7 Säulen der Resilienz – Kritik: gut, aber kein Allheilmittel!

Die Psychologie kennt 7 Säulen der Resilienz, auch Schutzfaktoren genannt. Es klingt fast zu einfach: Mit genügend Resilienz bist Du gegen Krisen und Stress gewappnet? Es klingt nicht nur so, es ist auch zu einfach gedacht. Resilienz ist nichts, was Du Dir mit ein wenig Übung aneignest, sie ist ein komplexes Zusammenspiel aus Umwelt, Denken und Deiner individuellen Person .

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Resilienz ist einer der wichtigsten Begriffe der Populär-Psychologie

Suggeriert aber völlig falsche Vorstellungen von ihrer Definition und von ihrem Nutzen für den Einzelnen. Vor allem: Resilienz ist keine Garantie gegen Krankheiten, Unzufriedenheit & Unglück.

Vgl. auch: Macht die Gesellschaft depressiv? Kritik der Kulturkritik

Sei resilient und Du kannst alles überstehen – echt jetzt?

Resiliente Menschen kann nichts so schnell aus der Bahn werfen. Glaubst Du der Populär-Wissenschaft, dann ist Resilienz die neue Superkraft des mündigen und autonomen Individuums.

Es hat Selbstvertrauen, kennt seine Selbstwirksamkeit und blickt optimistisch in die Welt. Das sind eine ganze Menge an idealen Eigenschaften und reflektierter Sichtweisen. Ich frage mich allerdings: Ist das wirklich so?

Du kennst das sicherlich auch: es gibt Menschen die widrige Lebensumstände überwinden. Und dann gibt es die, die trotz ähnlicher Lebensverhältnisse bei einer vergleichbaren Krise psychisch erkranken oder daran zugrunde gehen.

Medien, selbsternannte Mental-Health-Advocats, Coaches, Heilpraktiker usw. lassen es so wirken, als wäre jede Krise zu meistern, wenn Du nur genügend Resilienz besitzt.

Evtl. auch interessant für Dich: Was dich nicht umbringt, macht dich stärker – Wachstum nach Trauma?

 

Viktor Frankl als Pionier der Resilienzforschung

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Gerne wird Viktor Frankl mit ins Boot geholt, um das Resilienzkonzept mit einer Autorität zu stärken, er wird aber auch gerne für das Kohärenzgefühl / den Kohärenzsinn herangezogen.

Frankl ist tatsächlich ein sehr gutes Beispiel für einen resilienten Menschen. Der jüdische Psychiater hat 4 Konzentrationslager überlebt, während seine ganze Familie in den Lagern starb. Nach der Befreiung entwickelte er sogar seine Logotherapie, um die psychische Gesundheit von Patienten zu stärken.

Frankl selbst hat den Begriff “Resilienz” jedoch nie verwendet.

 

Resilienz Bedeutung & Definition

Resilienz ist die Fähigkeit, Stress, Krisen, Rückschläge und Frustration mithilfe Deiner persönlichen Ressourcen zu verarbeiten und zu bewältigen, ohne daran ernsthaft Schaden zu nehmen (d.h. geistig zu erkranken).

Resilienz kann aber auch das Ergebnis einer gelungenen Bewältigung von widrigen Ereignissen sein.

 

Resilienz als Immunsystem der Seele

Je besser entwickelt, desto besser sei die Psyche geschützt. Je schwächer, desto höher das Risiko für Geisteskrankheiten. So lautet die häufigste Metapher bei Coaches, Therapeuten, Lebensberatern und natürlich in Ratgebern.

So wie sich das körperliche Immunsystem trainieren lässt und dann gegen Krankheiten schützen soll, so scheint es nach einigen „Experten“ auch bei der Resilienz zu funktionieren.

 

Diesen Mythos mitbegründet haben zum Beispiel die Forschungsarbeiten der amerikanischen Entwicklungspsychologin Emmy Werner. Sie untersuchte in den 70er-Jahren Hunderte Kinder auf Hawaii, die teilweise unter schwierigen Umständen aufwachsen mussten. Trotz sozialer, finanzieller und anderer Nachteile entwickelte sich ein Drittel der Kinder positiv – sie waren „resilient“.

