Sinn des Lebens & Depression – Innere Leere & Sinnkrise
Die Sinnkrise ist Dauerzustand bei Depressionen. Als depressiver Mensch ist dir der Sinn deines Lebens verloren gegangen. Dabei eröffnet sich dir eine furchtbare Leere, die deine Existenz grotesk verzerrt. So sehr, dass viele in ihrem Mangel an Sinn keinen anderen Ausweg mehr sehen, als sich das Leben zu nehmen.
Depressionen & qualvolle Sinnkrisen
Depressionen sind so existenziell zermürbend, wie kaum eine andere Krankheit. Dabei ist die Sinnleere dermaßen heftig zu spüren, dass es einige Betroffene in den Selbstmord treibt.
Depressionen erzeugen Sinnverlust
Viele Dinge werden dir als Mensch erst bewusst, wenn du sie nicht mehr hast. Wenn du einen Mangel erleidest, der dir schmerzlich vor Augen führt, was das Abhandenkommen eigentlich für dich und dein Leben bedeutet.
So ist es auch mit der Sinnhaftigkeit deines Lebens bzw. der Bedeutung deines Mensch-Seins. Wer noch nie diese existenzielle Sinnlosigkeit erlebt hat, der kann sich kaum vorstellen, wie qualvoll und bitter Depressionen sind.
Depressionen & die große Sinnleere
Depressionen sind nicht ohne Sinnkrise zu denken. Du spürst diese gähnende innere Leere in dir und kannst sie keinem anderen Menschen begreiflich machen.
Die Frage nach dem Sinn ist für Depressive nicht banal, verrückt oder bescheuert – die Sinnfrage ist für dich als Betroffener der Mittelpunkt deiner Existenzberechtigung.
Depressionen sind keine Frage des Willens, sondern eine Frage des Sinns. Deines individuellen Sinns und Daseins als menschliches Wesen. Die Leere an Sinn betrifft dich ganz allein, losgelöst von deinem Umfeld, isoliert von der Welt und ihren Geschehnissen.
Vgl. auch Depressionen erklären mit Philosophie
Sinnlosigkeit spannt sich über dein gesamtes Denken & Handeln. Denn was bedeutet es für dich schon, etwas zu tun, dich anzustrengen oder etwas zu erreichen, wenn du selbst keinen Sinn machst – deine Existenz wie ein Fehler haltlos im Raum schwebt?
Depressionen als Sinnkrise – bin ich meine Krankheit?
Als Mensch, der an Depressionen leidet, steckst du in einer qualvollen Existenzkrise (wenn wir das Ganze mal mit der phänomenologischen Philosophie betrachten).
Tatsache ist, Depressionen formen deine Wirklichkeit um. (Vgl. Lebenswelt nach Husserl & Ratcliffe)
Sie machen dich für negative Gefühle empfänglicher, isolieren dich von deiner Umwelt, hemmen deinen Körper (mitsamt seinen Funktionen) und untergraben deinen Willen.
Das heißt aber nicht, deine Depression würde sich allein in deinem Inneren abspielen. Sie versteckt sich nicht in einem kleinen Hinterzimmer in deiner Psyche und zieht dort ihre Kreise.
Deine Depression ist das Medium, über das du deine Lebenswelt erfährst! Auch wenn sie dich als Mensch nicht ausmacht. Vgl. hierzu: Existentialismus
Sinn des Lebens durch äußere Faktoren wiederfinden?
In der Psychologie und Neurobiologie wurde einiges unternommen, um dem Sinnmangel bei Depressionen auf die Spur zu kommen. Was kann dir helfen, wenn du dich sinnlos, nutzlos und wertlos fühlst? Die Antwort der Wissenschaften ist nicht ohne, aber auch etwas einseitig.
Um Sinn zu erleben, brauchst du andere Menschen, die dir deine Bedeutung zeigen. Die Einbindung in ein soziales Gefüge also, in dem du Wertschätzung, Anerkennung und Sympathie erfährst.
Diese Theorie stützt sich u. a. auf biologische Erkenntnisse: Erlebst du einen Verlust an intersubjektiver Verbindung und bekommst über lange Zeit keine soziale Wertschätzung, verändern sich Gehirn und Gehirnstoffwechsel:
Das Belohnungs- und Motivationssystem drosselt seine Aktivität
Die Produktion von Botenstoffen wie Dopamin reduziert sich deutlich
Die Stress- und Angstsysteme antworten mit stärkerer Aktivität
Die Herstellung von Cortisol und Norardrenalin fährt hoch
Depressionen sind eine Existenzkrise
Laut Neurowissenschaften reagiert Deine Psyche auf diese “Gehirnveränderng” mit dem Gefühl von Sinnlosigkeit und gewaltiger Leere sowie Angst, Selbstzweifel und Selbstvorwürfen. Im Umkehrschluss hieße das, wenn du in einer Depression nur genügend Zuneigung und Anerkennung von anderen erhältst, dann findest du wieder den Sinn in deinem Leben.
So einfach ist es leider nicht. Depressionen sind kompliziert und treffen dich als Ganzes. Das gesamte Konzept Mensch: dein Selbstbild, dein Selbstverständnis, deine Selbsterfahrung, deine Interaktionsfähigkeit, dein Leibempfinden.
Depressive Sinnkrise überwinden – geht das?
