Jede Depression endet! – Depression: Wann hört das auf?

Jeder Mensch, der mitten in einer Depression steckt, fragt sich, wann das Ganze endlich aufhört. Du verspürst dann eine Ohnmacht & Verzweiflung, die alles in den Schatten stellt, was Du jemals erlebt hast. In solchen Momenten bist Du regelrecht überzeugt, dass Deine Depression niemals vorbeigeht und jemals endet. Das ist aber die verzerrte Sicht, die Dir Deine depressive Störung aufzwingt.

jede depression endet

Depressionen scheinen nicht vorbeizugehen

Sie machen Angst & hoffnungslos. Doch jede depressive Phase endet. Nur wann & wie? Ein Erklärungsversuch mit hilfreichen Tipps.

 

Wenn die Depression nicht aufhört

Psychotherapie beginnen, Antidepressiva einnehmen, Entspannungstechniken erlernen, kreativ sein – das alles sind typische Maßnahmen gegen Depressionen, die mal besser, mal schlechter helfen. Du hast das Gefühl, in einer Endlosschleife gefangen zu sein: Du spürst Deinen Körper, Deine Gefühle und Dich selbst nicht mehr. Du bist in Dir selbst fremd. » Depression: körperliche Symptome (Philosophie)

Eines der schlimmsten Dinge ist der Blick in den Spiegel: Du erkennst die Person, die Du darin siehst, nicht mehr wieder. Von Deinem früheren Ich, das vor der Erkrankung da war, ist nichts mehr zu sehen oder zu fühlen. Jedenfalls in akuten Phasen der Depression.

Der wichtigste Gedanke, den ich Dir als Erstes auf den Weg geben kann, ist: Lass das Kämpfen. Erst dann kann es aufhören.

 

Depressionen sofort beenden funktioniert nicht

Jeder Betroffene kennt diese schreckliche Ohnmacht in solchen Augenblicken. Manche sprechen davon, die Depression mit allen Mitteln zu bekämpfen, sie auszulöschen oder ihr mit allem möglichen zu begegnen. Doch das ist meiner Erfahrung nach der falsche Weg. Es funktioniert genau andersherum, indem Du Dir keinen Druck machst, der Dich nur noch mehr belastet. Es ist, wie es ist. Du bist krank und Deine Psyche möchte Dir sagen, dass Du Dich überfordert hast.

Kämpfe also nicht darum, die schrecklichen Gedanken & Gefühle von Leere, Minderwertigkeit & Hoffnungslosigkeit loszuwerden. Zwinge Dich nicht zum Spazieren, unter Leute zu gehen oder zu arbeiten. Ansonsten driftest Du wieder in ein Hamsterrad ab, das sich immer weiter dreht und kein Ende findet.

Viel wichtiger ist, dass Du es herauslässt. Ich selbst versuche, alles herauszuschreiben – egal wie hässlich und schrecklich die Gedanken oder Gefühle auch klingen. Raus damit! Ich weine Rotz & Wasser, Tag und Nacht, wenn ich mich danach fühle. Das ist okay und wichtig, damit sich diese innere Anspannung in Dir abbauen kann.

Ich vegetiere auf der Couch und tue nichts oder nur Sinnloses. Auch das ist okay, mehr geht nicht und muss auch gar nicht sein. Alles, was Du wissen musst, ist, dass Du diese Lethargie zulassen darfst. Zumindest für eine Weile.

Mehr erkläre ich Dir im letzten Abschnitt ganz unten …

 

Warum Du keine Hoffnung auf Besserung hast

Versteh mich bitte nicht falsch: Ja klar, Scheiße bleibt Scheiße – da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Und in den depressiven Phasen hast Du allen Grund, an allem & Dir selbst zu verzweifeln.

Das liegt an der Eigentümlichkeit der Depression selbst: Sie wirkt sich auf Deine kognitive Leistungsfähigkeit aus, stört Dein Gedächtnis und blockiert auch Dein Gefühlsleben. So wird alles zu einem zähen, einheitlichen Brei.

