Depression: Zweifel an Gefühlen sind typisch für Betroffene
Zweifel an Gefühlen & Beziehung sind üblich bei Depressionen. Viele Depressive stellen die Beziehung in Frage: vor allem, weil die Krankheit Dir die Sicht auf die Welt, Deine Liebsten und Dich selbst vernebeln. Doch Du kannst etwas dagegen tun.
Liebe ich meinen Partner (genug)?
Eine Frage die nicht nur depressive Menschen umtreibt, sondern überhaupt viele Menschen in einer Beziehung, bei denen der innere Kritiker auf den Plan tritt.
Zweifel an der Beziehung durch Depressionen
Beziehungen und Ehen gehen durch Depressionen kaputt – auch weil der depressive Partner sich trennen möchte.
Ein Fehler, den viele bereuen. Trennung vom Partner aus einer Depression heraus ist immer eine schlechte Idee. Denn die Depression verzerrt Dein Gefühlsleben und Deine Gedanken ins Unkenntliche.
Dabei arbeiten sich Deine depressiven Gedanken wie ein schleichendes Gift vor - von Dir bis zu Deiner Beziehung. Sie sind heimtückisch und kontrollieren Dein Leben, wenn Du nicht aufpasst und alles für voll nimmst, was die Depression Dir in den Kopf setzt.
Und glaub mir, viele dieser Gedanken kommen von der Depression.
Depressionen als Trennungsgrund
Wie oft Depressionen in Partnerschaften zur Trennung führen, hat zuletzt das Deutschland-Barometer Depression 2018 der Stiftung Deutsche Depressionshilfe bewiesen (3). Die Ergebnisse zeigen, wie typisch Zweifel an der Beziehung sind, sobald einer von beiden Partnern Depressionen hat:
Quelle: Stiftung Deutsche Depressionshilfe
Quelle: Stiftung Deutsche Depressionshilfe
72 % der Depressiven fühlen sich durch die Krankheit nicht mehr mit anderen Menschen verbunden
84 % der depressiven Partner fühlen sich vom „gesunden“ Partner unverstanden und leiden unter Vorwürfen und Streitereien mit dem Partner.
45 % der Beziehungen, in der ein Partner depressiv ist, scheiterten
36 % berichteten aber von einer Vertiefung und Festigung der Partnerschaft
Depression & Partnerprobleme
„Die hohe Zahl der Trennungen zeigt, was für eine tiefgreifende Erkrankung die Depression ist (...) An Depression erkrankte Menschen verlieren den Antrieb, ihr Interesse und fühlen sich innerlich abgestorben, ohne Verbundenheit mit anderen Menschen oder ihrer Umwelt.
Sie ziehen sich zurück und sehen den gesamten Alltag wie durch eine schwarze Brille. All diese krankheitsbedingten Veränderungen haben massive Auswirkungen auf Partnerschaft und familiäre Beziehungen.
Deshalb ist Depression oft die Ursache und nicht die Folge von Partnerschaftskonflikten“ sagt Prof. Dr. Hegerl (2).
vgl. auch Depression beim Partner erzeugen Stress, Überforderung & Probleme
„Ich liebe meinen Partner nicht genug“
Woher kommen die Zweifel?
Kommt Dir dieser Gedanke bekannt vor?
Du bist damit nicht allein.
Mir und vielen anderen geht oder erging es ähnlich.
Bei mir war es so: Ich bin jetzt seit 10 Jahren mit meinem Mann zusammen. Wir haben sehr schöne, aber auch sehr schwere Zeiten miteinander durchlebt. Eine Trennung kam für mich niemals in Frage. Bis mich die Depression & Sozialphobie vor 3 Jahren mit voller Wucht umhaute.
Mich und meine ganze Welt in Trümmer legte.
Ich grübelte nicht nur über mich selbst, sondern auch über meine Beziehung.
Liebte ich meinen Partner noch? Liebte ich ihn genug? Ständig kritisierte ich, war genervt von ihm und sah überall Probleme.
Besonders in akuten Depressionsphasen.
Dachte ich darüber nach, quälten mich tiefe Schuldgefühle und ich fragte mich, wo genau meine Gefühle hin waren. Andererseits machte mich das furchtbar fertig, weil ich ihn auf keinen Fall verlassen wollte.