Solche Erkenntnisse von Werner und anderen Resilienz-Pionieren wie etwa Ruth Smith, Norman Garmezy, Glen Elder oder Boris Cyrulnik versprachen große Fortschritte beim Kampf gegen Traumata und psychische Störungen.“ (3)

 

Resilienz hat nichts mit einfachem Stress, sondern psychischen Traumata zu tun

Gerade der letzte Satz ist wirklich wichtig. Oder um Prof. Cyrulnik (einen der Pioniere der Resilienzforschung) zu zitieren:

“Der Begriff ist im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen und wird oft überstrapaziert. Jeder definiert ihn ein wenig anders, oft im Sinn einer Stressbewältigungskompetenz. Für die wissenschaftliche Gemeinschaft bedeutet Resilienz jedoch, sich nach einem psychischen Trauma weiterzuentwickeln, wieder zu erstarken. Das hat für mich nichts mit einfachem Stress zu tun.” (17)

Prof. Cyrulnik spricht daher lieber von Resilienz als Wiedererstarken nach exzessivem, chronischem Stress (Trauma).

 

Was ist Resilienz jetzt?

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„Aktuell wird Resilienz als dynamischer und lebenslanger Prozess verstanden, der im Wechselspiel zwischen Person und Umwelt erfolgt und über verschiedene Lebensbereiche und -phasen variiert“, meint Angela Kunzler vom Deutschen Resilienz Zentrum in Mainz (4).

Merkst Du den Unterschied? Hier wird nicht von einer Fähigkeit gesprochen. Überhaupt gibt es mehrere Definitionen von Resilienz, die sich in wesentlichen Feinheiten unterscheiden.

Das Gegenteil von Resilienz ist übrigens die Vulnerabilität, zu Deutsch Verwundbarkeit. Vulnerabel sind oft Menschen, die traumatische Erlebnisse hatten und darum sensibler auf bestimmte Reize und Situationen reagieren. Vgl. Entwicklungstrauma vgl. auch Vulnerabilitäts-Stress-Modell

Das Gegensatzpaar Resilienz und Vulnerabilität ist aber nicht so absolut, wie es wirkt. Vulnerabel ist schließlich jeder Mensch auf irgendeine Art und Weise. Wir sind ja keine stählernen Superhelden. Beachte das Wörtchen „dynamisch“ im oberen Zitat.

Resilienz ist relational gedacht, sie ist eine vergleichsweise, eingeschränkte Widerstandskraft. Und auch die ist nicht hieb- und stichfest, sondern kann in ein und derselben Person stark variieren.

 

Verschiedene Formen von Resilienz

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Noch mal im Klartext: Resilienz ist nichts, was Du Dir erwirbst und fertig.

Ein Mensch, der sich in einer Situation resilient zeigt, kann es bei der nächsten schon nicht mehr sein.

Eben darum beschreiben Fachleute sie als lebenslangen Prozess, anstatt als Eigenschaft, Persönlichkeitszug oder Haltung.

Um noch einmal Cyrulnik zu Wort kommen zu lassen:

“Es gibt nicht nur eine, sondern viele Formen von Resilienz. Jede ist einzigartig, denn sie hängt vom Alter der Betroffenen, ihren Genen, der Intensität des Traumas, seiner Dauer, den körperlichen Reaktionen und dem emotionalen und soziokulturellen Umfeld ab.

Diese Faktoren unterscheiden sich von Person zu Person stark. Man kann deshalb vorab nicht sicher sagen, wer sich erholen wird und wer nicht.”

 

Resilienz vs. Resistenz – Wo liegt der Unterschied?

Klingt ähnlich und hat eine verwandte Bedeutung, ist aber nicht dasselbe. Resistenz ist die biologische Widerstandsfähigkeit von Organismen gegenüber schädlichen Einflüssen. Resilienz ist keine biologische und objektive Größe. Sie ist auch nichts, dass jeder Mensch automatisch mit sich bringt.

 

Resiliente Individuen sind nicht aus sich selbst heraus widerstandsfähig. Resilienz ist primär als das Produkt protektiver Faktoren zu verstehen, die individuelle Entwicklung im sozialen Nahraum begleiten.“ (16), so der Pädagoge T. Gabriel.

 

Die 7 Säulen der Resilienz

Was genau braucht ein Mensch, um resilient zu sein?

