Der schwarze Hund & Depression – Woher kommt die Metapher?
Viele Betroffene kennen Matthew Johnstones Bilderbuch „Der schwarze Hund“. Die Metapher für Depressionen und Seelentiefs ist aber nicht erst seit Churchill bekannt, sondern viel älter.
Der schwarze Hund als Symbol für Depressionen
Der schwarze Hund als Metapher für Depressionen ist spätestens seit Matthew Johnsons Erwachsenen-Comic einigen bekannt. Im Vorwort wird auch kurz erklärt, woher die Metapher kommt:
Sie geht auf den Schriftsteller Samuel Johnson (1709-1784) zurück. Winston Churchill (1874-1965) hätte die Bezeichnung schließlich aufgegriffen und sie verbreitet.
Leider haben die Autoren da nicht ganz ihre Hausaufgaben gemacht. Denn die Metapher des schwarzen Hundes ist weitaus älter als popelige 300 Jahre – sie ist ein historisches Urgestein!
Der schwarze Hund in den Mythologien
Den schwarzen Hund gab es schon, bevor die alten Griechen zu philosophieren begannen. Also zur Zeit der Ägyptischen Hochkultur, 1000 Jahre vor Christus. Aber nicht nur dort, auch bei den Kelten und Germanen war der schwarze Hund eine gefürchtete Gestalt.
Hier nur ein kleiner Überblick:
Anubis, der altägyptische Gott des Totenreichs, wachte am Eingang und sorgte für die richtigen Riten
Zerberus, der 3-köpfige Höllenhund, bewacht die Pforten des Hades in der griechischen Mythologie
Der Fenriswolf in der nordischen Mythologie als Verschlinger der Sonne. Außerdem gibt es noch den schrecklichen Hund Garm, der Hels Totenreich hütet.
Von den Hunden Annwns (=Unterwelt) berichtet die Walisische Mythologie
Der schwarze Hund hat einen deutlichen Bezug zum Tod, damals noch in einer Mischung aus positiver und negativer Bedeutung. Das sollte sich im Laufe der Zeit allerdings ändern.
Der schwarze Hund im Mittelalter
Später im Mittelalter kippt die Bedeutung dann ins Negative. Der schwarze Hund wird
zum Unglücksomen
zu einem Todesboten
einem Hexenfreund
und sogar zu einer Inkarnation des Teufels (2)
Auf Wiki heißt es zum Thema:
„Ein Schwarzer Hund (englisch „black dog“) ist ein geisterhaftes Wesen, welches gehäuft im britischen Volksglauben zu finden ist.
Der Hund ist primär ein Nachtgespenst und seine Erscheinung wird oftmals als Zeichen des Todes gewertet.“ (1)
Und bei Martin Luther findet sich eine Passage, die damit in Verbindung stehen könnte. Schon im Herbst 1521 hatte Luther auf der Wartburg verstärkt über Anfechtungen und Heimsuchungen der anderen Art berichtet: Einmal "sah" Luther sogar, als er sich schlafen legen wollte, einen "großen schwarzen Hund" auf seinem Bett liegen.
Der schwarze Hund & die Melancholie im 17./18. Jh.
Erst in dieser Zeit entsteht das Phänomen, dass der schwarze Hund als Metapher für Melancholie (=Depression) gilt. Laut Voing findet sich im Oxford Lexikon folgende Bedeutungszuschreibung für den „black dog“: „fig. Melancholy, depression of spirits; ill-humour“ (2).
Was vorher eine böse Macht im Außen war, ist jetzt eine zerstörerische Kraft im Innern des Menschen. Im 18. Jahrhundert scheint die Metapher ziemlich beliebt, da sie bereits in den Wörterbüchern des 19. Jh. zu finden ist. Interessant ist auch: In manchen Quellen werden Melancholiker (=Depressive) als Menschen beschrieben, auf deren Rücken der schwarze Hund sitzt. Nachdem Churchill die Metapher auch für seine Depression nutzt, wird sie noch bekannter.
Das erklärt auch, warum sich die Metapher vor allem in englischen Texten, Liedern und anderen Künsten wiederfindet.
Der Melancholie-Hund in der Literatur
In der Kunst scheint der Hund nicht nur für sich zu stehen, für das Tier, er dient auch als Spiegelbild des menschlichen Zustandes. In der Malerei wird der Melancholie-Hund daher entsprechend mit melancholischem Blick dargestellt. Dagegen zeigen sich in der Literatur unterschiedliche Ausprägungen:
Bei Kleist erscheint der Hund wild (Phentesilea 1808)
Bei Dickens bedrohlich
bei Dürrenmatt ist der schwarze Hund teuflisch
bei E.T.A. Hoffmann hingegen tiefsinnig-philosophisch
Thomas Mann sieht ihn als treuen Gefährten
„als sei das poetische Bündnis mit dem Hund vor allem dazu da, wieder sicht- und fühlbar werden zu lassen, was der menschlichen Vernunft im Zuge des gesellschaftlichen Wandels und damit einhergehender Sinnkrisen und Spaltungserfahrungen abhanden gekommen ist.“ (2)
In Verbindung mit der Depression steht der schwarze Hund als Platzhalter für das Unaussprechliche.
