5 Phasen der Depression – oder 6 Stufen zur Depression erkennen

Die 5 Phasen der Depression orientieren sich an einem bekannten Trauermodell, das helfen kann, den Verlauf von Depressionen zu veranschaulichen, aber nicht zwingend zutreffen muss.

Auch das Konzept der 6 Stufen der Depression ist ein Beispiel dafür, wie sich die depressive Symptomatik schrittweise entwickeln kann.

Wie immer gilt: Das alles sind Deutungsangebote unter einer spezifisch psychologischen Perspektive, keine stichhaltigen Fakten, die bei jedem zutreffen müssen.

5 Phasen der Depression

Forscher versuchen immer wieder Verhaltensmerkmale zu evaluieren,

die das Verständnis fürs Depressive Denken erleichtern können.

Wichtig: Mit den 5 Phasen sind Verlaufsformen gemeint.

Mit den 6 Phasen der Depression soll hingegen ein innerpsychologischer Prozess beschrieben werden, der für die Entstehung einer Depression typisch ist.

 

Inhaltsverzeichnis: Phasen der Depression

5 Phasen der Depression

  • 1. Phase: Muster an negativen Gedanken

  • 2. Phase: Veränderungen des Appetitgefühls

  • 3. Phase: Änderungen im Schlafverhalten

  • 4. Phase: Selbstvorwürfe und Schuldgefühle

  • 5. Phase: Selbstmordgedanken und/oder suizidales Verhalten


 

Die 5 Phasen der Depression

 

Aufbauend auf dem Trauerphasen-Modell von Kübler-Ross hat es das folgende Konzept depressiver Phasen zu großer Bekanntheit gebracht (8). Demnach soll eine Depression in diesen Phasen ablaufen:

  1. Phase: Muster an negativen Gedanken

  2. Phase: Appetithemmung oder Appetitsteigerung

  3. Phase: Schlafstörungen

  4. Phase: Selbstvorwürfe und Schuldgefühle

  5. Phase: Selbstmordgedanken und/oder suizidales Verhalten

Vgl. auch Trauer & Depression – Symptome, Bedeutung & Unterschiede

 

Stufen einer Depression sind keine Kausalketten, sondern mögliche Varianten

Depressionen treffen das Selbstbild im Kern und sind sehr individuell. Eine Depression verläuft nicht notwendig in den 5 Phasen der Depression.

Sie kann komplett abweichen, einzelne Phasen aufweisen, andere auslassen, überspringen oder auf frühere Stufen zurückkehren. Ob sich dann überhaupt von einem Stufenmodell, das lineare Rück- und Fortschritte suggeriert, sprechen lässt, bleibt sehr fraglich.

Allerdings: Es gibt ein paar Kernerfahrungen, die viele Menschen mit Depressionen erleben. Medizinische Studien über Depressionen können daher Korrelationen zu den 5 Stadien der Trauer aufweisen.

 

1. Phase der Depression

Negative Gedankenmuster

Nach diesem Ansatz kommt es zu Beginn einer Depression meist zu negativen Gedankenspiralen, die sich unerbittlich aufdrängen und verselbstständigen. Dabei ist es den depressiven Gedanken egal, worum sie sich drehen: Aussehen, Arbeit, finanzielle Sicherheit, Freundschaften , Partnerschaft, Weltkrisen und Missstände – das alles soll zu negativen Stimmungen und letztendlich in die Depression führen.

Vgl. auch Depression beim Partner – Stress, Überforderung & Probleme

 

Nach meiner persönlichen Erfahrung bin ich hier eigentlich schon mitten in der Depression. Ich glaube nicht, dass eine Depression durch negative Denkmuster verursacht wird, so als hätte ich eine falsche Einstellung verinnerlicht und das mache mich dann krank.

Vielmehr ist es nach philosophischem Verständnis andersherum: Weil ich depressiv erkrankt bin (wodurch auch immer), entstehen diese dysfunktionalen Gedankenmuster.