Was genau zu den Schutzfaktoren bzw. den Säulen der Resilienz zählt, ist umstritten. Während die einen positive Emotionen wie Freude, Stolz, Wohlbehagen anführen, sprechen andere von Optimismus oder Hoffnung, die etwas andere Bedeutungen implizieren.

Neuere Untersuchungen bestätigen zumindest, das soziale Unterstützung, Optimismus und Selbstwirksamkeit einen positiven Einfluss auf die psychische Gesundheit haben (20).

 

1) Akzeptanz & Selbstannahme

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Selbstakzeptanz ist die eine Sache, die Du für diese Haltung brauchst – in kognitiver als auch emotionaler Hinsicht.

Die andere Sache ist es, eine Gegebenheit so, wie sie ist, anzunehmen. Ja, vielleicht widerfährt Dir im Moment eine Ungerechtigkeit. Ja, vielleicht hast Du in einer Situation einen Fehler gemacht.

Sie kann vielleicht geändert werden oder nicht. Für den Augenblick liegt das aber nicht in Deinem Einfluss. Und die Vergangenheit? Die ist vergangen, aber in der Retrospektive veränderbar » biografische Selbstreflexion

Vgl. Selbstmitgefühl – Was ist das & wieso brauchst Du es?

 

2) Soziale Beziehungen (Netzwerkorientierung)

Du bist als Mensch kein Einzelgänger, sondern ein Gesellschaftstier. Soziale Kontakte sind sehr sehr wichtig für Deine Resilienz. Das müssen gar nicht viele sein, es kommt auf die Qualität dieser Kontakte an. Vertrauenspersonen, die einem hilfreich zur Seite stehen, sind eine wirkliche Bereicherung. Das hat übrigens nichts mit dem Nutzen von Freundschaften zu tun. Sondern mit ihrem Wert und Deinem Wissen, dass Du ein funktionierendes Netzwerk hast, das im Fall der Fälle hilft.

 

3) Lösungsorientierung & Eigenverantwortung

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Proaktiv statt reaktiv! Ich denke, dass ist eine der wichtigsten Säulen der Resilienz: sich aus der Opferrolle zu befreien, aktiv zu werden und sein Leben zu gestalten – sei es auch noch so eng. Anstatt immer nur zu reagieren, kannst Du bereits vorher aktiv werden und Situationen beeinflussen, nicht entstehen lassen usw.

 

4) Optimistischer Realismus

Alles sehr negativ zu sehen und zu glauben, Deine Zukunft wäre schwarz und düster, schwächt in jedem Fall Dein Selbstvertrauen, Deine Handlungsfähigkeit und ist alles andere als realistisch. Das Leben ist nicht einfach gut oder böse (vgl. Zirkelschlüsse), es ist das, was Du ihm in der Interaktion mit der Umwelt zuschreibst.

 

5) Urvertrauen (Kohärenzsinn)

Es geht hier nicht darum, wie viele behaupten, allem Schlechten, das Dir begegnet, etwas Positives abzugewinnen. Das wäre eine unmenschliche Forderung. Es geht darum, dass Du das Negative nicht für absolut nimmst, sondern ein grundsätzliches Vertrauen ins Leben und in die Welt hast. Das bedeutet, Du machst Dir immer wieder bewusst, dass schlechte Phasen durch gute abgelöst werden und sich die Karten stets neu verteilen.

 

6) Selbstwirksamkeit

Sich als Opfer von Umständen zu sehen, ist wie Gift für Deine psychische Gesundheit. Und diese Anschauung ist auch falsch. Du besitzt wie jeder Mensch Selbstwirksamkeit, hast Reaktions- und Einflussmöglichkeiten. Du musst sie nur sehen.

 
 

7) Selbstreflexion & Sinnstiftung (Zukunftsorientierung)

Ziele sind kleine Sinneinheiten, die Dich in Deinem Leben begleiten und ihm einen Wert verleihen. Deinen persönlichen Wert. Ein Mensch ohne Ziele ist wie Treibholz, er modert inaktiv vor sich hin und lässt sich von der Strömung fremdbestimmen anstatt selbstbestimmt seinen Weg zu gehen.

Klar, hier musst Du immer wieder reflektieren: Was willst Du erreichen? Oder haben sich Deine Ziele geändert? Wo findest Du Deinen Sinn im Leben? Was ist wichtig? Vgl: Muße – Müßiggang ist mehr als Erholung & Self-Care

 
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Resilienz und Umweltfaktoren

– also doch mehr als 7 Säulen?

