Warum melden sich Depressive nicht? – 7 Tipps bei Kontaktabbruch & Isolation

Warum sich depressive Menschen nicht melden oder nicht auf Nachrichten und Anrufe reagieren, hat gute Gründe. Sie sind schlichtweg nicht in der Lage dazu. Hier findest Du die häufigsten Gründe für Isolation & Kontaktabbruch bei Depressionen und 7 Tipps, was Du tun kannst, wenn Depressive sich nicht mehr bei Dir melden.

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Darum melden sich depressive Menschen nicht

Eine Depression friert Denken, Fühlen und Handeln ein. Du bist zu nichts mehr fähig. Selbst eine Text-Nachricht zu schreiben oder am Telefon zu reden, wird durch die Scham & Leere zur unüberwindlichen Aufgabe.

 

Depressive isolieren sich oft

Wenn sich depressive Menschen nicht melden, dann sind sie gerade in einer Abwärtsspirale gefangen. Was für gesunde Menschen unglaublich klingt, ist in einer Depression bittere Realität: Du hast einfach keine Kraft mehr – nicht einmal für die kleinsten Dinge, wie Zähneputzen, Aufräumen, Geschirr in die Spülmaschine räumen.

Das schlimmste ist allerdings die Scham und Hilflosigkeit. Wie sollst Du aus solchen Gefühlen heraus ein Notsignal an Freunde, Partner oder Familie schicken? Was sagst Du, warum es Dir schlecht geht?

Kontaktabbruch wegen Schamgefühlen

Wie erklärst Du, dass Du Dich anders als alle anderen fühlst und Du nicht mehr zu dieser Welt gehörst?

Dazu kommen diese elenden Schuldgefühle. Wer bist Du schon, dass Du es wagst, Deine Liebsten in Angst und Sorgen zu stürzen?

Als Depressiver Mensch bist Du davon überzeugt, dass Du durch die Kommunikation Deines Schmerzes auch den anderen Schmerzen zufügst. Dein Umfeld mit ins dunkle Loch ziehst, bis keiner mehr herausfindet.

 

Warum sich Depressive nicht melden
– die häufigsten Gründe

  • Depressive finden oft keine Worte, um ihre Verzweiflung auszudrücken. Sie schweigen und fühlen sich in sich selbst gefangen.

  • Depressive haben keine Energie, um soziale Kontakte zu pflegen. Sie können sich ja nicht mal mehr um sich selbst kümmern.

  • Sie haben auch keine Kraft, um Gesellschaft zu haben, Telefonate zu führen oder zu chatten.

  • Depressive fühlen sich schuldig und schämen sich vor anderen für ihre Krankheit

  • Depressive haben Angst vor Unverständnis und Ablehnung (Stigmatisierung)

  • Depressive haben auch körperliche Leiden, die sie extrem einschränken

 

Wenn ein depressiver Mensch sich nicht bei Dir meldet …

7 Tipps bei Kontaktabbruch

Ich weiß, es ist sehr schwer, mit einem depressiven Menschen umzugehen. Noch dazu, wenn es sich um Partner, Freunde oder Angehörige handelt. Gerade jetzt zu Corona-Zeiten ist regelmäßiger Kontakt für Betroffenen überlebenswichtig.

Aber wie kannst Du einer depressiven Person helfen, die sich nicht bei Dir meldet? Im Folgenden die wichtigsten Tipps für diese Situation:

 

1) Melde Du Dich – Frage nach & höre aktiv zu

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Es klingt banal, aber gerade das machen die meisten Menschen im Umgang mit depressiven Patienten falsch. Wenn sich ein Depressiver nicht bei Dir meldet, dann bedeutet das nicht, dass Du ihn komplett in Ruhe lassen sollst. Die meisten trauen sich nicht, über ihre Gefühle und Gedanken zu sprechen.

Genau jetzt solltest Du nachfragen – persönlich, per SMS, WhatsApp, FB-Message, Insta, Telefonanruf… was auch immer. Sei bitte einfühlsam dabei. Auf keinen Fall solltest Du so etwas sagen wie „Na, hast Du immer noch Depressionen?“ - das sorgt nur dafür, dass sich der Betroffene noch mehr zurückzieht. Mach es besser:

  • Fordere den lieben Menschen, der von Depressionen gequält wird, immer wieder von Dir aus dazu auf, mit Dir zu sprechen, wenn er möchte.