Es gibt unglaublich viele Tipps im Internet, mit denen du deiner Sinnkrise begegnen sollst.
Einige davon sind dermaßen daneben, dass ich mich frage, ob diese Leute überhaupt begriffen haben, was Sinnlosigkeit in der Depression bedeutet. Andere sind weitaus reflektierter, aber schwer umzusetzen.
Erkenne dich selbst, hinterfrage deine Gedanken, fühle deine Gefühle, konzentriere dich auf deine Stärken – alles ja schön und gut, aber als Mensch mit Depressionen wirst du deinen Sinnmangel damit kaum beikommen können. Überhaupt, wie sollst du dich selbst erkennen, wenn du von der Depression überschattet wirst?
Ich kann dir natürlich auch nichts garantieren, aber folgende Dinge halte ich für wichtiger und wirksamer:
Psychoedukation
Informiere dich über Depressionen und verstehe, welche Rolle die verschiedenen Komponenten von Selbst, Körper, Umwelt dabei spielen.
Es geht nur darum, Depressionen zu verstehen – und zwar als Krankheit.
Vielleicht interessiert dich auch die philosophische Perspektive:
Korporifizierung des Leibes – Körperliche Symptome bei Depressionen
Frankls Sinnlehre
Mit Resilienz, Kohärenzgefühl / Kohärenzsinn und Sinnfindung hat sich dieser Psychotherapeut, wie kein anderer, beschäftigt.
Frankl bringt so einiges auf den Punkt, dass dir in der depressiven Sinnkrise äußerst hilfreich sein wird.
Auch Irvin Yalom (Begründer der existenziellen Psychotherapie) ist inspirierend » Vgl. Existenzängste, Abschnitt existenzielle Psychotherapie
Achtsamkeit
Damit meine ich nicht die ganze Trendwelle an Selbstoptimierung, die derzeit durch Medien & Social Media schwappt. Du musst nicht unbedingt meditieren, wenn du nicht kannst.
Allein die Stille zu genießen, Tagträumen oder das Beobachten deiner Umgebung sind schon ausreichend, um dich in Achtsamkeit zu trainieren.
Kreative Aktivitäten
Existenzkrisen lassen sich oft nicht in Worte fassen. Oder besser gesagt, nicht unbedingt in verständliche Worte.
Hier hilft mir persönlich kreatives Schreiben.
Aber auch Malen oder andere kreative Tätigkeiten lassen dich einen Freiraum in dir finden, der sich mit Sinn füllt.
Erfahrungsberichte anderer lesen
Sehr vielen Menschen hilft es, Bücher über Depressionen, Kurzberichte oder Blogtexte zu lesen, in denen andere von ihren Depressionserfahrungen berichten. Insbesondere Selbsthilfegruppen sind für viele ein rettender Anker.
Auf diese Weise erfährst du wieder Gemeinschaft, du findest dich als Zugehöriger eines sozialen Gefüges wieder, das deine Leidensgeschichte mit dir teilen kann.
Psychotherapie
Gespräche helfen, aber nicht irgendwelche, sondern tiefgehende, die dir einen Raum geben, der vor den Blicken der anderen, Urteilen und sonstigen Bewertungen geschützt ist.
Manchen reicht vielleicht die Unterhaltung mit anderen Betroffenen.
In den meisten Fällen sind aber Psychotherapeuten die besseren Gesprächspartner.
Beschäftige Dich mit Philosophie
Egal, ob abendländische oder östliche Philosophie – sie ist nicht therapeutisch gedacht.
Philosophie kann dir in Kombination von Psychotherapie & anderen Maßnahmen dabei helfen, dich und das Leben von einer anderen Perspektive aus wahrzunehmen.
Du musst dir dazu nicht gleich Kant oder Hegel im Original vornehmen. Es genügt völlig, wenn du Sekundärliteratur dazu liest – Hauptsache, du verstehst, was da geschrieben steht.
Bitte denke daran: Philosophie liefert keine absoluten Antworten auf den Sinn des Lebens. Sie stellt Fragen, konstruiert Gedankenexperimente, zeigt Möglichkeiten auf. Doch genau diese Eröffnung an Möglichkeiten kann dich unterstützen, aus der erdrückenden Sinnlosigkeit auszubrechen.
Evtl. auch interessant für dich: Depression als Schutz – Welchen Sinn haben Depressionen?
Fazit: Depression als Sinnkrise
Nach gängigem Verständnis der Medizin sind Sinnkrisen entweder die Ursache oder die Folge einer depressiven Erkrankung. Dabei wird der depressiven Erkrankung ein Status als primäres und isoliertes Phänomen zugeschrieben, welches sich in Symptomen wie einer Sinnkrise ausdrückt.
Das Problem hierbei ist, dass ein solches Modell das subjektive Erleben der betroffenen Person und die vielschichtigen Bedeutungszusammenhänge der menschlichen Existenz vernachlässigt. Vgl. Armut & Depression – Gesundheitliche Ungleichheit
Demgegenüber erkennt die phänomenologisch-existenzielle Philosophie die Sinnkrise als integralen Bestandteil der depressiven Erkrankung. Das macht einen entscheidenden Unterschied, insbesondere mit Blick auf therapeutische Ansätze. Denn anstatt nur die Symptome zu behandeln, rückt das subjektive Erleben des Einzelnen in den Fokus.
Vgl. auch Philosophie & Psychologie oder seelische Krankheit