Ich hatte meinem Mann so viel zu verdanken: Während der ganzen depressiven und phobischen Phase war er an meiner Seite und unterstütze mich, so gut er konnte.
Und was war mit mir? Ich hatte Zweifel an mir und an meinen Gefühlen zu ihm. Und das Bewusstsein über diese Zweifel war noch schlimmer.
Dass die Depression mich damals unterbewusst längst wieder im Griff hatte, war mir nicht klar.
Wie so oft erkannte ich erst zum Schluss (als der Schleier der Depression endlich wieder abfiel), dass ich vor lauter Angst fast den schlimmsten Fehler meines Lebens begangen hätte.
Erst nachdem diese Phase überstanden war, konnte ich wieder meinen Mann “sehen” – mit all seinen wundervollen Eigenschaften. Mir viel es wie Schuppen von den Augen!
Zweifel an Gefühlen bei Depressionen sind normal
– echte Beispiel-Fälle (anonym)
Auch wenn Du das im Moment nicht glaubst, wir sind mit solchen Fragen nicht alleine. Im Gegenteil: Laut Psychologen & Paartherapeuten sind diese Art von Gedanken selbst in Beziehungen zwischen gesunden Partner normal.
Die Folgen: Gewissensbisse, Schuldgefühle, Angst und Panik.
Das sind alles Verfassungen, die sich nicht so toll auf die Beziehung auswirken. Und Deine Zweifel an Deinen Gefühlen verstärken, obwohl sie nicht der Wirklichkeit entsprechen.
Im Folgenden noch ein paar Beispielfälle von Menschen mit Depressionen, damit Du siehst, dass ich, Du und viele andere auch diese Gedanken haben.
Depression und Liebesgefühl weg – Beispiel 1
„Ich sehe meine Freundin an und fühle mich nicht mehr zu ihr hingezogen, sie nicht mehr attraktiv. Ich entdecke immer mehr, das mich stört. Und habe immer öfter Zweifel an der Beziehung und an meiner Liebe zu ihr.
Sie tut so viel für mich und ich schäme mich so sehr, dass ich bei ihr immer diese Gedanken habe, dass ich sie nicht mehr schön finde und nicht mehr mit ihr zusammen sein will.
Bin ich evtl. nur mit ihr zusammen, weil ich sonst niemanden habe? Kommen diese Gefühle auch von der Depression oder bin ich nicht mehr verliebt?“
Depression und Beziehung beenden – Beispiel 2
„Ich finde meinen Partner oft nicht mehr attraktiv, dann steigere ich mich total rein und möchte die Beziehung beenden. Das schaffe ich aber auch nicht, irgendwas hält mich immer davon ab!
Was mir aufgefallen ist: Solange ich nicht darüber nachdenke, ob ich ihn liebe kann, dann kann ich die gemeinsame Zeit mit ihm echt genießen!
Aber so...ich kann mir selbst nicht mehr vertrauen: Mir geht’s immer nur schlecht, Zweifel an der Beziehung sind an der Tagesordnung.
Ich wünsche mir nur noch, dass der ganze Alptraum endlich aufhört. Bis der ganze Mist mit ich liebe ihn nicht mehr usw. angefangen hat, haben wir nämlich eine schöne Beziehung geführt.“
Depression und Liebesfähigkeit – Beispiel 3
„Ich grübel Stunden lang am Tag darüber nach, ob ich meinen Partner liebe. Da ich ihn ständig abwerte, alles komisch und doof finde was er sagt und macht.
Dann bin ich traurig darüber, komme immer wieder zu dem Schluss, dass ich ihn nicht lieben kann, wenn ich so bin. Dann habe ich Angst und Panik und denke, ich muss ihn verlassen obwohl ich es nicht will.“
Depression und Beziehung in Frage stellen – Beispiel 4
„Vor einigen Tagen kam das Stimmungstief wieder, als ich bei ihm war. Und plötzlich hatte ich den schrecklichen Gedanken, dass ich ihn vielleicht nicht richtig liebe. Stimmungstiefs kommen oft, wenn wir zusammen waren.
Momentan ist er eine Woche verreist und ich habe Zeit genug, um darüber nachzudenken. Gestern war mein bester Freund da und mir ging es hervorragend.
Aber kaum denke ich an meinen Freund, fängt mein Herz an zu rasen und ich bekomme irgendwie Angst, dass die Beziehung nicht das richtige für mich ist.“
Du siehst, Du und ich sind nicht die einzigen, die von solchen Gedanken gequält werden.