  • Öffnet sich der andere, dann ist es sehr wichtig, aktiv zuzuhören. Das bedeutet, Du lässt Ratschläge sein, unterbrichst nicht, wertest nicht und vergleichst nicht. Denn all das verstärkt die innere Isolation bei depressiven Personen. » Warum Ratschläge wie Schläge sind

  • Glaub mir, es reicht völlig, wenn Du da bist & Verständnis zeigst.

 

2) Kontakt suchen – Hab’ Geduld & sprich mich an

Wenn Du mit einem depressiven Menschen zu tun hast, wirst Du immer mal wieder auf Ablehnung stoßen. Das hat absolut nichts mit Deiner Person zu tun. Derjenige kann dann nicht von sich aus auf Dich zugehen. Er oder sie fühlt sich gefangen, verstummt und zieht sich zurück. Ein Fehler ist es, jetzt mit Forderungen, Drang und Druck zu reagieren.

  • Bleibe jetzt bitte empathisch und verständnisvoll.

  • Hat der Betroffene heute keine Lust mit Dir zu reden, dann sprich ihn am nächsten oder übernächsten Tag noch einmal an.

  • Gib Bescheid, dass Du dann und dann vorbeikommst und mach das dann auch.

  • Motiviere immer wieder zu gemeinsamen Unternehmungen

  • Melde Dich weiterhin regelmäßig, auch wenn Du keine Antwort erhältst. So zeigst Du dem anderen, dass er Dir etwas bedeutet.

 

3) Hab Nachsicht – Die Krankheit spricht aus mir

Geduld & Verständnis zu haben, ist nicht gerade einfach. Die Krankheit beeinflusst den Menschen so stark, dass der Betroffene seine Gedanken, Gefühle und Reaktionen nicht bewusst lenken kann. Da ist so viel Verbitterung, Angst, Scham und Schuld, dass man nicht mehr Herr seiner Sinne ist. Dabei leiden Depressive selbst extrem unter ihrem Verhalten.

  • Abweisung ist ein Symptom der Depression und hat nichts mit Dir zu tun.

  • Nimm negative und kränkende Aussagen nicht persönlich. Da spricht nicht der Mensch selbst, sondern die Krankheit Depression.

  • Verzeih dem Betroffenen für sein Verhalten, er leidet selbst immens unter seinen pathologischen Zuständen & Reaktionen.

 

4) Störe mich immer wieder – Und bitte bleib’ dran!

Nichts im Leben verläuft geradlinig, und schon gar nicht Heilungsprozesse. Bei Depressionen kommt es oft zu Rückschlägen oder einer Rückkehr der depressiven Episoden.

Ja, und das passiert auch, wenn man Antidepressiva nimmt und eine Therapie macht. Das ist frustrierend, sollte Dich aber auf keinen Fall zum Aufgeben bewegen.

  • Rückschläge sind nur vorübergehend, sie bleiben kein Dauerzustand.

  • Nimm’ es nicht persönlich, wenn die Depression trotz Deiner Hilfe wieder schlimmer wird. Das hat nichts mit Dir zu tun und es geht hier auch nicht um Dich.

  • Ermutige depressive Menschen, sie lassen sich schnell frustrieren.

  • Bleib’ dran und biete weiterhin Deine Hilfe an. So oft wie möglich. Achte darauf, den Kontakt zu halten und den anderen immer wieder zu animieren.

  • Pass dabei auf Dich selbst gut auf. Du kannst niemandem helfen, wenn Du selbst in der Sch*** steckst.

 

5) Bleib zuversichtlich – Feier’ kleine Erfolge mit mir

Heilung bei Depressionen verläuft nicht in Sprüngen, sondern in kleinen Schritten. Was für Dich völlig normal und banal ist, ist für depressive Menschen etwas Großes. Genau diese kleinen Schritte braucht es, um sich Stück für Stück wieder am Leben zu beteiligen. Gib dem Betroffenen Zeit und freue Dich für ihn mit.

  • Fordere nicht zu viel, depressive Menschen haben kaum Kraft und Mut.

  • Sei Stellvertreter der Hoffnung, denn depressive Menschen können vor lauter Schatten kein Licht mehr sehen.

  • Bereits 30 Minuten Spazierengehen ist ein Erfolg, ebenso wie Einkaufen oder für 1 Stunde unter Menschen gewesen zu sein.

  • Erinnere die depressive Person daran, wie stark es ist, dass er/sie dies oder jenes geschafft hat.

