Teufelskreis der Angst – Was bei Angst- & Panikattacken passiert
Der Teufelskreis der Angst beschreibt, was bei Angstzuständen & Panikattacken in Kopf & Körper vor sich geht. Dabei spielen verschiedene Komponenten eine Rolle, die wie Zahnräder ineinander greifen und den sogenannten Angstkreislauf bilden. Es ist schwer, doch dieser Teufelskreis lässt sich durchbrechen.
Der Angstkreis
Aktuell geht die Medizin davon aus, dass Angststörungen durch die Kombination mehrerer Faktoren entstehen, die zusammenwirken.
Kreislauf der Angst & seine 4 Ebenen
Panikler nehmen sich selbst und ihre Umwelt anders wahr. Aber die veränderte Kognition ist nicht die einzige Ebene, auf der sich Panikattacken und Angstzustände abspielen.
Insgesamt lassen sich 4 Ebenen erkennen, die den Teufelskreis der Angst bilden und aufrechterhalten: kognitiv, neurologisch, körperlich und emotional.
Als Angstneurose werden alle ängstlichen Reaktionen bezeichnet, die in keinem Zusammenhang mit einer realen Bedrohung stehen.
Die Symptome der Angststörung sind Zittern, Schwitzen, Herzklopfen bis hin zur völligen Erstarrung und Hilflosigkeit. Bis zu 15 % aller Menschen leiden mindestens einmal im Leben an einer ausgeprägten Angstneurose.
Wer an einer Angststörung leidet, der kennt den Teufelskreis der Angst leider nur zu gut. Die Symptome sind so schrecklich, dass sich häufig eine Angst vor der Angst entwickelt.
Wie kommt es zu einer Angststörung?
Nach dem strukturalistischen Ansatz, ist Angst eines der 7 Basisgefühle des Menschen, neben Wut, Ekel, Freude, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung.
Aktuell geht die Medizin davon aus, dass Angststörungen durch die Kombination mehrerer Faktoren entstehen: also multifaktoriell durch das Zusammenspiel von genetischen, neurobiologischen, kognitiven und psychosozialen Faktoren.
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Der Teufelskreis der Angst
– Die verschiedenen Komponenten
des Angstkreises
Der Teufelskreis der Angst, aufrechterhalten durch die verschiedenen Komponenten der Angststörung.
Die kognitiv-subjektive Komponente der Angst
– Ich sehe die Welt anders als Du
Angstpatienten wie ich nehmen die Umwelt anders wahr als „gesunde“ Menschen. Studien zeigen, diese Sinneseindrücke korrelieren mit neurobiologischen Prozessen, die anders ablaufen.
„Im Vergleich zu gesunden Probanden zeigen Patienten mit einer remittierten Panikstörung eine verstärkte Aktivierung des Mandelkerns, einer Hirnregion, die für die Auslösung einer Furchtreaktion die Schlüsselrolle spielt.
Interessanterweise tritt diese Überaktivität parallel mit einer verminderten Aktivierung des zingulären und präfrontalen Kortex auf.
Panikattacken entstehen offensichtlich dadurch, dass diese höheren Steuerregionen ihre kontrollierende Funktion bei der Gefahreneinschätzung nicht ausreichend wahrnehmen können.”
Quelle: PLoS ONE, Online-Vorabpublikation
Kognition gründet sich allerdings nicht nur auf biologische Faktoren, sondern auch auf psychische: die Beurteilung von Emotionen, Situationen, Menschen, Gesten, Worten usw.
Vgl. Kognitive Verzerrungen – Diese Denkfehler machen wir alle
Menschen mit Angststörung beurteilen die eigenen Emotionen als negativ und empfinden sie stärker, ebenso werden Umweltsignale in einer Paniksituation überinterpretiert.
Generell liegt eine negative Bewertung des Ichs und der Umwelt vor.
Enorm wichtig ist, wie der Betroffene die körperlichen Signale bei einer Angstattacke bewertet. Oft werden die körperlichen Symptome als schlimm und unerträglich wahrgenommen. Das fördert wiederum die Angst selbst und die Wucht der Attacke.
Die tiefenpsychologische Komponente der Angst
– Es, Ich und Über-Ich
Seit Freud wird Angst als innerpsychischer Konflikt gedeutet. Ich möchte etwas Bestimmtes, doch mein Gewissen verbietet es mir.
Nach Freud findet eine Verdrängung statt, die zur Angst führt. Diese projiziert sich schließlich auf äußere Objekte bzw. Situationen.