Es wird viel darüber gesprochen, was Du selbst für Deine Resilienz tun kannst. Nicht beachtet wird jedoch, dass Du nicht aus Dir selbst heraus resilient wirst.

Auch Umweltfaktoren spielen eine gewaltige Rolle dabei, wie Du Deine Resilienz entwickeln und wie stark sie ausfallen kann.

 

Dazu zählen folgende Umweltbedingungen:

  • Erziehung und Vorbilder

  • Die Schwere von Schicksalsschlägen

  • Die Anzahl von negativen bzw. traumatischen Erfahrungen

  • Die Unterstützung durch das Sozialgefüge (Familie, Freunde, Schule, Gemeinschaft)

  • kulturelle Faktoren (z.B. Rollenbilder)

  • sozioökonomische Faktoren (vgl. gesundheitliche Ungleichheit)

Erst vor Kurzem erschien eine Untersuchung dazu (7): hier wurde klar, wer bereits vor einer Katastrophe extreme Stressfaktoren aufwies (Krankheiten, Verletzungen, Verlusterfahrungen, Scheidung, Arbeitslosigkeit, finanzielle Probleme), hatte ein umso höheres Risiko, psychische Krankheiten auszubilden (= geringere Resilienz).

 

Gehirn, Geist und Makrostressoren & Mikrostressoren

Belastungen sind nicht alle gleich. Darum arbeiten viele Resilienzforscher mit 2 Kategorien von Stress, also psychischer und körperlicher Belastung. Mikrosterssoren sind Probleme des Alltags. Makrostressoren sind Traumata durch Missbrauch oder Verwahrlosung und den Tod eines nahestehenden Menschen.

In Gehirnscans zeigte sich, dass bei resilienten Menschen das Belohnungssystem im Gehirn aktiver ist. Menschen reagieren weniger auf Stress, wenn sie kurz zuvor belohnt wurden oder gerade an schöne Dinge denken.

Es scheint auch Unterschiede in den Gehirnstrukturen zu geben. Zum Beispiel:

  • Resiliente Menschen haben meist einen größeren Hippocampus und ausgeprägtere Synapsen.

  • Die Amygdala ist bei vulnerablen Menschen eher vergrößert, sie hat möglicherweise Einfluss auf die Verhaltensplanung & Emotionskontrolle.

Allerdings weiß niemand, ob das Folge oder Ursachen für Resilienz ist. Aktuell geht die Wissenschaft davon aus, dass Genetik, Umwelt und individuelle Erfahrungen ineinanderspielen.

 

Ist uns Resilienz angeboren oder erlernbar?

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Ich hab’s ja schon mehrfach gesagt. Trotzdem solltest Du wissen, dass man viele Jahre lang glaubte, Resilienz sei angeboren wie eine Art Talent. Entweder Du wurdest mit Resilienz geboren oder eben nicht.

Dann gab’s aber einen großen Umschwung in der Psychologie: Resilienz wurde als Schlüssel zur Gesundheit aufgefasst und als trainierbar gedacht. Das allerdings im Zusammenhang mit psychischen Störungen wie Depressionen, PTBS usw.

 

Es kam, wie es kommen musste (mir kommen dabei Assoziationen zum Sophismus zu Platons Zeiten hoch): Es schossen Trainings zur Resilienzförderung aus dem Boden. Hier für Führungskräfte, da für den Otto-Normalverbraucher.

Du wirst Dich wahrscheinlich fragen, was jetzt das Problem ist? Hört sich doch alles super an. Tja, das Problem liegt darin, dass es noch keine einheitliche wissenschaftliche Definition von Resilienzförderung gibt.

 

Wo genau liegt der Unterschied zwischen Resilienz-Training und Achtsamkeits-Übungen oder Stressbewältigungskompetenz-Trainings?

  • Stressmanagement hilft, mit psychischen Belastungen umzugehen. Burnout-Prävention ist im Endeffekt ein Modewort fürs Stressmanagement.

  • Achtsamkeit schult Deine Selbstakzeptanz und Selbstwahrnehmung. Das sind 2 wesentliche Aspekte von Resilienz, sie erschöpft sich allerdings nicht darin.