 

6) Melde Dich lieber einmal zu viel als zu wenig

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Viele depressive Menschen ziehen sich allmählich zurück, wenn sich eine neue depressive Episode anschleicht oder sich ein neuer Depressionsschub anbahnt. Das bemerken die Betroffenen aber selbst nicht unbedingt.

Auch andere destruktive Strukturen könne sich zeigen, wie kaum Essen, sehr viel Arbeiten, schlecht Schlafen. Wenn Dir das auffällt, dann sprich den anderen unbedingt darauf an.

  • Sag direkt, welche destruktiven Verhaltensweisen Du wahrnimmst. Aber bitte, ohne anzuklagen.

  • Stelle Fragen, wie sich der andere fühlt, was ihn belastet, wie Du helfen kannst.

  • Helfen die momentanen Maßnahmen nicht, dann kann ein Gespräch mit dem Therapeuten helfen. Begleite den Depressiven zum Arzttermin, wenn es derjenige will. (Evtl. interessant für Dich: Wie spreche ich Depressionen beim Arzt an?

 

7) Denke daran: Ich bin nicht meine Krankheit!

Bei all den verwirrenden Krankheitszeichen und Gefühlswallungen sollten depressive Personen immer noch als Mensch behandelt werden, der eine eigenständige Persönlichkeit besitzt. Zwar führen die Depressionen zu einem verzerrtem Denken und Fühlen, trotzdem befindet sich darunter immer noch ein Mensch. Mit eigenen Vorlieben und individuellen Charakterzügen.

  • Verwechsle den depressiven Menschen bitte nicht mit der Depression. Die Krankheit macht diesen Menschen nicht aus.

  • Bleib offen für den anderen – jeder Tag ist eine neue Chance!

  • So passiv ein Depressiver auch ist, er ist immer noch eine mündige Person, die du mit all ihren Gefühlen und bewussten Entscheidungen respektieren musst.

  • Nimm weiterhin Anteil und unterstütze, das ist die beste Hilfe. Nur wenn der Betroffene sagt, er fühlt sich heute zu schwach, dann respektiere das und versuch es ein anderes Mal wieder.

Vgl. auch: Über Depressionen sprechen – Sprache & Wahrnehmung

 

Fazit: Warum melden sich Depressive nicht

Depressive Menschen ziehen sich zurück, isolieren sich oder brechen den Kontakt ab

Depressive Personen melden sich oft tage- oder wochenlang nicht. Weder bei engen Freunden, noch bei Bekannten oder Familienmitgliedern. Das ist auf keinen Fall böse gemeint oder soll ausdrücken, dass Du ihnen egal bist.

Depressionen kommen plötzlich oder schleichend. Und dann habe ich zum Beispiel keine Wahl mehr, ich reagiere einfach.

Die Krankheit legt sich dann wie eine bleierne Schwere über mich. Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht aufstehen, jede Bewegung erfordert das letzte bisschen Kraft. Ich kann nicht essen, nicht trinken, nicht schlafen und kaum noch vernünftig sprechen.

Die Schamgefühle und Schuld für meine eigene Unfähigkeit, meine Lebensschwäche und meine Wertlosigkeit haben eine psychische Gewalt über mein Denken und meinen Körper, die kaum zu erklären ist. Und das Nicht-Erklären-Können macht alles noch schräger, schlimmer, schrecklicher.

Was in solchen Situationen hilft, kann ich selbst nicht so genau sagen. Wichtig ist, dass Du den lieben Menschen, der mit Depressionen kämpft, nicht im Stich lässt.

Du brauchst Geduld und Ausdauer.

  1. Melde Dich regelmäßig,

  2. ermutige und motiviere freundlich,

  3. ohne Druck, Vorwürfe oder Zwang

Genau diese verständnisvolle Unterstützung und Liebe ist es, die ein Mensch mit Depressionen jetzt braucht.

Danke, dass Du Dich kümmerst!

Vgl. auch die Risiken: Depressionen beim Partner erzeugen Stress & Überforderung – Depressiver Partner zieht mich runter – Gründe & Tipps


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Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hi, ich bin Tamara, freie Journalistin & studierte Philosophin (Mag. phil.). Hier blogge ich über persönliche Erfahrungen mit Depressionen & Angst – und untersuche psychische Phänomene aus einer dezidiert philosophischen Perspektive. Zudem informiere ich fachkritisch über soziale Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Missstände, die uns alle betreffen.

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