» brain fog (Gehirnnebel, Watte im Kopf) sowie Einsamkeit in der Depression

Dein Sinn für die Zukunft ist abgeschnitten, darum glaubst Du auch, dass es Dir niemals wieder besser gehen wird. Du kannst Dir Zukunft nicht einmal richtig vorstellen. » Depression: gestörtes Zeitgefühl

Um es mit der Philosophie zu sagen: Die Depression verfremdet Deine Lebenswelt zu einem kalten, einsamen Ding. Du kannst weder Dich selbst noch andere Menschen richtig wahrnehmen. Mehr dazu unter: Depression erklären: mit Philosophie Depressionen verstehen

 

Jede Depression endet

Tatsächlich endet jede Depression von selbst. Es handelt sich nämlich um depressive Phasen bzw. Episoden, die mehrere Wochen oder Monate andauern.

Laut Wissenschaft sollen unbehandelte Depressionsphasen in einigen Fällen 4–8 Wochen anhalten. Doch auch 6–12 Monate sind möglich, und dann ist es plötzlich vorbei.

Wenn Du Psychotherapie machst und Medikamente nimmst, dann verkürzt Du diese Elendszeit extrem. Die meisten Betroffenen kommen dann nach 1 Woche bis 3 Monaten aus ihrem Tief wieder heraus. Auch fällst Du nicht mehr so tief, wenn Du Dir professionelle Hilfe holst.

 

Leider gibt es auch Formen der Depression, die nicht von selbst aufhören: persistierende Depressionen und Dysthymie. Generell wird die Depression aber als selbstlimitierende Krankheit eingestuft.

Das ist nicht ganz falsch: eine Meta-Studie ergab (2018), dass sich bei vielen Patienten die Depression im Laufe der Zeit bessert, das aber nicht an der Psychotherapie liegt (Der Psychologie Eysenck meinte sogar, eine Therapie verlängere und verhindere die Selbstlimitation). Mehr dazu hier » Wie wirksam ist Psychotherapie bei Depressionen wirklich?

 

Bitte nicht falsch verstehen:

Das sind keine verbindlichen und in Stein gemeißelten Zahlen. Nur Statistiken, die einen Orientierungswert liefern.

Das bedeutet allerdings nicht, dass Du dann vollständig vor einer weiteren depressiven Episode gefeit bist. Menschen mit leichten Depressionen können ihre Krankheit vielleicht besser in den Griff kriegen. Doch leidest Du an einer mittelgradigen oder schweren Depression, sind Rückfälle oder wiederkehrende Depressionen sehr wahrscheinlich.

Das passiert den Besten, denn das Arbeiten an Dir selbst braucht Zeit und Geduld. Und vor allem Selbstmitgefühl, Deine eigene Freundlichkeit gegenüber Dir selbst, Deiner Situation. Viele von uns machen sich gedanklich fertig – und genau dieses Gedankenkarussell musst Du unterbrechen lernen.

 

Darum kommen Depressionen in Phasen (Schüben, Wellen)

Wie kommt es eigentlich, dass sich wochenlange Phasen von existenzieller Leere & Sinnlosigkeit mit gesunden Phasen abwechseln, in denen Du wieder zurück in die Welt findest? Die empirische Medizin vermutet, dass es mit der verringerten neurologischen Plastizität zu tun hat: Das Gehirn und die Nervenzellen von depressiven Menschen werden durch die Krankheit gehemmt. (Vgl. Depression & Antriebslosigkeit – die gehemmte Depression). Die Neuronen können nicht mehr so gut miteinander kommunizieren und Informationen weitertragen. Alles wird langsamer, Dein Geist und Dein Körper.

Normalerweise passt sich das Gehirn immer wieder neu an und bildet geistige Verbindungen (Synapsen). Depressive können das nicht, weil die Prozesse sehr zögerlich ablaufen. Daher fühlst Du Dich auch schnell überfordert, wenn viele Reize auf Dich einprasseln, die Dir sonst immer im Alltag normal vorkamen.

Ist die akute Depressionsepisode vorbei, gewinnt Dein Gehirn wieder seine Plastizität zurück. Du reagierst wieder in gewohnter Geschwindigkeit und Effizienz. Das alles erklärt zumindest die neurobiologische Seite der Krankheit.

 

Warum Depressionen enden

Eine phänomenologische Perspektive (Philosophie)

Aus einer philosophischen Perspektive, insbesondere der Phänomenologie, lassen sich Depressionen nicht nur als biologische oder psychologische Zustände verstehen, sondern auch ganzheitliche, existenzielle Erfahrungen.