Warum auf äußere? Äußeren Objekten kann man leichter entkommen als inneren Problemen. Stichwort: Vermeidungsverhalten.
In der modernen Psychologie glaubt man, dass vor allem Personen von Ängsten betroffen sind, die als Kind eine schmerzliche Trennungserfahrung mitmachen mussten. Hier soll die Angst vor Verlust und Verlassen zu einer Phobie führen können.
Die neurobiologische Komponente der Angst
– Vulnerabilität (Verletzlichkeit, Verwundbarkeit)
Menschen wie ich haben eine genetische und/oder erworbene Anfälligkeit für Angststörungen. Vgl. auch Vulnerabilitäts-Stress-Modell (Erklärung & Kritik / Mängel)
Ich reagiere stärker auf äußere Reize als andere, gesunde Menschen. Mein Nervensystem ist schneller erregbar, die körperlichen Symptome der Angst spüre ich dadurch stärker.
Im Gehirn manifestieren sich Angstzustände in…
1) der Amygdala – hat Anteil an Angstreaktionen
2) dem Hippocampus – spielt eine Rolle für Lern- und Gedächtnisprozesse
3) dem präfrontalen Cortex – hat bei der Bewertung von Angstreizen mitzureden
Außerdem spielen Neurotransmitter, die Signale von einer Gehirnzelle an die andere weitergeben, eine Rolle. So vermuten manche Forscher ein zu wenig oder zu viel bestimmter Botenstoffe bei Angsterkrankungen. Die bekanntesten davon sind Serotonin (vgl. Serotonin & Depression), Noradrenalin und GABA.
Die physiologische Komponente der Angst
– körperliche Angstsymptome
Die körperlichen Symptome einer Angststörung bzw. Panikattacke sind in ihrer Wucht nicht zu verachten. Zu den physischen Komponenten der Angst zählen auch vegetative (Stresshormone) und motorische Reaktionen.
Die häufigsten Symptome der Angststörung & Angstattacke sind:
Herzrasen
Schwindel
Hitzewallungen
Atemnot
Erweiterte Pupillen
extreme innerliche Unruhe (Agitiertheit)
Schweißausbrüche
Zittern & Beben
Kopfschmerzen
Bauchschmerzen
Übelkeit
Durchfall
Der Angstkreislauf
– Komponenten der Angstneurose verstärken sich gegenseitig –
Der Teufelskreis der Angst zeigt, dass Angstreaktionen an jedem der verschiedenen Teile des Angstkreislaufs beginnen können und zu einer Panikattacke führen.
Äußerer oder innerer Reiz (psychisch oder physisch)
Wahrnehmung
Gedanken (Gefahr)
Angstverhalten (Flucht, Bewältigung, Vermeidung)
physiologische Veränderung
Körperliche Symptome
Beispiel für eine Panikattacke & Angstkreislauf
Du liegst im Bett und merkst plötzlich, dass Dein Herz schneller schlägt, du zitterst auch etwas und schwitzt.
Du spürst in Dich hinein und wendest Deine Aufmerksamkeit den körperlichen Reaktionen zu. Du überlegst, was diese Symptome auslöst, findest keine Erklärung und bekommst Angst, dass Du in akuter Gefahr schwebst.
Möglicherweise ist es eine Art Herzinfarkt, der dieses heftige Unwohlsein auslöst? Warum bekommst Du so schlecht Luft? Du atmest heftiger, Schweißperlen sind jetzt sogar auf Deiner Oberlippe.
Deine Angst wächst.
Was, wenn alles noch schlimmer wird?
Wenn das Herzrasen und die Beklemmung nicht aufhören?
Die Angst sorgt dafür, dass Dein Körper weitere Stresshormone ausschüttet und Du entsprechende Symptome zeigst: Das Schwitzen wird intensiver, Dir wird heiß, übel und schwindlig.
Deine Angst ist jetzt richtig groß. Musst Du Dich jetzt übergeben? (vgl. Emetophobie, Angst vor Erbrechen). Oder ist das ein Herzinfarkt? Vielleicht sogar ein Hirnschlag, so schlimm fühlt es sich an.
Du beobachtest Deine Körperreaktionen voller Sorge, Dein Herz schlägt immer schneller und Du hast jetzt das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können.
Spätestens jetzt bist Du überzeugt, dass Du in Gefahr schwebst. Die körperlichen Symptome werden stärker.
Du gerätst in Panik und Todesangst!
Und so schaukelt sich der
Teufelskreis der Angst immer weiter auf.