Vgl. Philosophie über Psychologie & Psychotherapie

 

2. Phase der Depression:

Appetitverlust oder Appetitsteigerung

Eine Depression verändert das gesamte leib-seelische Erleben eines Menschen. Nahrung und Flüssigkeit werden belanglos. Du verspürst vielleicht Hunger, aber Du kannst nicht essen. Wieder andere versuchen sich verzweifelt (Bewältigungsmechanismus) Essen einzuverleiben und essen mehr. In jedem Fall kommt es in einer Depression häufig zu Gewichtsveränderungen, wie einer Gewichtszunahme oder Gewichtsabnahme.

 

Gemäß philosophischer Phänomenologie zeigt sich hier eine Entfremdung des Leibes (Korporifizierung), die sich in verschiedenen Arten und Weisen manifestieren kann: starre Glieder, dissoziative Zustände, Schmerzen, bleierne Schwere und vieles mehr.

 

3. Phase der Depression:

Schlafstörungen (Einschlafen, Durchschlafen)

Auch der Schlaf modifiziert sich in der Depression zunehmend bzgl. Qualität und Quantität. Die einen haben massive Probleme einzuschlafen, weil quälende Gedankenspiralen sie wach halten. Andere schlafen zwar ein, wachen aber mehrmals auf und fühlen sich am nächsten morgen zermartert (vgl. Morgentief und Abendtief). Bei atypischen Depressionen findet sich hingegen ein vermehrtes Schlafbedürfnis, dem sich Betroffene nicht erwehren können.

 

Das gesamte Selbsterleben ist so deformiert, dass das basale Selbstvertrauen abhanden kommt. Der ersehnte Schlaf schenkt mir keine Erholung mehr, kein Vergessen, nichts.

 

4. Phase der Depression:

Selbstbeschuldigungen (Self-Blaming)

Permanente Selbstvorwürfe und Selbstbeschuldigungen sind ebenfalls typisch, wenn Du in einer Depression steckst. Sind körperliche Schwäche, mentaler Leistungsabfall, Dein Elend nicht Zeichen Deines persönlichen Versagens? Schließlich zeigen Dir alle anderen Menschen um dich herum, dass Du allein nicht mehr mithalten kannst.

 

Scham- und Schuldgefühle sind ein typisches Zeichen von Depressionen. Auch hier bezweifle ich, dass diese selbstreflexiven Gefühle erst nach einer gewissen Depressionszeit auftreten sollen.

Depressive Schuld und Scham sind subtil von Anfang an für die verzerrte Wahrnehmung in der Depression verantwortlich.

 

5. Phase der Depression:

Suizidgedanken

Gleich vorweg: Selbstmordgedanken sind zwar meist ein Zeichen von schweren Depressionen, kommen aber auch bei mittelgradigen Depressionen recht häufig vor. Das prekäre an suizidalen Gedanken ist ihre Vehemenz und Nachdrücklichkeit. Du kannst sie nicht kontrollieren. Gerade jetzt ist dringend Hilfe angesagt, denn diese Gedanken verschwinden wirklich wieder, sobald sich die depressive Phase bessert. Doch dazu benötigst Du professionelle Unterstützung.

 

Studie zur inneren Logik
der Depression (6 Stufen)

 

Einen etwas anderen Ansatz, um das Verstehen von Depressionen zu erleichtern, verfolgen die 6 Stufen der Depression. Mit diesem Modell wollte Stephan Grünewald, Psychologe und Mitbegründer des Rheingold-Marktforschungsinstituts, die Frage beantworten, warum manche Menschen an Depressionen erkranken und andere nicht.

In einer großen Studie von 2015 hat er versucht, die Entwicklung von depressivem Denken anders abzubilden als üblich. Nach seinem Ergebnis besteht ein unbewusstes und psychisches Produktionsmuster, dass viele depressive Menschen charakterisiert.