Viele Therapien können aus diesem Blickwinkel als Re-Synchronisation verstanden werden. Indem Depressionen Störungen in Lebensrhythmen, Synchronizität mit der Umwelt, Leib, sozialen Bezügen, in der Zeitlichkeit und Handlungsfreiheit verursachen, fallen Betroffene aus der Welt.

Die Wiederherstellung dieser existenziellen Verbindungen, die Re-Rhythmisierung, kann entsprechend zum selbstständigen Ende einer Depression führen.

Mehr dazu: Buch: Wie ist es, depressiv zu sein?

 

Woran erkennen, dass die depressive Phase vorbei ist?

Es sind viele kleine Dinge, die Dir signalisieren, dass Du aus dem Gröbsten raus bist. Du hast plötzlich Motivation, Dich wieder zu duschen, herzurichten, etwas für Dich zu tun. Vielleicht hast Du auch Lust, Dich mit Freunden zu treffen oder draußen spazieren zu gehen. In jedem Fall ist die bleierne Schwere, die Dich gefangen gehalten hat, verschwunden:

  • Du kannst wieder denken, ohne Dich komplett in selbst erniedrigenden Gedanken zu verlieren.

  • Du fühlst wieder mehr als nur Traurigkeit und Verzweiflung.

  • Du hast wieder etwas Kraft im Körper, er baumelt nicht mehr wie eine bloße Missempfindung an Dir herab.

 

Selbsthilfe-Tipp:

So hört die Depression auf

Oben war die Rede davon, Depressionen nicht zu bekämpfen, sondern anzunehmen. Das hat jetzt überhaupt nichts mit Esoterik oder Spiritualität zu tun, sondern mit einer philosophischen Haltungsweise. Es geht darum, die Gedanken und Gefühle der Depression zuzulassen, anstatt sie wegzudrängen.

Alles, was Du gewaltsam verdrängst, kehrt in einem stärkeren Ausmaß wieder. Das bringt Dir also wenig. Was meine ich mit zulassen und annehmen? C. G. Jung, Freuds Schüler, prägte den Lebensspruch:

Eine Depression ist wie eine Frau in schwarz. Wenn sie auftaucht, scheuche sie nicht fort. Lade sie ein, biete ihr einen Sitzplatz an, behandle sie wie einen Gast und höre zu, was sie sagen möchte.“

Das war keine Spinnerei des berühmten Psychiaters, sondern eine Inspiration zum Verständnis. Klar, zunächst wirst Du Dich mit dieser Perspektive schwertun. Aber niemand sagt, Du musst das sofort hinbekommen.

 

Es gibt viele Grundlagen, um etwas Ruhe in Deinen Kopf und Deine Gefühlswelt zu bringen:

  • Atemmeditation jeden Tag

  • Sport oder schnelle Bewegung, wenn Dich innere Anspannung quält

  • Struktur im Alltag: also feste Zeit zum Aufstehen, zum Mittagessen usw.

  • Kleine Ziele fixieren: Mal 10 Minuten in einem Buch lesen, etwas Puzzeln, Dir etwas kochen, ein Bad nehmen, Luft auf dem Balkon schnappen

  • Lesen von Erfahrungsberichten über Depressionen – guck mal hier: Bücher über Depressionen

 

Fazit: Jede Depression endet

  • Depressionen kommen in Phasen bzw. Schüben, das hat unter anderem mit den normalen hormonellen Schwankungen im menschlichen Organismus zu tun und seiner Struktur.

  • Jede depressive Phase endet – wie lange das dauert, ist jedoch sehr individuell

  • Lerne Deine Depression kennen, informiere Dich über die Krankheit und ihre verschiedenen Aspekte. Den meisten Betroffenen hilft das sehr bei der Verarbeitung der Depression.

  • Übe Dich in Freundlichkeit Dir selbst gegenüber.

Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hi, ich bin Tamara, freie Journalistin & studierte Philosophin (Mag. phil.). Hier blogge ich über persönliche Erfahrungen mit Depressionen & Angst – und untersuche psychische Phänomene aus einer dezidiert philosophischen Perspektive. Zudem informiere ich fachkritisch über soziale Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Missstände, die uns alle betreffen.

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