart Mill ist durchdrungen von tiefen Reflexionen über Emanzipation und Freiheit – Themen, die für beide von zentraler Bedeutung waren. Bis heute wird in der Wissenschaft darüber gestritten, wie sehr Harriet Einfluss auf John Stuart ausgeübt hat.
Mill begegnete der 22-jährigen Harriet, als diese bereits 4 Jahre verheiratet und Mutter war. Die Beziehung der beiden war jedenfalls lange ein Skandal, selbst Freunde sahen sie kritisch.
Nachdem Harriets Ehemann gestorben war, heirateten sie – nach mehr als 21 Jahren seit ihrer ersten Begegnung – und Harriet Taylor wurde zu Harriet Taylor Mill. Ihre Eheschließung ging als kraftvolles feministisches Statement in die Geschichte ein. Im Jahr ihrer Hochzeit erschien das Werk „The Enfranchisement of Women“, in welchem die fortwährenden Gedanken und Diskussionen über Geschlechtergerechtigkeit und die gesellschaftliche Rolle der Frauen beleuchtet werden.
Jenny Marx – Westphalen (1814–1881)
Jenny Marx intellektuelles Wirken wird oft im Schatten ihres berühmten Ehemanns übersehen. Sie gehörte einer verarmten Adelsfamilie an und war für Frauen ihrer Zeit außergewöhnlich gebildet. Bereits in ihrer Jugend interessierte sie sich für die sozialen und politischen Entwicklungen ihrer Zeit. Mit ihrem späteren Ehemann Karl Marx verlobte sie sich 1837 (Jenny war 23 Jahre alt, Karl 19), doch die Verbindung war „anrüchig“, weil Karl Jude und mittellos war. Als sie 7 Jahre später endlich Hochzeit feiern, beginnt ein Leben in Armut und Not.
Jenny und Karl werden politische Flüchtlinge und mehrfach aus verschiedenen Ländern ausgewiesen; in London finden sie endlich Zuflucht. Innerhalb von 13 Jahren bringt Jenny 7 Kinder zur Welt, von denen nur 3 Töchter überleben. Hinzu kam, dass Karl mit ihrer Haushälterin einen unehelichen Sohn zeugte.
Anhand der Familienkorrespondenz aus den 1850er und 1860er wissen wir, dass es Jenny psychisch immer schlechter ging. Sie bildete Depressionen aus und hegte Selbstmordgedanken. Erst als sich die finanzielle Situation besserte und Karl öffentliche Anerkennung genoss, besserte sich ihr Zustand.
Ebenso wie Harriet Taylor Mill war Jenny nicht einfach Ehefrau, sondern Partnerin im intellektuellen Austausch. Ihre Korrespondenzen an Karl enthalten kluge und kritische Analysen und ein tiefes Verständnis für die gesellschaftlichen Umstände ihrer Zeit. Jenny hinterfragte die traditionellen Geschlechterrollen und setzte sich für eine gleichberechtigte Stellung der Frauen ein. Zudem stand sie ihrem Ehemann in dessen politischer Tätigkeit zur Seite, indem sie für ihn Exzerpte anfertigte, Aufsätze abtippte, Materialien sortierte und Verhandlungen mit Druckern sowie Verlegern führte. Auch der umfangreiche Schriftverkehr fiel in ihren Aufgabenbereich. Als „Botengängerin der Revolution“ und als „Sekretär“ von Karl Marx war sie nicht einfach unverzichtbar für die Erstellung seiner Schriften, sondern ebenso beteiligt an ihrem Durchbruch.
Quellen & weiterführende Literatur
1) Leonie Schöler: Beklaute Frauen: Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte, Penguin Verlag 2024
2) Marit Rullmann: Philosophinnen I und II: Philosophinnen, band 1: Von der Antike bis zur Aufklärung, Suhrkamp Verlag 1998
3) Rebecca Buxton und Lisa Whiting: PHILOSOPHINNEN: Von Hypatia bis Angela Davis: Herausragende Frauen der Philosophiegeschichte, mairisch Verlag 2021