 

Die Binnenstruktur der Depression

Die bloße Benennung ‚Depression‘ oder ,Burnout‘ ist nur ein Stempel, der der einzigartigen inneren Logik der seelischen Erkrankung nicht gerecht wird (…), die die Binnenstruktur einer Depression aus dem Erleben der Betroffenen heraus bestimmen.

In Abgrenzung zu einer genetischen oder einer medizinisch-chemischen Betrachtung der Depression wird sie als eine unbewusste, seelische Produktion charakterisiert, die einer geheimen, jedoch beschreibbaren inneren Psycho-Logik folgt.” (1)

“Depressiv will niemand sein”

In 80 Interviews, die jeweils 2 Stunden dauerten, wurden depressive Patienten, Angehörige, Ärzte und Apotheker befragt. Ein Aspekt war besonders stark ausgeprägt: „Depressiv will niemand sein“, so Grünewald. Weil die Krankheit für eine Schwäche steht, auf die unserer Leistungsgesellschaft mit Unverständnis und Vorurteilen reagiert. Viele Betroffene sprechen lieber von Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Burn-out.

Das ist anerkannt, führt aber dazu, dass die Depressionen viel zu spät erkannt werden. „In der Regel schlagen sich die Betroffenen 3 Jahre mit ihrer Krankheit alleine herum, oft ohne Verwandten oder Freunden davon zu erzählen“ (Dr. Grünewald)

Mehr hier: Volkskrankheit Depression – Bedeutung von Gesellschaft & Politik

Evtl. auch interessant für Dich: Was Dich nicht umbringt, macht Dich stärker (?)

 

6 Stufen der Depression

 
  1. Allerhöchste Ansprüche an sich selbst

  2. Einschränkungen im Leben erfahren

  3. Stilllegung

  • 4. Alltags-Vergleichgültigung

  • 5. Selbstintensivierung

  • 6. Resignation & Symptombehandlung

 

1. Stufe der Depression

Perfektionismus und überhöhte Ideale

1. Stufe der Depression: Perfektionismus

Allem voran spielt das Streben nach Perfektionismus eine große Rolle.

Betroffene haben hohe Ansprüche an sich selbst und verfolgen höchste Idealvorstellungen. Beruflich oder im privaten Leben.

Depressive in dieser Phase versuchen, Allem gerecht zu werden.

  • Im Beruf wollen wir Großartiges leisten und in der Freizeit so viele Erfahrungen wie möglich sammeln.

  • Als Mutter / Vater sich liebevoll um die Kinder kümmern, aber auch beruflich durchstarten und bei all dem noch sexy Frau / Mann sein.

Allerdings ist das zu viel. Die meisten Betroffenen scheitern daran.

 

Es drängt sich das Gefühl auf, für alles verantwortlich zu sein

– für den beruflichen Erfolg, für das Glück des Partners, für die Existenzsicherung, für eine Zukunft …einfach für alles!

Genau von diesem Gefühl sprechen viele Betroffene: Sich allein für alles verantwortlich zu fühlen. Viele Menschen mit Depressionen in der ersten Stufe wirken energiegeladen & tatkräftig statt niedergedrückt & traurig (vgl. agitierte Depression). Der Grund: starke Ruhelosigkeit, innere Unruhe, ausgelöst durch überhöhte Anforderungen an sich selbst.

Eine direkte Spiegelung der Leistungsgesellschaft, in der wir aufwachsen.

 

Perfektionismus als Wurzel allen Übels?

Im humanistischen-philosophischen Menschenbild ist es grundlegend falsch, die Ursachen von psychischen Krankheiten in der Persönlichkeit von Depressiven zu verorten.

Im Klartext: Dass die Grundlage von depressiven Phasen oder Stufen ein unreflektierter Perfektionismus sein soll, ist überhaupt nicht bewiesen und lässt sich so auch nicht belegen.