  • Yoga & Entspannungstechniken, Meditation sind Methoden gegen Stress und zur Lebensbewältigung. Resilienz ist aber keine Methode an sich.

 

Wie gut man Resilienz lernen kann, ist noch nicht sicher

sagt Oliver Tüscher vom Leibniz-Institut für Resilienzforschung (17).

Die Forscher nehmen allerdings an, dass immerhin Verhaltensweisen erlernbar sind, die Deine Resilienz fördern können.

 

Scharfe Kritik an Resilienz-Trainings von heute

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Eine Meta-Studie von 2018 (6) hat herausgefunden, dass der Großteil an Resilienz-Trainings nicht auf wissenschaftlichen Resilienz-Konzepten beruhten.

Es kommt noch besser! Die Forscher deckten auf:

  • Dass es keine Unterschiede zwischen Anti-Stress-Trainings und neu entwickelten Resilienz-Coachings gab.

  • Gut 75 % dieser Resilienz-Trainings waren für Menschen gemacht, die keine psychischen Probleme hatten. Dabei geht es bei Resilienz doch darum, vulnerable Personen zu trainieren, also Menschen, die weniger Stresstoleranz besitzen.

  • die meisten Resilienz-Trainings bestanden aus Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie: Psychoedukation (bzgl. Stress, Angst, Depressionen), Entspannungstechniken, Emotionsregulation, positive Selbstgespräche und dergleichen mehr.

  • Wie nachhaltig diese Trainings eigentlich waren, wurde nie festgestellt. Es fand nach ein paar Wochen Training nämlich keine Nachkontrolle oder Auffrischung statt.

  • Keines der Trainings wurde mit realen Stressbedingungen durchgeführt. Alles wurde nur in der Vorstellung geübt.

 

Das sind alles Kritikpunkte, die Du nicht auf die leichte Schulter nehmen kannst. Nochmal auf den Punkt gebracht:

Da werden Trainings für teures Geld angeboten, die wenig mit Resilienz zu tun haben.

Extrem kritisiert haben die medizinischen Autoren, dass es keine Resilienz-Konzepte in diesen Trainings gab, die für Menschen gemacht waren, die wirklich dieses Training benötigten: Also psychisch kranke Menschen.

 

Resilienz zeigt sich oft erst nach psychischen Krisen

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In der aktuellen Ratgeberliteratur sowie von Resilienz-Coaches wird der Begriff Resilienz sehr schwammig benutzt. Da wird dann behauptet, es gäbe Checklisten aus Übungen, die man absolvieren soll, und schon sind wir resilienter.

Mediziner warnen allerdings vor dieser falschen Vorstellung. Heute wissen sie zwar von sehr vielen Resilienzfaktoren, welche beim Einzelnen aber eine Rolle spielen, lässt sich nicht vorhersagen.

 

Mit welchen Ressourcen ein Mensch es schafft, trotz Widrigkeiten psychisch gesund zu bleiben, lässt sich tatsächlich größtenteils erst nach der Krise sagen” berichtet Frau Dr. Ascone Michelis (20).

Die Wissenschaft geht also davon aus, dass es nicht einzelne Elemente wie Fähigkeiten und Charakter (optimistisch, humorvoll) sind, die Dich in Krisensituationen schützen.

 

Vielmehr ist es ein Zusammenspiel aus variierenden Konstellationen, darunter zum Beispiel:

  • persönliche Überzeugungen

  • Charakter

  • soziales Umfeld

  • aktuelle Lernprozesse

  • finanzielle Lage

Um Resilienz besser zu verstehen, braucht es Langzeitstudien. Eine der ersten soll dieses Jahr (2021) Ergebnisse liefern.

 

Fazit: 7 Säulen der Resilienz + Kritik

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Die Resilienzforschung & Resilienzförderung steckt noch in den Kinderschuhen. Darum ist es unter anderem so schwierig für Dich als Laien, unseriöse Angebote von seriösen zu unterscheiden.

Resilienz ist nicht einfach „nur“ ein Stresstoleranz-Training. Diese Definition greift viel zu kurz!

Was wir jedoch wissen ist, dass Resilienz-Trainings noch nicht in ihrer Nachhaltigkeit erforscht sind. Wie lange ihr „Schutz“ ausreicht, können wir nicht wissen. Allerdings weist einiges darauf hin, dass Resilienzförderung ein lebenslanges Lernen benötigt. Der Prozess ist nicht einfach abgeschlossen und Schwups – jetzt bist Du resilient und gegen alle Widrigkeiten gefeit.