Gerade diese Interpretation finde ich treffend.
Das Unaussprechliche, das ist für mich der Schrecken, die Trostlosigkeit und blanke Angst in meiner Depression. Sie lässt sich nicht artikulieren, sie ist nur fühlbar.
Die Depression ist treu wie ein Hund. Sobald Du ihr nur ein wenig zu fressen gegeben hast, und sei es nur ein einziger Hundeknochen, bleibt sie zuverlässig an Deiner Seite. Tag und Nacht, bei Wind und Wetter.
Außerdem sind Hunde ein vertrauter Anblick, es gibt sie lange in unserer Kultur. Nicht anders ist es mit der Depression. Ihr Geflüster und Geschwurbel sind uns auch ziemlich vertraut. Oft so sehr, dass wir sie nicht von uns selbst unterscheiden können.
Das große Aber: Depressionen lassen sich zähmen, wenn Du genügend übst. Analog zur Metapher: Hunde sind folgsam, wenn Du sie trainiert hast.
Wann wurde der schwarze Hund mit Depressionen in Verbindung gebracht?
Paul Foley hebt in seinem Artikel "Black Dog as a metaphor for depression" hervor, dass der schwarze Hund als Symbol für Depression vor allem ein relativ zeitgenössisches englisches Phänomen darstellt. Diese Assoziation lässt sich letztlich auf den Schriftsteller Samuel Johnson zurückführen, der im achtzehnten Jahrhundert lebte.
Churchill und sein schwarzer Hund
Große Verbreitung fand das Bild dann tatsächlich durch den Premierminister Winston Churchill. Bekannt ist vor allem dieses Zitat:
„Alice weckte mein Interesse, als sie von ihrem Arzt in Deutschland berichtete, der ihre Depression komplett geheilt hatte. Ich denke, dieser Mann könnte mir nützlich sein, wenn mein schwarzer Hund zurückkehrt.
Momentan scheint er sich ein ganzes Stück entfernt zu haben - es ist solch eine Erleichterung. Alle Farben kehren zurück.“
Laut einer Anekdote soll Churchill die Metapher von einem seiner Kindermädchen aufgeschnappt haben.
Matthew Johnstones Schwarzer Hund
"Bei mir hat die Metapher verfangen, denn ich glaube, unsere Psyche ähnelt einem bisweilen ungezogenen Hund. Sie braucht Verständnis, Disziplin, Übung, Geduld und natürlich Mitgefühl und Liebe.
Ich mag die Metapher auch deshalb, weil sie etwas außerhalb unseres Selbst beschreibt, sie ist nicht unbedingt repräsentativ für unser 'wahres Selbst'."
schreibt Matthew Johnstone auf seinem Blog. Johnstones Verständnis und Darstellungen weichen also von den früheren Schwarzen Hunden ab.
Das hat für Überraschung gesorgt, denn die Herausgeber wollten, dass der Autor seinen Hund furchterregender gestaltet – konkret mit „white eyed, large sharp teeth and frothing at the mouth“. Johnstone erklärt hierzu: „The last thing I wanted to do was to frighten the hell out of people“.
Falls Du das Buch von Matthew Johnstones nicht kennst, sieh Dir das Kurz-Video hier an – es ist wirklich gut.
Fazit: Der schwarze Hund als Metapher der Depression
Symbol der Depression: Der "Schwarze Hund" steht als Symbol für Depression und innere Dunkelheit. Er repräsentiert eine ständige, unerwünschte Begleitung, die die psychische Belastung ausdrückt.
Geschichtliche Wurzeln: Die Metapher hat historische Wurzeln, die bis in die Antike zurückreichen und sich in verschiedenen Mythologien und Kulturen finden.
Entwicklung über die Jahrhunderte: Ursprünglich hatte der schwarze Hund in vielen Kulturen sowohl positive als auch negative Konnotationen. Mit der Zeit hat sich die Bedeutung jedoch verstärkt in den Bereich der Negativität verschoben.
Verkörperung innerer Kämpfe: Der "Schwarze Hund" wird oft als die personifizierte Darstellung der inneren Kämpfe und Ängste gesehen, die Betroffene erleben.
Präsenz: Der Hund wird als ein Begleiter beschrieben, der einmal ins Leben getreten, schwer abzuschütteln ist. Das zeigt die Depressionen als chronisches, wiederkehrendes Leiden.
Quellen:
1) Wikipedia - Stichwort: Schwarzer Hund
2) Nerea Vöing: Arbeit und Melancholie: Kulturgeschichte und Narrative in der Gegenwartsliteratur (2019)
3) dasgrauesofa.com: Vom Lesen zeitgenössischer Literatur - #lithund: Der melancholische Hund (2017)
4) Petra Steinborn, Dipl.-Pädagogin und Heilpraktikerin für Psychotherapie
5) YouTube Kanal der Freunde fürs Leben e.V. - Kurzvideo “Der schwarze Hund”
6) Matthias Ferster: Wie der Poet Les Murray einem uferlosen Meer aus Angst und Wut entschwamm