Das Etikett “Perfektionist:in” kann man (mit etwas intellektueller Geschicklichkeit) wirklich jedem Menschen anheften, der in unserer westlichen Leistungskultur aufgewachsen ist oder hier leben gelernt hat (genauso wie die Buzzwords toxisch, narzisstisch u.v.m.)

 

2. Stufe der Depression

Rückschläge führen zu Versagensangst & Schuldgefühlen

2. Phase der Depression

Jeder Mensch muss mit überhöhten Ansprüchen und falschen Vorstellungen abschließen.

Ganz normal. Die meisten rappeln sich wieder auf und lernen daraus, wenn Wunsch und Realität nicht Hand in Hand gehen. In Etwa:

  • Ich habe den Job nicht bekommen?
    Macht nichts, ich finde schon noch eine Stelle.

  • Ich habe eine schlechte Bewertung kassiert?
    Okay, das nächste Mal mache ich es besser.

 

Als Depressive denke ich anders in solchen normalen Situationen

Meine eigene Schuld steht immer im Vordergrund. Jeder kleine Fehler, jeder minimale Rückschlag und jede Kritik wird als Extrem erfahren. Alles ist eine volle Niederlage.

Ein Teilnehmer der Studie gab zum Beispiel an, dass er von seinem Boss wegen einer fehlerhaften Kopie ermahnt wurde. Doch statt die Kritik anzunehmen und den eigenen Standpunkt zu vertreten, fiel der Mann in eine depressive Phase.

 

Persönliches Beispiel für depressive Schuldgefühle

Ich war bereits komplett überfordert, aber funktionierte noch...irgendwie. Richtig übel wurde es, als mein Stiefvater überraschend verstarb. Ich war nicht nur traurig - wie alle in meiner Familie - ich hatte einen kompletten Nervenzusammenbruch!

Und fühlte mich schuldig, so unglaublich schuldig für seinen Tod. Natürlich war ich das nicht wirklich, aber ich fühlte es so. Und dieses Gefühl zog mich immer wieder in einen Strudel aus negativen Gedanken:

  • „Ich bin eine schlechte Tochter“

  • “Ich kann überhaupt nichts richtig.”

  • “Ich bin ein miserabler Mensch.”

Zeit zum Trauern gab ich mir nicht. Alle anderen wurden doch auch einfach damit fertig. Ich musste funktionieren!

 

3. Stufe der Depression

Verstummen & innere Isolation

Normalerweise werden Menschen wütend oder traurig, wenn etwas nicht nach Vorstellung läuft. Im Beispiel oben könnte der Mann sich zum Beispiel über seinen Chef ärgern und ihm das sagen oder sich denken “Jeder macht ja mal Fehler.” oder “Das nächste Mal lasse ich mich nicht so anschnauzen.”

Das wäre eine normale und gesunde Reaktion auf Rückschläge und unerfüllte Wünsche. Menschen, die in eine Depression schlittern, können das nicht. Sie meiden es, Probleme anzugehen und negative Erlebnisse zu verarbeiten, sondern resignieren. Unbewusst werden die Gefühle eingefroren.

Anstatt ihren Frust oder ihre Trauer rauszulassen, verstummen sie - nach innen & außen. “Sie legen sich buchstäblich still.” sagt Gründwald (1). Und erleben dabei eine extrem psychische Belastung.

 

Beispiel für Verstummung & inneren Rückzug

Phase 3

Die Welt zieht an mir vorbei, ich bin nur Beobachterin. In diesen Momenten fühlt man sich ferngesteuert, neben sich und innerlich kalt.

Meine Freunde traf ich schon lange nicht mehr, die Familie mied ich auch.

Meine schrecklichen, hässlichen Gedanken versuchte ich wegzudrängen. Doch sie kamen jede Nacht und blieben auch die ganze Nacht...meinem Mann sagte ich lange nichts. Aus Angst und Scham, verrückt zu werden.