In dem Zusammenhang evtl auch interessant für Dich:
Warum trennen sich Depressive vom Partner? – Die häufigsten Gründe
Gedanken über Gedanken – Wer spricht da eigentlich?
Ob Depression oder nicht, einem Menschen gehen im Schnitt so 70.000 Gedanken pro Tag (!) durch den Kopf. Die einen sind sinnvoll, die anderen dämlich usw. Und Dinge wie „Ich liebe meinen Partner nicht genug“ sind beängstigend und schrecklich.
Meinungen, Ideen, Ansichten, Urteile, Glaubensmuster, Reflexionen – das alles sind Gedanken. Nicht mehr und nicht weniger.
Aber Gedanken sind nicht die Wirklichkeit. Und jetzt kommt’s: In dieser banalen wie tiefsinnigen Unterscheidung liegt der Clou.
Deine Depression beeinflusst Deine Gedanken extrem negativ, da ist nichts Schönes mehr unter der Sonne. Und Du selbst siehst Dich ohnehin ziemlich unzulänglich, fehlerhaft und minderwertig.
Die verf*** Depression wirft Dir ungeprüfte Gedanken hin und wartet, bis die Bombe platzt.
Die meisten Menschen halten ihre Gedanken für die unumstößliche Wahrheit. Alles was ihnen in den Sinn kommt, wird automatisch zum bitteren Ernst. Hier liegt leider auch das Problem, gerade für Menschen mit depressiven Gedanken.
Wenn Du jedem Deiner Gedanken glaubst, verlierst Du an Vitalität und damit auch an Optimismus. Die Leichtigkeit geht verloren, in Dir und Deiner Beziehung.
Das Leben erhält eine Schwere, die kaum zu ertragen ist.
Depressive zweifeln oft an ihren Gefühlen & ihrem Partner
– Aber warum?
Die Psychoanalyse bestätigt seit langer Zeit schon:
Unglückliche Menschen projizieren ihre eigenen Ängste, Unsicherheiten, Ärgernisse und Traurigkeit unbewusst auf andere Personen oder Situationen.
Im Klartext: Du siehst im anderen das, was Du an dir selbst nicht magst und ablehnst.
Diese Erfahrung deckt sich mit der Theorie des „Schattens“ von C.G. Jung.
Desto stärker und intensiver die Verbindung zu einer anderen Person ist, desto mehr werden Ängste getriggert. Mit der Depression sind all diese Unsicherheiten noch viel krasser als bei jedem gesunden Menschen.
Sigmund Freud sagte einmal:
„Wer an seiner Liebe zweifelt, darf, muss doch auch an allem andern, geringeren, zweifeln.“
Wenn Dein Gefühl und Verhältnis zu Dir selbst gestört ist, dann auch die Verbindung zur Umwelt und den Menschen, die Dir nahe stehen.
Allem geht der Sinn und die Bedeutung abhanden. So vieles wird durch die Depression ausgehöhlt und leblos. Dein Selbstwert und in der logischen Folge auch Deine Beziehung.
vgl. auch: Kein Selbstwertgefühl – Symptome & Selbstwert-Aufbau (Übungen)
Und das Schlimmste: Du hast kein Selbstmitgefühl und verurteilst Dich scharf und unerbittlich dafür, dass Du solche Gedanken hast.
Depressive Zweifel an Gefühlen & Partner überwinden
Bei der Psychologin Dr. Luschas (Boss im Kopf) habe ich eine tolle Methode gefunden, die mir sehr gut geholfen hat, wenn in mir Zweifel über meine Gefühle hochkamen.
Und auch bei anderen Problemen zeigt sie Wirkung.
Die Technik nennt sich „The Work“ (von Byron Katie) und arbeitet mit 4 Fragestellungen.
1. Ist dieser Gedanke wahr?
(Ja oder Nein)2. Kannst Du 100 % sicher sein, dass der Gedanke wahr ist?
(Ja oder Nein)3. Wie geht es Dir, mit diesem Gedanken?
(körperliche Empfindungen, Gefühle, Selbstwert)4. Und wie würde es Dir gehen, ohne diesen Gedanken?
Ganz wichtig:
The Work von Katie Byron ist kein Ersatz für eine Psychotherapie. Sie ist lediglich eine ergänzende Therapie-Methode, die Dir helfen kann, das Verständnis für Dich selbst zu vertiefen.