Teufelskreis der Angst durchbrechen
Der Angst nicht davonlaufen
Lerne Schritt für Schritt Dich mit ihr auseinanderzusetzen. Verzichte auf Flucht- und Vermeidungsstrategien.
Eine Panikattacke ist von begrenzter Dauer, in der Regel handelt es sich um 30 Minuten. Das Erleben der einzelnen Phasen: Anfluten, Maximum und Abfluten zeigen Dir, dass der Zustand vergeht und nicht bedrohlich ist. Lass daher das Angsterleben zu, das nimmt Dir die Erwartungsangst.
Lauf den körperlichen Empfindungen und Gefühlen nicht davon. Registriere körperliche Symptome wie z. B. einen beschleunigten Herzschlag, ohne ihn als krankhaft zu bewerten.
Sag Dir immer wieder vor: Es ist nicht gefährlich, gleich wird alles wieder normal.
Mach Dich mit Deinen Körperreaktionen vertraut!
Bei regelmäßigem Sport wird Dir zum Beispiel bewusst, dass eine Erhöhung des Pulses und der Atmung eine ganz natürliche Körperreaktion ist. Das stärkt das Vertrauen in Deinen Körper.
Du kannst Dich rein gedanklich mit der Panik auseinandersetzen. Stelle Dir dazu eine frühere Attacke vor. Konzentriere Dich bewusst auf die Beobachtung Deines Körpers, ohne die Reaktion zu unterdrücken. Warte, bis wieder Ruhe eingekehrt ist.
Die meisten Menschen merken, dass bei dieser Strategie die Symptomatik abgeschwächt wird. Wiederhole die Übung immer wieder, dann wird die innere Bereitschaft für eine Panikattacke abnehmen.
Was ist eine Panikattacke genau?
Eine Panikattacke ist ein plötzlicher, extremer Angstzustand, der so überwältigend ist, dass Betroffene tatsächlich Angst haben, zu sterben oder in Ohnmacht zu fallen.
Symptome der akuten Panikattacke:
Kloß im Hals
Herzrasen
Hitzewallungen
Brustschmerzen
Atemnot
Ohnmachtsgefühl
Panikattacken: Ursachen
Erlernt als Kind – im Fachjargon: Lernen am Modell
Beobachte ich als Kind zum Beispiel meine Mutter immer wieder dabei, wie sie furchtsam auf Spinnen reagiert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch ich eine Angst vor Spinnen entwickle.
Auch Verhalten mit bestimmten Konsequenzen tragen zu unserer Angstprägung bei. Ich habe Angst vor Hunden, also geht es mir besser, wenn ich diese Tiere meide. So muss ich keine Angst mehr erleben. Das Problem: Vermeidungsverhalten stärkt die Angst bzw. hält sie aufrecht, weil ich mich nicht mit ihr auseinandersetze. (vgl. auch Krankheitsgewinn)
Autobiografisch erworben
Momente, die mit einem früheren negativen Erlebnis assoziiert werden, können ebenfalls Angst manifestieren. Hier werden hier 2 Reize miteinander verknüpft: hatte ich einmal einen Auto-Unfall, kann der Anblick eines Autos in mir ein Dejavú auslösen. Selbst wenn ich nicht einmal im Auto sitze, also überhaupt keine Gefahr da ist.
Angeboren
tatsächlich kann es eine genetische Disposition für Angststörungen geben
Mehrfach-Belastung
Dauerstress, leidvolle Erlebnisse wie Tod oder Jobverlust können auch Panikattacken auslösen.
Vgl. auch: Panikattacke: Nachwirkungen – Symptome danach (Überblick)
Quellen:
1) Medizin Aktuell: P. Loeb: Kognitive Therapie in der Hausartzpraxis 2007
2) Dr. med. M. Rufer: Teufelskreis der Angst: Was Angehörige und Betroffene tun können (Interview 2020)
3) panikattacken-Info.de
4) Karl C. Mayer, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychoanalyse
5) Stiftung Gesundheits Wissen
6) IVAH - Institut für Verhaltenstherapie-Ausbildung Hamburg
7) Dr. Norman Schmid: von der gesunden und der krankhaften Angst
8) Dr. rer. nat. Gabrielle Roszinsky-Köcher: Angststörungen
9) aphs: Angst- und Panikhilfe Schweiz
10) Dr. Norbert Merlin, O. Mägdefessel: Angst und Panikattacken – Teufelskreis Angst
11) Schneider, S. & Margraf, J.: Panik: Angstanfälle und ihre Behandlung
12) Andrea Blank-Koppenleitner: Angst und Angststörungen (Apotheken Umschau)