Außerdem glaubte ich, dass alles nur meine eigene Schuld wäre. Wogegen sollte ich mich wehren oder auflehnen? In meinem Denken war ich die Ursache für all meine Qualen. Mein Versagen.

Der Selbstwert wird durch solche depressiven Gedanken in Frage gestellt. Die Gedanken drehen sich nur noch um die eigene Wertlosigkeit und Unfähigkeit. Das ist Bestandteil des Teufelskreises der Depression (Depressionsspirale), der für die geringe Selbstachtung verantwortlich ist und diese auch aufrechterhält.” erklärt Frau Dr. Wehrenberg (3)

Vgl. auch Typische Gedanken in Depressionen

4. Stufe der Depression

Gleichgültigkeit & Verlust an Prioritäten

Wichtige Dinge treten immer mehr in den Hintergrund.

Alles ist gleich und denkt sich für Depressive gleich – Pflichten, Freunde, Arbeit. Der Fokus ist nach innen gerichtet.

In der Studie sprechen die Mediziner von einer „starken inneren Aktivität“ (1). Menschen in dieser Depressionsphase können nicht mehr erkennen, welche Aktivitäten und Lebensfragen für sie am wichtigsten sind. Alles wird zu unüberwindlichen Herausforderung.

 

Persönliches Beispiel:

Phase 4 der Depression

Gleichgültigkeit bedeutet nicht „Alles ist scheiß egal“. Viel mehr erscheint mir alles gleich schwierig oder schlimm.

Jede kleine Aufgabe war eine gewaltige Herausforderung, jede Schwäche ein Todesurteil – kein Berg, sondern ein Gebirge an Aufgaben ragte vor mir auf.

Jeder kleinste Fehler, wie das Vergessen einer Einkaufstüte, waren Zeugnis meiner Unzulänglichkeit für diese Gesellschaft und das Leben darin.

 

Probleme, Prioritäten zu setzen

Überhaupt: Einkaufen gehen, Kochen, Wäsche waschen, zum Zahnarzt – was zuerst? Die Gedanken verhedderten sich und stürzten übereinander...wie sollte ich das nur alles schaffen?

“Das depressive Gehirn tut sich schwer damit, das Positive zu sehen. Der Teil des Gehirns, der verantwortlich ist für die Wahrnehmung von Bedrohung und für möglichen Ärger, ist so stark aktiv, dass negative Gedanken die positiven weit überwiegen.

Das führt dazu, dass die Betroffenen letztendlich alles als ein Problem ansehen.” so Frau Dr. Wehrenberg dazu.

5. Stufe der Depression

Im depressiven Gedankenkreis gefangen

5. Phase der Depression

Psychologen nutzen hierfür oft die Metapher: Im eigenen Saft schmoren.

Oder: gigantische Selbstintensivierung.

Depressive wirken in dieser Etappe nach außen hin lethargisch und träge.

Sie ziehen sich sozial zurück – im Kopf, laufen sie jedoch heiß. Innere Unruhe und Schlaflosigkeit treten jetzt auf den Plan.

 

Viele Betroffene hören dann von Angehörigen Sätze wie:

  • „Du musst Dich nur zusammenreißen“

  • „Das bildest du dir doch ein“

  • “Entspann Dich mal, dann wird’s schon wieder”

  • “Ist doch nicht so schlimm”

Das Unverständnis des Umfelds sorgt jedoch für weitere Selbstisolation. Nicht selten ist das der Punkt, an dem sich viele Angehörige, Freunde oder Bekannte von einem abwenden.

 

Beispiel für depressive Gedanken in Zirkelschlüssen

Es ging nichts mehr. Gedanklich und körperlich weder vor noch zurück. Mich beherrschten nur noch Gedanken über meine Schwäche, mein Versagen.