 

So eine Superkraft gibt es nicht. Und genau da liegt das Problem heute: Resilienz wird als ein Allheilmittel gegen psychische Krankheiten, körperliche Krankheiten und Unzufriedenheit beworben.

Ungerechtigkeit und äußere Missstände werden dabei völlig außer Acht gelassen, oder besser gesagt: zur Privatsache gemacht.

vgl. Gesundheitliche Ungerechtigkeit – Thema Armut & Depression

Kommst Du nicht klar, dann liegt es an Dir. So einfach ist das aber nicht – ganz im Gegenteil! Die oben beschriebenen Umweltfaktoren sind bei Deiner Resilienz immer beteiligt, ohne Ausnahme.

 
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Ich bitte Dich, darauf zu achten, wem Du Dein Vertrauen schenkst. Möchtest Du ein Resilienztraining absolvieren?

Dann check die Ausbildung, die Erfahrung und Beschreibungen des Anbieters genau.

Lass Dich nicht einfach von rhetorischen Tricks und Fremdwörtern überrumpeln. Und schon gar nicht von windigen Versprechungen.

 

Meine persönliche Meinung:

Resilienz ist nur ein neues Buzzword für Sinnorientierung & Selbstvertrauen. Die meisten Coaches, Mental Health Erfahrungsexperten & “sonstige selbstzugeschriebene Titel” übernehmen Schlagworte & Konzepte kritiklos und ohne tieferes Verständnis. Ich persönlich halte davon wenig…

Und mit diesem Appell, habe ich Dich heute genug beschäftigt. Ich danke Dir fürs Lesen und hoffe, Dich zum Nachdenken bewegt zu haben.


Quellen:

1) DAK-Gesundheit: Resilienz: Die sieben Säulen der Stärke
2) Dr. Hendrik Wahler: Resilienztraining: Resilienz lernen, fördern und stärken
3) Marion Sonnenmoser: Resilienz: Ein Konzept im Wandel
4) LIR Mainz – Leibniz-Institut für Resilienzforschung
5) Psylex Psychologie Lexikon: Gesundheitspsychologie: Resilienz
6) Sarah Forbes, Deniz Fikretoglu: Building Resilience: The Conceptual Basis and Research Evidence for Resilience Training Programs (Meta-Studie 2018)
7) Cambrigde University: Assessing the relationship between psychosocial stressors and psychiatric resilience among Chilean disaster survivors (2020)
8) Sebastian Mauritz: Die sieben Säulen der Resilienz
9) Prof. Dr. Jutta Heller: Die sieben Schlüssel der Resilienz
10) Jochen Mai: Resilienzfaktoren: Die 7 Säulen der Resilienz
11) Dr. med. Marc Risch: Resilienz und Depression
12) Neurologen und Psychiater im Netz: Die psychische Gesundheit schützen: Resilienz kann in jedem Lebensalter erlernt werden
13) F. Färber und J. Rosendahl: The Association Between Resilience and Mental Health in the Somatically Ill
14) Barmer (2017): Resilienz – die psychische Widerstandskraft
15) Wikipedia: Resilienz (Psychologie)
16) Thomas Gabriel: Resilienz – Kritik und Perspektiven
17) Stefanie Uhrig: Resilienz: gegen Stress gewappnet
18) Boris Cyrulnik, franz. Psychiater und Psychoanalytiker, im Interview
19) Stella Marie Hombach: Woher kommt Resilienz? Forscher untersuchen psychische Krisen
20) Ilya M. Veer et al: Psycho-social factors associated with mental resilience in the Corona lockdown (Online-Befragung/Studie 2020)

Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hi, ich bin Tamara, freie Journalistin & studierte Philosophin (Mag. phil.). Hier blogge ich über persönliche Erfahrungen mit Depressionen & Angst – und untersuche psychische Phänomene aus einer dezidiert philosophischen Perspektive. Zudem informiere ich fachkritisch über soziale Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Missstände, die uns alle betreffen.

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Was ist Selbstmitgefühl? – Achtsames Mitgefühl für sich selbst

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Agitierte Depression – 25 % aller Depressiven sind rastlos, hyperaktiv & getrieben