Die Work-Methode soll vielmehr Deine Selbstreflexion anregen.
Legen wir mit einem konkreten Beispiel los:
„Weil ich ihn/sie ständig kritisiere, kann ich ihn/sie nicht lieben.“
Jetzt kommen die ersten beiden Fragen zum Zug: mit ihnen baust Du erst einmal Distanz zu Deinen Gedanken auf und vergleichst sie mit der Wirklichkeit. Die richtige Schlussfolgerung: Deine Gedanken bilden nicht 1 zu 1 die Realität ab.
Mit der 3. Frage sollen Dir die Folgen dieses Gedankens bewusst werden. Wie stark sich die Gedanken, die Du für voll genommen hast, in Deiner Beziehung niederschlagen. In alltäglichen Dingen und in Deinem Verhalten.
Du wirst jetzt wahrscheinlich starke Gefühle spüren.
Vielleicht Angst, Wut oder Scham und Schuld. Das ist völlig normal und okay. So geht es fast jedem und das ist gut so. Denn genau diese Gefühle müssen raus!
Aber Vorsicht, verliere Dich nicht wieder in der Gedankenspirale, die will immer wieder starten und Dich ablenken.
Zeit für die 4. Frage:
Wie geht es Dir, ohne den belastenden Gedanken „Ich liebe meinen Partner nicht genug“?
Du wirst sehen, jetzt bist Du etwas entspannter und Deine Zweifel schwächer bis ganz weg.
Um das hinzubekommen, kehrst Du den Gedanken um, zum Beispiel so:
• Weil er mich ständig abwertet, kann ich mich nicht lieben.
• Weil ich ihn ständig abwerte, kann er mich nicht lieben.
• Weil ich ihn nicht abwerte, kann ich ihn nicht lieben.
• Weil ich mich ständig abwerte, kann ich mich nicht lieben
Lass Dir ruhig Zeit. Was dabei herauskommt, verrät Dir einiges über Dich selbst, Dein Verhalten, Deine Einstellung und Deine Wirkung auf die Mitmenschen.
Sieh Dir das Video von Boss im Kopf an
– schön authentisch, einfach erklärt und ohne Schnickschnack.
Fazit: Depression & Zweifel an Gefühlen oder Partner
Hast Du Depressionen, sind Zweifel am Partner und Deinen Gefühlen eine logische Folge der Erkrankung. Zweifel an Gefühlen, Liebe und den Partner sind okay:
Du bist kein schlechter Mensch wegen dieser Gedanken.
Du bist auch nicht weniger wertvoll, weil Du solche Gedanken hast.
Du bist nicht anders als alle anderen, weil Dir diese Art von Gedanken kommen.
Alles, was diese Gedanken beweisen, ist: dass Du ein normaler Mensch bist! Mit allen Ecken und Kanten, die zum Menschsein gehören und es erst einzigartig machen.
Wichtig ist nur, dass Du diese Gedanken auf den Prüfstand stellst anstatt sie für bare Münze zu nehmen.
Vgl. auch Langzeitfolgen der Depression – Was von der Krankheit bleibt
Hier ein gelungenes Video von funk: “Das letzte Gespräch”, in dem sehr gut klar wird, mit welchen Schwierigkeiten beide Partner in der Beziehung zu kämpfen hatten.
Quellen:
1) André Martens: Depression beim Partner: So können Sie ihn unterstützen und Ihre Beziehung stärken
2) Ärztliches Journal: Depression – Massive Folgen für Partnerschaft und Familie (Nov. 2018)
3) Stiftung Deutsche Depressionshilfe e.V.: Deutschland Barometer 2018
4) Franziska Luschas: Zweifel an der Beziehung? The Work und der X Prozess mit den Gedanken “Ich liebe meinen Partner nicht genug”
5) Annegret Faber: Depressionen: der Trennungsgrund, über den keiner redet (MDR Wissen)
6) Anja Reumschüssel: Eine Depression lässt das Herz taub werden
7) Vera Matt: ROCD: Zweifel an der Liebe
8) Sharon Brehm: „Er ist vielleicht nicht der Richtige“ – Vom Zweifel an der Liebe
9) Katharina Kittinger-Sereinig, Psychotherapeutin in Graz
10) Benjamin Slezak: Die Beziehung mit einem depressiven Partner