Ich konnte an der Welt und ihrem Geschehen keinen Anteil nehmen. Da war nur noch ich, dieses kleine Häufchen Elend…

An Schlaf war schon lange nicht mehr zu denken. Jede Nacht lag ich mit komplett angespannten Muskeln im Bett und zitterte vor meinem eigenen Denken (vgl. Gedankenkreisen). Am Tag hatte ich kaum Kraft, ich konnte nicht mehr essen, sah teilweise verschwommen.

Meine Freunde traf ich schon seit Monaten nicht mehr. Sie meldeten sich auch kaum noch.

Gegen diese Negativität anzugehen erscheint den Betroffenen unmöglich. Für Abwägen und kritisches Hinterfragen bleibt zu wenig Energie, wenn man von einer Depression betroffen ist.

Man tut sich schwer damit, positive Ansichten zu erzeugen, wie etwa: „Das geht vorbei“, „Es könnte schlimmer sein“, „Du kommst damit zurecht“ (Weinberg)

 

6. Stufe der Depression

Resignation & Symptombekämpfung

6. Phase der Depression

In der letzten Phase einer Depression versuchen viele Betroffene, ihre Leiden durch Medikamente zu beseitigen.

Sie haben sich mit ihrem Zustand abgefunden und bemühen sich nur noch, die Depressionssymptome in den Griff zu bekommen.

Es werden Schlafmittel ausprobiert, um die Schlaflosigkeit zu besiegen. Auch Mittel zur Leistungssteigerung und andere Supplemente werden versucht.

Andere geben sich einem Aktionismus hin, um sich innerlich zu beruhigen. Sie erzielen berufliche Spitzenleistungen, treiben ausgiebig Sport oder tun sich ehrenamtlich hervor. Das nennt sich übrigens agitierte Depression (ca. 1/4 der Depressiven leiden daran und fast jeder hat mal eine agitierte Phase)

 

“Im Vorfeld, aber auch während der depressiven Erkrankung haben die Betroffenen eine ganze Reihe von Formen der Selbstbehandlung entwickelt.

1) Sie versuchen, sich mithilfe diverser Aktivitäten abzulenken und auf andere Gedanken zu bringen.

2) Sie suchen den Kontakt mit der Natur und den beruhigenden Rhythmen der Jahreszeiten.

3) Sie nehmen sich Zeit für selbstverwöhnende Rituale wie heiße Bäder oder Wellness-Behandlungen.

4) Häufig versuchen sie auch ihre innere Unruhe und Zweifel durch Leistungs-Kompensation und die Flucht in eine besinnungslose Betriebsamkeit zu kanalisieren (= agitierte Depression)

5) Durch persönliche Rückzüge und/oder durch verstärkten bzw. regelmäßigen Konsum von Alkohol versucht man sich zu betäuben und ein Gefühl von Ganzheitlichkeit zu erzeugen.”

 

Diese 6. Phase kann Jahre dauern

In der Regel ist es jedoch nur eine Frage der Zeit. Mit den Jahren werden die körperlichen Beschwerden der Depression immer schlimmer, die Leiden immer stärker, das Leben verläuft nur noch in einem kleinen Radius mit stark eingeschränkter Lebensqualität.

 

Was bringt Dir jetzt dieses Wissen? Dr. Grünewald hat aus diesen Fakten 8 Handlungsempfehlungen herausgearbeitet, die helfen, mit depressiven Menschen umzugehen.

8 Tipps für Angehörige, Partner & Ärzte

1. Achte darauf, ob der Betroffene ruhige Phasen in seinen Tag einbaut.

Jemand, der ständig auf Hochtouren durch den Alltag düst, läuft Gefahr, zumindest eine depressive Verstimmung zu erleiden.

Rate demjenigen zu langen Pausen sowie freien Tagen, ohne Verpflichtungen und Muße.


2. Versuch dem Betroffenen seinen Druck, den er sich selbst macht, zu nehmen. Du könntest darüber sprechen, dass derjenige mehr auf seine Gesundheit als seine Leistung achten sollte.

Und ihm oder ihr vermitteln, dass es wichtigere Dinge gibt als alles perfekt zu machen.


3. Motiviere den Betroffenen dazu, seine Gefühle rauszulassen und aktiv zu werden: Sich aktiv gegen Ungerechtigkeiten zu wehren, Nein zu sagen, Trauer auszuleben - auf jeden Fall nichts zu verdrängen.


4. Klagt jemand häufiger über unbestimmte Beschwerden, solltest Du einmal mehr nachfragen. Nimm Dir Zeit und prüfe die Symptome anhand der 6 Phasen der Depression.


5. Überhaupt: Als Angehöriger, Partner, Freund eines Depressiven, ist es wichtig, geduldig zu sein. Es gibt keine Pille gegen Depressionen wie Paracetamol gegen Kopfschmerzen. Viel mehr sind kleine Schritte bereits große Erfolge.


6. Entscheidungsschwierigkeiten sind bei depressiven Personen an der Tagesordnung. Da hilft es ungemein, wenn Du dem Betroffenen durch gemeinsames Nachdenken aufzeigst, wo seine Prioritäten liegen.


7. Bürde Betroffenen nicht zu viel auf. Konstruktiver ist es, wenn Du ihnen schrittweise Alltagsaufgaben zuteilst. Kommt es hier zu einem kleinen Rückschlag, kannst Du mit den Betroffenen auf ein gesundes Scheitern hinweisen.

Bei diesem Punkt solltest Du Dich außerdem mit den behandelnden Ärzten und Therapeuten beraten.


8. Sehr viele Menschen haben leider Angst vor Antidepressiva und glauben, damit wie ein Zombie durchs Leben zu laufen (ruhiggestellt werden). Ich kann Dir versichern, das ist nicht der Fall, wenn man das richtige Medikament hat.

Trotzdem muss man auf diese Ängste eingehen. Und nicht jedem Depressiven hilft das gleiche Mittel. Erst wenn pflanzliche Alternativen nicht wirken, sollte dem Patienten ein AD vorgeschlagen werden.


Alle diese Tipps helfen lediglich dann, wenn sich das depressive Denken entwickelt, die Depression also noch nicht voll ausgebildet ist. Bei einer diagnostizierten Depression kann nur eine professionelle Psychotherapie helfen. Und das ist völlig okay so, denn viele leiden mittlerweile an Depressionen mit Angststörungen. (Vgl. depressive Angst)

 

Fazit: Phasen & Stufen der Depression

Was bringt das jetzt alles?

Wie bereits anfangs erwähnt: Das alles sind Deutungsangebote unter einer spezifisch psychologischen Perspektive, keine Tatsachen.

Findest Du Dich in den 5 Phasen der Depression oder den 6 Stufen der Depression wieder, dann hast Du wertvolle Anhaltspunkte, was in Deinem individuellen Fall eine Rolle im depressiven Erleben spielt. Das ist wichtig, weil Selbstverständnis und Selbstreflexion wesentliche Bausteine auf dem Weg zur Heilung bilden.

Vgl. auch Langzeitfolgen der Depression – Was von der Krankheit bleibt


Quellen:
1) Studie des Rheingold-Instituts im Auftrag von Pascoe
2) in|pact media Verlag
3) Dr. Margaret Wehrenberg, Psychotherapeutin
4) psylex.de – News & Studien
5) Ärzte Zeitung: Studie zur Inneren Logik der Depression
6) Klinik Friedenweiler - Depression
7) PraxisVita: Die 6 Stufen der Depression
8) Khan, N.: What are the Stages of Depression?

Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hi, ich bin Tamara, freie Journalistin & studierte Philosophin (Mag. phil.). Hier blogge ich über persönliche Erfahrungen mit Depressionen & Angst – und untersuche psychische Phänomene aus einer dezidiert philosophischen Perspektive. Zudem informiere ich fachkritisch über soziale Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Missstände, die uns alle betreffen.

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